Jagdpraxis Hundetraining im Saugatter – Keiler als Sparringspartner

Hundetraining im Saugatter – Keiler als Sparringspartner


Ein Keiler, ein Hund, 15 000 Quadratmeter. Dickung, Altholz und Freifläche. Suchen, finden, verbellen. Den Keiler in Bewegung bringen. Im Schwarzwildgatter zeigt der Hund, ob er für die Saujagd geeignet ist oder Nachhilfe braucht.

 
Nuschke und Hugo sind hier die Hausherren. Zwei Keiler im besten Alter. 5 und 6 Jahre alt und sehr erfahren. Aufdringliche Hunde, damit kennen sie sich aus. Sie lassen sich nicht von einem Terrier ungestraft in die Schwarte beißen oder von einem Drahthaar nerven. Sie sind die Meister im Ring, sprich Saugatter hier in Wriezen, nahe der Oder. Entspannt döst Nuschke in der Sonne und genießt die morgendliche Ruhe. Die ersten wärmenden Sonnenstrahlen streicheln seine Schwarte. Plötzlich ist die Stille vorbei. Ein schokobrauner Jagdterrier rennt durch Nuschkes Wohnzimmer. Langsam setzt sich das rund 130 Kilogramm schwere Borstentier in Bewegung. Langsam, ganz langsam. Erst mal kommen lassen, den braunen Wirbelwind. Nuschke weiß, wie der Hund läuft: Er wartet am Zaun.
 

 
Der Teckel unsereres Kameramannes Ralf Bonnekessen zeigt keine Angst vor großen Sauen
Kleiner Quälgeist
 
Keine zwei Minuten dauert es, bis der quirlige Terrier Nuschke entdeckt hat. In dem Gatter nicht einfach, denn überall steht Witterung. Für Hunde scheint es ein Irrgarten der Düfte zu sein, jedoch die feine Hundenase erkennt den Keiler. Erschwerend kommt hinzu, dass neben dem Saugatter eine Rotte mit Frischlingen, Überläufern und zwei Bachen lebt. Sie Grunzen und Quietschen beim spielerischen Kämpfen.
 
Giftiger Standlaut aus der Dickung. Eigentlich hatte der Hundeführer damit gerechnet, dass der Terrier zupackt, wie er es schon oft auf der Jagd getan hat. Eben ein richtiger Kämpfer, worauf Herrchen stolz ist. Aber hier im Saugatter, wo der kleine Hund alleine auf die große Sau trifft, sieht die Welt offenbar anders aus. Eifrig verbellt der Terrier den sich langsam vor ihm wegdrückenden Keiler. Entlang des Zaunes geht die gemütliche Reise zu zweit. Langsam. Nuschke lässt sich nicht drängen. Sobald der Terrier versucht, etwas mehr Druck zu machen, gibt es einen kleinen Scheinangriff. Kurz mal mit dem Haupt in Richtung Hund geschlagen, und schon ist der Quälgeist wieder auf Distanz.
 
Nach fünf Minuten lauter Arbeit an der Sau ist der Test vorbei. In dem Saugatter geht es nicht darum, den Hund auf die Sau zu hetzen. Das Verhalten des Hundes gilt es zu beurteilen. Dabei lernt der Hundeführer seinen Hund kennen: Standlaut, Sichtlaut und Fährtenlaut sind klar zu unterscheiden. Alles klingt nur etwas tiefer, denn der Keiler ist groß und macht mächtig Eindruck. Sogar die Geschwindigkeit des Bassen vor dem Hund ist hörbar. Doch bevor dieses Spektakel losgeht, müssen erstmal ein paar Regularien erfüllt werden.
 
 

 
gatternutzung 2013
 

 
Frühstart
 
Ordnung muss sein, auch oder besonders im Schwarzwildgatter Wriezen. Der Name des Hundeführers, seine Telefonnummer, Jagdscheinnummer, Name des Hundes und die Rasse werden in einer Liste eingetragen. Danach wird der Impfpass kontrolliert und 10 Euro kassiert. Gattermeister Conrad Philipps drängt schon morgens zur zügigen Abwicklung, denn es soll warm werden. Das ist schlecht für Hunde und Keiler. Die morgendliche Kühle soll genutzt werden.
 
Ein Laika, ein Epagneul Breton, ein Deutsch Drahthaar, ein Schweißhund, ein Teckel, ein Deutscher Wachtelhund und drei Deutsche Jagdterrier wollen heute ihr Talent am Schwarzwild zeigen. Die Voraussetzungen sind höchst unterschiedlich: vom gänzlich unerfahrenen Teckel bis zum routinierten, kampferprobten Terrier ist alles vertreten.
Die Erfahrung ist dabei unerheblich. In das Wriezener Saugatter darf jeder Hund. Nur alt genug sollte er sein, damit das Wesen gefestigt ist. Gattermeister Philipps erklärt, dass Hündinnen nach der ersten Hitze, und Rüden ab 15 Monaten reif genug sind.
 
Gleich geht es los. Jeder Hundeführer zieht beim stellvertretenden Gattermeister ein Schnapsfläschchen aus dem Hut. Darauf stehen Zahlen von 1 bis 9. Prompt folgt die Erklärung, denn das sind die Startnummern der Teilnehmer. Diese Reihenfolge ist verbindlich, darauf legt der strenge Gattermeister großen Wert.
 

 
Verhalten arbeitet der französische Vorstehhund. Die Saugabel ist zur Sicherheit immer dabei
Lob auf den Punkt
 
„Positive Bestärkung und Lob zum richtigen Zeitpunkt brennen sich in die Festplatte des Hundes ein“, das ist sein Credo. Wenn der Hund den Keiler verbellt, klopft der Gattermeister dem Hundeführer auf die Schulter. Genau dann muss der Hundeführer loben – nicht davor und nicht danach.
 
Das ist verdammt schwer für einen Rüdemann, der voller Aufregung seinen Hund an der dicken Sau beobachtet, denn er fiebert mit. Ohne der Unterstützung des erfahrenen Rüdemannes klappt das kaum. Wenn aber doch mal aus Versehen Lob zum falschen Zeitpunkt herausrutscht, gibt es sofort Ärger mit dem Chef: „Bestätigung, ohne dass der Hund Laut gibt, ist katastrophal.“
 
Sobald der Hund fünf Minuten an der Sau gearbeitet hat, wird er abgerufen. Am besten während er richtig in Rage ist. Jetzt zeigt sich der Gehorsam am Wild. Erstaunlicherweise dreht der kleine braune Terrier unmittelbar nach dem Pfiff ab und kommt freudig, aber auch etwas müde zum Chef. Sogar der erfahrene Gattermeister zeigt sich vom Gehorsam am Wild tief beeindruckt.
 
Seine Aufforderung: „Jetzt schnell anleinen, denn wenn der Hund nochmal durchstartet, passieren die schlimmsten Unfälle.“ Der Hund fühlt sich stark und hat gerade Energie beim Herrchen getankt. „Da werden sie übermütig, und das mag Nuschke gar nicht“, weiß Philipps.
 
Glücklich trägt Björn seinen Terrier auf dem Arm Richtung Gatterausgang. Vor lauter Aufregung hat er vergessen, dass um seine Schulter eine Hundeleine hängt. Die knapp zehn Minuten im Gatter vergehen wie im Flug. Nur der Gattermeister und sein Vertreter haben die Uhr im Auge und notieren sich das Verhalten des Kandidaten. Das Protokoll belegt eindeutig, dass der Hund drei Minuten gesucht, den Keiler entdeckt und dann fünf Minuten verbellt und bedrängt hat.
 
 

 
Nach der Arbeit im Gatter bewertet Conrad Phillips das Verhalten der Hunde – und ihrer Führer
Harte Schule
 
Die strengen Zeitlimits gründen auf Erfahrungswerten. Hunde sind wie kleine Kinder, zumindest vom Lernverhalten her. Maximal 20 Minuten kann eine Unterrichtseinheit dauern. Der erwachsene Mensch schafft 45 Minuten effektives Lernen. Das Ende muss unbedingt positiv sein, denn das bleibt hängen. Conrad Philipps: „Die Erfahrungen werden danach vom Arbeitsspeicher auf die Festplatte überschrieben. Dafür ist eine Ruhephase dringend notwendig.“
 
Fünf Minuten bekommt der Hund zum Finden. Danach soll er mindestens drei Minuten kontinuierlich Verbellen und den Keiler in Bewegung bringen. Dass dies eine schwere Aufgabe für die vierläufigen Jagdhelfer darstellt, hat der Gatterbesuch gezeigt. Ist der Keiler gefunden, verbellt der Hund den Bassen. Am Anfang ist dieser interessant und spannend. Nach zwei Minuten wird es aber schon langweilig. Das Interesse flaut ab. Genau diese Phase gilt es zu überwinden. Danach steigt das Interesse an, und der Laut wird wieder energisch.
 
Genau diese Spannungskurve ist bei jedem der acht Hunde sichtbar. Nur ein Schweißhund, der zuhause mit einem Wildschwein in direkter Nachbarschaft lebt, macht sich wegen des Keilers im Gatter nicht verrückt. Er gibt gelangweilt nur ab und an mal Laut und zeigt kaum Passion.
 
Geht etwas schief, darf der Hund auf gar keinen Fall an der gleichen Stelle wieder angesetzt werden. Die nächste Lerneinheit muss an einem anderen Ort stattfinden. Tadel für Fehler müssen unmittelbar kommen, sonst weiß der Hund nicht mehr, für was die Ermahnung ist. Solche wertvollen Erfahrungswerte des versierten Gattermeisters für die Hundeerziehung gibt es an diesem Tag gratis dazu.
 
Bei der abschließenden Besprechung erklärt Philipps die Bewertung. Zu DDR-Zeiten gab es ein Punktesystem von 0 bis 9 Punkte.  Um den Hundeführern die Einschätzung zu erleichtern, wendet er dieses auch heute noch an. „Brauchbare Hunde für die Gesellschaftsjagd auf Schwarzwild müssen mindestens 5 Punkte erreichen. Darunter können sie noch für die Einzeljagd taugen.“
 
Von 0 Punkten für einen Terrier, der zu forsch gewesen ist und sich selbst gefährdet hat, bis zu 9 Punkten für einen Terrier der eine exzellente Arbeit gezeigt hat, ist alles dabei. Gäbe es einen Wanderpokal für Gehorsam, so hätten ihn an diesem Tag gleich zwei DJT gewonnen.
 
 

 
Keilerwechsel: Nach fünf Hunden wird Nuschke gegen Hugo getauscht
Keilertausch
 
Fünf Hunde dürfen nacheinander zum fünfjährigen Keiler Nuschke. Das dauert eine gute Stunde. Danach hat er Feierabend und darf zur Rotte in das Nachbargehege. Ein Schleusensystem hilft, die zwei Bassen voneinander zu trennen. Nuschke zieht ganz langsam durch den abgesperrten Gang. Genauso langsam, wie er sich vor den tobenden Hunden bewegt. Nicht mal Eintagsküken als Köder wecken mehr Lebensgeister als unbedingt notwendig.
 
Nun darf der zweite Keiler ran: Hugo, ein sechsjähriger Vertreter seiner Art. Seine Schleuse öffnet sich, und er zieht im flotten Troll in das große Gatter. Auch er ist erfahren, aber etwas lebhafter. Später zeigt Hugo, dass er sich im Gegensatz zu Nuschke durch einen Hund auch bis zum Troll beschleunigen lässt. Bei Nuschke gab es nur eine Gangart: Schritt.
 
Diese Ruhe der Keiler ist Voraussetzung für schadensfreien Umgang der Kontrahenten. Conrad Philipps: „Ergebnisse zeigen, dass bei 2 357 Vierläufern, deren Verhalten im Gatter beurteilt wurde, nur ein Hund schlimm geschlagen war. 2,5 Prozent gefährden sich selber, weil sie zu aggressiv und kopflos rangehen. Sie sind ungeeignet für die Saujagd.“
 
Insgesamt ist die Hälfte der Hunde für die Saujagd brauchbar oder entwicklungsfähig. Letztere benötigen Nachhilfestunden. 31 Prozent zeigen eine sehr gute Arbeit. Immerhin knapp ein Fünftel der Hunde finden noch nicht einmal den Keiler in dem 1,5 Hektar großen Saugatter. Diese Vertreter bewegen nichts im Sauenrevier.
 
Kommentar
 
Saujagd hat sich von der Kür zur Pflicht gewandelt. Höhere Strecken werden gefordert. Dafür brauchen wir vernünftige Hunde, die energisch die Schwarzkittel in Bewegung bringen, ohne sich dabei zu gefährden. Finder, nicht Packer sind gefragt. Nirgends kann der Hund dies besser lernen, als in einem Schwarzwildgatter. Warum gibt es eigentlich nicht mehr davon?
 
Armin Liese
 
 
 
 
 

 

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