ANZEIGE

Zweckoptimismus?

1134


Das Revierprinzip in Deutschland wird durch das aktuelle Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) nicht in Frage gestellt, da die Ausgangslage in Luxemburg nicht mit deutschen Verhältnissen vergleichbar sei, erklärt der DJV in einer Stellungnahme zu dem Urteil.

Peter Brade

Das Urteil vom 10. Juli 2007 gab einem luxemburgischen Grundstückseigentümer Recht, der gegen die Zwangsmitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft klagte.
 
Der DJV veröffentlichte hierzu folgende Stellungnahme:

Urteil des EGMR stellt deutsches Reviersystem nicht in Frage

Das in der Rechtssache Schneider gegen Luxemburg ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 10. Juli 2007 hat der DJV mit Sorge zur Kenntnis genommen. Der Gerichtshof relativiert das bislang auch von ihm selbst anerkannte Gemeinwohlinteresse an einer geordneten und flächendeckenden Bejagung im Einzelfall. Dennoch besteht zwischen dem deutschen Revierprinzip und der im Gegensatz zu Luxemburg anders gearteten Ausgangslage, aber insbesondere auch durch die erst kürzlich ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes keine Kollision mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR).
 
Die Entscheidung des EGMR, wonach in Luxemburg die gesetzliche Zwangsmitgliedschaft kleinerer Grundstückseigentümer in Jagdgenossenschaften gegen die europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), insbesondere gegen den darin verankerten Eigentumsschutz und das Recht zur negativen Vereinigungsfreiheit, verstößt, ist nach Ansicht des DJV auf die deutschen Verhältnisse nicht übertragbar. In seinem Urteil vom 10. Juli 2007 hat der EGMR nämlich hervorgehoben, dass die Mitgliedstaaten einen großen Ermessensspielraum bei der Wahl der Umsetzungsmodalitäten haben, wenn aus Gründen des allgemeinen Interesses das Eigentumsrecht des Einzelnen per Gesetz eingeschränkt wird. Dabei hat der Gerichtshof ausdrücklich anerkannt, dass es im allgemeinen Interesse liege, eine ungeordnete Ausübung der Jagd zu verhindern und eine vernünftige Verwaltung des Wildbestandes zu fördern.
 
Soweit der EGMR für Luxemburg eine Störung des Gleichgewichts zwischen den Interessen des einzelnen Grundstückseigentümers, der die Jagd aus Gewissensgründen ablehnt, und den Allgemeinwohlbelangen bejaht hat, trifft dies für Deutschland nicht zu. Im deutschen Jagdrecht ist das Prinzip der flächendeckenden Bejagung systemgerecht und lückenlos umgesetzt, so dass der Grundsatz der Konsistenz umfassend gewahrt ist. Sämtliche Grundstücke, sogar die bebauten Grundstücke, sind in Deutschland in Eigenjagd- oder Gemeinschaftsjagdbezirken zusammengefasst. Soweit dies zur Erfüllung des gesetzlichen Hegeauftrages notwendig ist, erlassen die Jagdbehörden Abschusspläne, deren Umsetzung jeder Grundstückseigentümer dulden muss. Darüber hinaus können die Jagdbehörden gemäß § 27 BJG mit Rücksicht auf das allgemeine Wohl sogar Abschussanordnungen zur Wildbestandsverringerung erlassen und diese notfalls im Wege der Ersatzvornahme umsetzen. In Deutschland muss daher jeder Eigentümer von Grundstücken, auf denen eine Bejagung möglich ist, unabhängig von deren Größe und Verpachtung dulden, dass aus Gründen einer am Allgemeinwohl ausgerichteten Wildbestandsregulierung auf seinen Flächen die Jagd ausgeübt wird.
 
Der Jagd entgegenstehende Überzeugungen einzelner Grundstückseigentümer finden in Deutschland bereits dadurch hinreichende Berücksichtigung, dass kein Grundstückseigentümer die Jagd aktiv selbst ausüben muss. Zudem darf die Jagd in Deutschland nur tierschutzgerecht durchgeführt werden. Bei ordnungsgemäßer Ausübung dient die Jagd der Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen und damit der Verwirklichung des Verfassungsauftrages des Art. 20 a GG. Hierauf hat das Bundesverfassungsgericht in seiner grundlegenden Entscheidung vom 13.12.2006 besonders hingewiesen. Das höchste deutsche Gericht hat damit erst kürzlich, auch unter Berücksichtung der Normen der EMRK, die in Deutschland geltende Zwangsmitgliedschaft in Jagdgenossenschaften für rechtmäßig erklärt. Im Gegensatz zu den Entscheidungen des EGMR, die nationales Recht nicht außer Kraft setzen und den Gerichten lediglich als Auslegungshilfe im Range einfachen Bundesrechts dienen, hat der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes unmittelbare Verbindlichkeit für alle deutschen Gerichte und Behörden. An der Pflichtmitgliedschaft in Jagdgenossenschaften und am bewährten Reviersystem in Deutschland hat sich deshalb durch die Entscheidung des EGMR nichts geändert.
In der April-Ausgabe 04/2008 der DEUTSCHEN JAGDZEITUNG  wird dieses Thema von einem Rechtsanwalt, der Mitglied des Deutschen Jagdrechtstages ist, kritisch beleuchtet.
 
 
-pm/hei-
Peter Brade

ANZEIGE
Aboangebot