Dagobert Lindlau gehörte in seiner aktiven Zeit zu Deutschlands bekanntesten TV-Journalisten. Seine jagdliche Leidenschaft gilt seit über 50 Jahren dem Flugwild. In seiner Speisekammer findet sich aber auch so manches Stück Schalenwild.
Von Hans Jörg Nagel
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Sein Haus liegt in einer Seitenstraße von Vaterstetten (Bayern). Hinter dem Hoftor ein kleines Idyll: dichte Sträucher, vereinzelte Baumgruppen, Beete, ein Teich und gepflasterte Wege. Der Garten von Dagobert Lindlau ist wunderbar verwunschen und sehr gepflegt. Einziges Manko: Auf der anderen Seite grenzt sein Grundstück an eine vielbefahrene Umgehungsstraße mit Gewerbegebiet. Wiesen und Felder mussten dem Fortschritt weichen.
Damals gab es hier viel Niederwild. Ich erinnere mich noch, dass sich einmal NDR-Chefredakteur Peter Merseburger ganz überraschend zum Essen ankündigte. Ich schulterte fix die Flinte, erlegte unweit meines Hauses 2 Fasanen, und kurz darauf saßen mein Gast und ich vor einem leckeren Essen, berichtet Lindlau schmunzelnd und wissend, dass er damals vermutlich das ein oder andere Gesetz übertreten hat.
Vom Jagdgegner zum Weidmann
Einen Kochtopfjäger nennt sich der heute 84-Jährige selbst. Seine Freude an Wildbret habe letztlich auch den Ausschlag dafür gegeben, dass er Anfang der 1960er Jahre den Jagdschein machte. Doch diesen Entschluss fasste der Top-Journalist nicht unkritisch. Dagobert Lindlau: Eigentlich war ich in jungen Jahren Jagdgegner. Mir erschien die Schießausbildung zu schlecht und die oft formulierte Weidgerechtigkeit als reines Lippenbekenntnis.
Erst Recherchen vor Ort hätten ihn im Laufe der Jahre ein anderes Bild vermittelt und ihn umgestimmt: Ich habe wirklich gut ausgebildete, ehrfürchtige und disziplinierte Jäger kennengelernt, die Tierschutz und Verantwortung gegenüber den Mitgeschöpfen beherzigen.
Überhaupt ist es ihm bis heute wichtig, dass Jagden organisiert sind, die Veranstalter alles tun, um Fehler zu unterbinden und die Weidmänner selbst bestens präpariert ihrer Leidenschaft nachgehen. Und dabei geht es Lindlau vor allem um das Schießen. Seit 1950 schieße ich Tontauben und habe hier schon so manchen Titel erringen können. Bis heute habe ich auf den Ständen rund 10.000 Schuss verpulvert.
GSG 9-Ausbildung auf dem Parcoursstand
Schon in den 1970er Jahren war das Können des Moderators mit der Flinte offensichtlich nicht unbekannt. Nach dem Drama rund um die Olympischen Spiele von 1972 (München), bei dem Palästinenser israelische Sportler ermordeten, bat ihn der damalige Innenminister Hans-Dietrich Genscher, die neugegründete Grenzschutzgruppe 9 (GSG 9) an der Waffe auszubilden.
Ich ließ die Beamten auch viel auf Parcoursständen trainieren. Dort wurden weiße Tontauben auf die Reise geschickt, aber hin und wieder auch gelbe. Die standen für Geiseln, Unbeteiligte, Verbündete und durften natürlich nicht befunkt werden. So wurde der sichere, aber auch reaktionsschnelle Schuss geübt, erklärt der Waffenexperte.
Gedanken am erlegten Muffelwidder
Mein erstes Stück war ein Fuchs, erinnert sich Lindlau. Im Allgäu bei Albert v. Thurn und Taxis habe ihn ein Berufsjäger geführt. Reineke schnürte quer vor unserem Hochsitz. Mein Jäger war gerade dabei, mir zu sagen, ich solle warten, bis er breit steht, da lag der Rotrock schon verendet im Gras. Das Vorschwingen und Abdrücken im richtigen Moment hatte ich einfach im Blut.
Es folgte ein schalenkranker Muffelwidder im Solling. Alleine am erlegten Stück ließ sich Lindlau die Worte seines Anstellers durch den Kopf gehen: Sie haben soeben vorsätzlich getötet. Denken Sie mal darüber nach! Das tat er. Ganz bewusst habe er sich die große Verantwortung seines Tuns vor Augen geführt und verinnerlicht.
Ansprechen durch Flügelschlag
Ein eigenes Revier hat der gebürtige Münchner nie gehabt, Jagdgelegenheiten reichlich. So erlegte er unter anderem in der Senne bei Paderborn Dam-, Rot- und Schwarzwild. Bis heute ist er, so oft es seine Zeit zulässt, Jagdgast im dortigen Forst. Seiner besonderen Vorliebe, der Flintenjagd, geht Lindlau gerne am bayerischen Inn nach. Die Entenjagd hat es ihm besonders angetan. Ich liebe die Stimmung beim Abendstrich. Mir ist es fast immer möglich, am Flügelschlag, dem Flugbild und der Silhouette die jagbaren von den geschonten Entenarten zu unterscheiden, behauptet er.
Schließlich sei auch die Arbeit mit dem Hund bei dieser Jagdart ein Genuss. Apropos Hunde. Von Kindheit an bis heute führte der ehemalige Moderator vom ARDWeltspiegel 31 Jagdhunde. Fast ausschließlich Deutsch Drahthaar und Terrier. Aktuell begleitet mich mein DD-Rüde Wastl und Markus, der Heide-Terrier, eine Kreuzung aus Airedale- und Jagd-Terrier.
Leih-Jagdhunde und Rupfmaschinen
Die Flintenjagd gehört zu den besonderen Vorlieben von Dagobert Lindlau. Treffsicher holt er Fasanen vom Himmel (Fotos: privat) |
Ich bin verfressen, gibt Lindlau zu und belegt sein Bekenntnis mit Zahlen: Jeden Herbst fülle ich meine Tiefkühltruhe. Vorrangig in der Senne erlege ich hierfür 2 Damwildkälber und 1 Rotwildkalb. Dazu kommen 40 Enten vom Inn und 40 Fasanen aus Oberösterreich. Das reicht genau für 1 Jahr!
Lindlau imponiert das Niederwildjagd-Management in unserem Nachbarland, zwischen Salzburg und Linz, wo er seit vielen Jahren mit einer Sonderlizenz zu Gast ist: Die Genossenschaft jagt dort einmal pro Jahr aber dann richtig. Die Bauern verkaufen das erlegte Wild und machen damit Geld. Im Schnitt liegen pro Jagd 200 Fasanen auf der Strecke. Dann herrscht wieder Ruhe.
Neben der ein oder anderen Gams und Tauben in Italien hat es Dagobert Lindlau jagdlich kaum ins Ausland getrieben. Afrikanisches Wild reizt ihn zum Beispiel überhaupt nicht. Eine Ausnahme bildet die USA, wohin es ihn beruflich häufig verschlug. Sichtlich begeistert erinnert er sich an aufregende Fasanenjagden nahe Washington: Dort gab es eine Jagdhunde-Vermietung. Niederwildjäger bekamen für 5 Dollar am Tag Stöberer am Strick. Die führten den Weidmann sicher auf Wild, standen felsenfest vor und stießen auf Geheiß die Hühner raus. Die Jagdhunde verstanden offensichtlich alle Sprachen. Und auch was dann kam, bringt den begeisterten Flintenschützen noch heute zum Schmunzeln: Mit den erlegten Hühnern ging es dann zurück ins Office. Dort stand eine Rupfmaschine. Der Vogel kam vorne im vollen Federkleid rein und auf der anderen Seite splitternackt heraus. Einfach genial.
Mit den kochfertigen Vögeln sei er dann oft ins amerikanische ARD-Hauptstadtstudio gegangen, wo sich die Fernsehmacher die Fasanenbraten schmecken ließen.
Anmerkung zum weiten Schuss
Dagobert Lindlau ist ein verantwortungsvoller Jäger. In seiner Denkschrift Die Waidgerechtigkeit appelliert der ehemalige Schießausbilder an alle Grünröcke: Jäger müssen das Schießen intensiv trainieren. Das ist Voraussetzung, um in freier Wildbahn schnell und sicher zu töten. Weite Schüsse sollten selbst geübte Schützen nur von einer stabilen und prellfreien Unterlage abgeben. Die Waffe muss dabei einwandfrei eingeschossen, Kaliber und Laborierung geeignet sein. Ansonsten bleibt der Finger gerade!
Steckbrief
Dagobert Lindlau kam am 11. Oktober 1930 in München zur Welt. Bei einem Fliegerangriff 1944 wurde der damals 14-Jährige schwer verwundet. Fast 2 Jahre lang musst er wegen einer Beinverletzung im Krankenhaus verbringen. Nach journalistischen Tätigkeiten bei mehreren Zeitungen lockte ihn 1954 das Fernsehen. Für die ARD lieferte er Tagesschauberichte, weltweite Reportagen, Dokumentationen und Kommentare. Er moderierte den Weltspiegel und die Sendung III nach 9.Unter anderem war er auch Chefreporter und später Chefredakteur bei der ARD. Seine Sendung Die Bedrohung, die sich mit dem organisierten Verbrechen beschäftigte, hatte Rekordeinschaltquoten. Für sein journalistisches Wirken wurde er mit vielen Auszeichnungen geehrt, unter anderem 3 Grimme-Preisen. Er schrieb 5 Bücher, die alle Bestseller wurden. 1963 machte der begeisterte Tontaubenschütze den Jagdschein. Dagobert Lindlau ist nicht verheiratet, hat aber einen Sohn (40). na