DJZ News Erster Fall von Chronischer Auszehrkrankheit in Europa

Erster Fall von Chronischer Auszehrkrankheit in Europa


Bei einem Rentier in Norwegen ist kürzlich die Krankheit Chronic Wasting Disease (CWD, Chronische Auszehrkrankheit) nachgewiesen worden. Dies ist der erste Nachweis der Tierseuche in Europa. Was Jäger bezüglich CWD wissen müssen, erklärt die Leiterin des Nationalen Referenzlabor für Transmissible Spongiforme Enzephalopathien (TSEs) Dr. Anne Balkema-Buschmann vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) in diesem DJV-Interview.

 
In Europa wird vor allem Rotwild als für CWD empfänglich eingestuft (Foto: Markus Lück)
Was ist CWD und woher kommt die Krankheit?
CWD steht für Chronic Wasting Disease (chronische Auszehrkrankheit) und gehört zur Gruppe der transmissiblen spongiformen Enzephalopathien (TSE = übertragbare schwammartige Hirnleiden), zu denen auch die Scrapie bei kleinen Wiederkäuern und BSE beim Rind zählen. Bis zu dem Nachweis von CWD bei einem Rentier in Norwegen trat diese Krankheit bisher nur in Nordamerika und Korea auf. Erste Fälle sind bereits 1967 bei in Gefangenschaft gehaltenen Maultierhirschen in Colorado bekannt geworden. Anfang der 1980er Jahre wurden erste Fälle bei Wildwiederkäuern bekannt, seitdem wurde die Erkrankung inzwischen aus 23 US-Staaten und zwei kanadische Provinzen sowie nach Südkorea gemeldet. Die Übertragung nach Südkorea erfolgte in den 1990er Jahren durch den Import infizierter Rocky-Mountain Wapitis (Cervus canadensis nelsoni), infolgedessen zwischen 2001 und 2005 dort CWD-Fälle nachgewiesen wurden.
In Nordamerika wurde CWD bei Wapiti-Hirschen, Weißwedelhirschen, Maultierhirschen und Elchen nachgewiesen. Etwa die Hälfte der Fälle ist bisher in Gatterwildhaltungen aufgetreten, die anderen Nachweise erfolgten bei erlegtem bzw. verunfalltem Wild. Da erkrankte Tiere den Erreger mit allen Se- und Exkreten ausscheiden (v.a. Speichel, Urin, Kot), und der Erreger über Jahre bis Jahrzehnte im Boden stabil ist, ist eine Bekämpfung in betroffenen Wildtierbeständen nahezu unmöglich.
 

 
balkema-buschmann.jpg
Dr. Anne Balkema-Buschmann, Leiterin des Nationalen Referenzlabor für Transmissible Spongiforme Enzephalopathien (TSEs) am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) (Quelle: FLI/DJV)
Welche Symptome zeigen erkrankte Tiere?
Die Tiere verlieren an Kondition (deshalb die Bezeichnung Auszehrkrankheit), darüber hinaus zeigen sie zentralnervöse Störungen.
Was bedeutet der erste Fall für Jäger und Landwirte in Europa?
Das ist im Moment schwierig zu beantworten, da bisher nur der eine Fall in Norwegen bekannt ist. Über die Wiedereinführung von Überwachungsprogrammen sollte nun diskutiert werden, es gibt bereits entsprechende Überlegungen.
Wie wahrscheinlich ist es, dass CWD auch in Deutschland auftritt?
Diese Frage ist anhand der Daten zu nur einem einzigen (zufälligen) Nachweis nicht fundiert zu beantworten. Die geografische Lage Norwegens begünstigt eine Übertragung auf das europäische Festland nicht sehr stark.
Betrifft es ausschließlich Wiederkäuer?
Ja, unter natürlichen Bedingungen sind ausschließlich Wiederkäuer betroffen. Es sind aber nicht alle Wiederkäuer-Spezies empfänglich.
Welche Arten sind empfänglich und ist CWD auch zwischen den Arten übertragbar?
Von unseren einheimischen Arten wurde anhand der genetischen Ähnlichkeit zu den betroffenen Arten in Nordamerika besonders der Rothirsch und (in Finnland) der Weißwedelhirsch als empfänglich eingestuft. Und ja, CWD ist zwischen diesen Arten übertragbar.
Besteht die Möglichkeit der Übertragung auf den Menschen?
Bisher gibt es keine Hinweise auf ein zoonotisches Potenzial des CWD-Erregers. Dennoch wird natürlich davon abgeraten, das Fleisch von klinisch auffälligen Tieren zu verzehren. Auch in den betroffenen Regionen in Nordamerika ist kein vermehrtes Auftreten von TSE-Fällen beim Menschen zu verzeichnen.
Sind Haus- und Wildtiere betroffen?
Unter natürlichen Bedingungen sind nur die oben genannten Spezies betroffen, allerdings sowohl freilebend als auch in Gatterhaltung.
Gibt es ein Monitoring für CWD in Europa?
In der EU und Norwegen wurde 2007-2009 (begrenzt fortgesetzt bis 2010) ein Überwachungsprogramm für CWD durchgeführt. Im Rahmen dieses Programms wurde für jeden Mitgliedsstaat eine Stichprobengröße für wildlebende und in Gefangenschaft gehaltene Tiere (Rothirsche) festgelegt. Für Deutschland wurde die Untersuchung von 498 wildlebenden und 498 in Gefangenschaft gehaltenen Rothirschen festgelegt. Im Rahmen dieses Programms wurden EU-weit ca. 13.000 Tiere untersucht, alle mit negativem Ergebnis. Diese Studie ist in einer Stellungnahme der EFSA (Europäische Lebensmittelbehörde) zusammengefasst.
Was müssen Jäger in Europa über CWD wissen? Gibt es Verhaltensregeln?
Kleidungsstücke, die mit Organen oder Ausscheidungen von Rothirschen in Kontakt gekommen sind sollten gründlich gereinigt werden. Wildbret, Felle und Trophäen, wenn es nicht zu einer Eröffnung des Schädels gekommen ist, aus den Endemiegebieten in Nordamerika können in Bezug auf CWD auch weiterhin eingeführt werden.
DJV
 


Die mobile Version verlassen