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Forum Isegrim


04.09.2014

Der Deutsche Jagdverband hat Ulrich Wotschikowsky interviewt, den Gründer der Wolfplattform „Wolfsite – Forum Isegrim“.

 
Ulrich Wotschikowsky ist Forstwirt, Wissenschaftler und Journalist (Foto: Wotschikowsky/DJV)
Der Wissenschaftler verspricht unter www.woelfeindeutschland.de aktuelle, kritische und kompetente Informationen über das Wolfsgeschehen in Deutschland.
 
DJV: Soeben wurde die Seite woelfeindeutschland.de freigeschaltet. Was hat Sie dazu bewogen, diese zu entwerfen? Und was ist das Besondere an diesem Internet-Auftritt?
 
Ulrich Wotschikowsky: Was wir über Wölfe zu lesen bekommen, ist entweder mit Vorurteilen beladen oder naiv wolfsfreundlich. Die kritische, sachkundige Mitte kommt kaum vor. Außerdem fehlt es auf beiden Seiten an Verständnis und Toleranz für die Sichtweise des jeweils anderen. Wölfe haben es nicht verdient, dass sie verhätschelt oder verteufelt werden. „Wolfsite“ (www.woelfeindeutschland.de) sucht die Mitte und steht für Sachkunde, Aktualität und Offenheit.
 
Wann ist Ihrer Meinung nach der für den Wolf in der FFH-Richtlinie geforderte günstige Erhaltungszustand in Deutschland erreicht? Oder müssen wir Populationen vielleicht grenzübergreifend betrachten?
Ulrich Wotschikowsky: Wir denken in Populationen, in unserem Fall also an die deutsch-westpolnische Flachlandpopulation, die beiderseits der Grenze zu Hause ist. Nach den Vorstellungen der EU ist der günstige Erhaltungszustand einer Population mit 1.000 erwachsenen Tieren erreicht. Nach meiner eigenen Schätzung haben wir zwei Drittel dieser erwachsenen in Rudeln (Elterntiere) und ein Drittel in territorialen Paaren oder als Einzelwölfe. Das ergibt für 1.000 erwachsene etwa 333 Rudel, macht 666 Tiere, plus 333 weitere, die als Einzelwölfe und in territorialen Paaren leben. Diese Aufteilung zeigt sich ungefähr in den Monitoringergebnissen: ebenso viele einzelne Wölfe wie Rudel. Wenn sich ein Rudel aus zwei erwachsenen, vier Welpen und zwei Jährlingen zusammensetzt, kommen wir auf etwa 3.000 Wölfe insgesamt. Wenn sich die Wölfe fifty-fifty auf beide Länder verteilen, wären das also etwa 166 Rudel oder 1.500 Tiere in Deutschland.
 
DJV: Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung der Wolfspopulation in Deutschland ein?
Ulrich Wotschikowsky: Die Wölfe treffen bei ihrer Ausbreitung nach Westen und Süden auf ein zunehmend dichteres Straßennetz und eine dichtere Besiedelung. Damit werden Verkehrsverluste überproportional zunehmen. Die ungestörte Welpenaufzucht könnte ebenfalls schwieriger werden. Und auch die Jägerdichte ist im Westen und Süden höher. Das bedeutet für die Wölfe eine höhere Begegnungswahrscheinlichkeit mit Jägern, die Wölfe nicht dulden. All das zusammen genommen wird die Zunahme und Ausbreitung der Wölfe verzögern. Trotzdem – es werden mehr.
 
DJV: Wir leben in einer vom Menschen stark geprägten Kulturlandschaft. Was charakterisiert Ihrer Meinung nach eine „verträgliche Wolfsdichte“?
Ulrich Wotschikowsky: Wir werden niemals eine Wolfsdichte haben, die für alle Interessensgruppen „verträglich“ ist. Für manche ist ein einziger Wolf schon zu viel, andere können gar nicht genug Wölfe haben. „Verträglich“ wäre also der größtmögliche Konsens zwischen allen Gruppen. Für diesen Konsens müssen alle – wirklich alle – Zugeständnisse machen. Mit Zahlen lässt sich diese Frage nicht beantworten.
 
DJV: Über das konfliktfreie Zusammenleben mit dem Wolf gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Diese reichen von ungehinderter Ausbreitung über Zonierung in Wolfsgebiete und wolfsfreie Areale sowie Welpenfang bis hin zur Regulierung durch Abschuss. Wie stehen Sie dazu?
Ulrich Wotschikowsky: Abgesehen davon, dass die Rechtslage derzeit alle Eingriffe zur Populationssteuerung der Wölfe ausschließt: Ich sehe keinen Grund, warum wir die Ausbreitung der Wölfe hindern sollten. Für eine Ausweisung von „wolfsfreien“ Gebieten kann ich mich ebenfalls nicht erwärmen. Welche Gebiete soll man denn wolfsfrei halten, und welchen soll man andererseits die „Bürde“ von Wölfen auferlegen? Das wäre genauso fragwürdig wie die Rotwildgebietsregelung in einigen Bundesländern. Eher kann ich mir vorstellen, dass man in einem bestimmten Gebiet die Dichte senken möchte. Auch das muss man aber erstmal begründen. Dichteabsenkung hilft den Weidetierhaltern nicht, allenfalls den Jägern. Aber bei den gegenwärtigen Schalenwilddichten begibt man sich da auf dünnes Eis.
 
Bejagung kann leicht die Zerstörung von Rudelstrukturen zur Folge haben, nämlich wenn man die Elterntiere schießt. Damit schafft man Raum für zuwandernde Wölfe. Man würde also den Druck auf die Schalenwildbestände gar nicht mindern, vielleicht sogar erhöhen, weil Einzelwölfe ihre Beute nicht so effizient nutzen wie Rudel. Zudem verlangt die EU ausdrücklich, dass Eingriffe in FFH-Arten „selektiv“ erfolgen müssen. Das ist bei Wölfen nur im Sommer möglich: man könnte Welpen eliminieren, z. B. an der Wurfhöhle – wenn man die kennt. Es wäre eine tierschutzgerechte und effiziente Methode. Denn damit bliebe das Elternpaar erhalten, und das hält sein Territorium von zuwandernden Wölfen frei. Im Yukon ist das nachgewiesen worden. Auf diese Weise könnte in einem Gebiet von der Größe eines Rudelterritoriums (rund 250 km²) die Wolfsdichte beträchtlich gesenkt werden. Die Jägerschaft wird vom Welpen fangen allerdings nicht begeistert sein. Eine selektive Bejagung im Winterhalbjahr, wie sich viele das vorstellen, ist nicht möglich; denn schon ab Oktober lässt sich ein Welpe unter jagdlichen Bedingungen nicht von einem Altwolf unterscheiden.
 
PM DJV
 


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