Jagdpraxis Auf Jagd Reviergang im November: Gänsestrich

Reviergang im November: Gänsestrich


Tausende von nordischen Wildgänsen rasten an Elbe, Havel, Spree und Oder. Deshalb zieht es uns Waldjäger einmal im Jahr in den Norden, dorthin, wo die Gänse jetzt Rast machen.

Von Hans Joachim Steinbach

Bei Hartmut haben wir freie Hand, großzügig stellt er Rainer und mir sein Havelländisches Hochwild-Revier zur Verfügung. Doch uns locken weder Hirsch noch Sau, nur die 60.000 Wildgänse, die zum Rasthöhepunkt auf seinen Feldern und Wiesen einfliegen, ziehen uns magisch an.

Die Wildgänse sind da

Die ersten Wildgänse kreuzen schon nördlich von Leipzig und Halle unseren Weg. Sie rasten hier auf den Tagebau-Restlöchern, woraus künstliche Seen wurden. Hinter der Elbe begegnen uns dann immer mehr Gänse. Immer wieder zieht ein Keil am Himmel entlang, nördlich von Berlin sehen wir sie öfters äsend auf den Feldern.

Gegen Abend sind wir im Revier und stellen uns in die Haupt-Zugrichtung von den Äsungsplätzen zum Schlafplatz, einem großen See, wovon es hier fast in jedem Ort einen gibt. Wir sind weit genug vom Ufer entfernt. Am Schlafplatz wollen wir die Gänse nicht stören.

Es ist diesig, fast neblig, keine gute Fernsicht – aber so ein Wetter mag der Gänsejäger. Jetzt streichen die Gänse nicht so hoch, so hoffen wir wenigstens.

Dann endlich das langersehnte Geschnatter. Bei dem Dunst hört man die Gänse rufen, bevor man sie sieht. Aus der Ferne zieht ein schwarzer Pulk heran, es scheint, als würde es Nacht. Die Gänse sind tatsächlich nicht zu hoch, aber für mich dennoch zu weit. Ich stehe unter einem Randbaum eines Feldgehölzes, suche Deckung am dicken Stamm einer Kastanie. Die hat einst der Jagdherr fürs Damwild gepflanzt.

Heiser bellen die Schüsse aus Rainers Flinte. Dumpf höre ich den Aufschlag einer Wildgans. „Weidmannsheil!“, rufe ich ihm über den Graben zu, da streichen auch mich die Gänse an. Wieder konnte ich nur ihr „Gak-Gak-Gak“ vernehmen, dann sind sie auch schon über mir. Meine Schüsse verfehlen ihr Ziel. Mit lautem Schwingenschlag, und steil nach oben, ziehen die Gänse höher in den Himmel hinein, um meinen Schroten zu entkommen. An diesem Abend habe ich kein Glück, Rainer hat zwei Saatgänse erlegt.

Wildgänse-Management

Am anderen Morgen erwarten wir die Gänse draußen in der Feldflur an einem großen Weizenschlag, wo sie schon immensen Schaden gemacht haben. Die Saat ist noch nicht aufgegangen, aber die Gänse suchen sich die schmackhaften Körner, und sie stört auch nicht, dass das Saatgut gebeizt wurde. Vorwiegend werden Wildgänse an solchen Flächen bejagt, wo sie Schaden machen, dafür lässt man sie auf dem Grünland oder den Maisstoppeln in Ruhe äsen. Das nennt man „Wildgänse-Management“.

Im Morgengrauen färbt sich der Horizont rot, und dann kommen auch schon die Wildgänse. Eine einzelne Gans fliegt hoch droben am Himmel vorüber. Sie ist ein „Späher“ oder „Kundschafter“ und bleibt natürlich unbeschossen. Man hat auch wenig Freude mit so einem alten Vogel, der schon ein paar Tausend Flugstunden unter den Schwingen hat. „Die kannst Du stundenlang braten und kriegst sie nicht weich“, hat mir ein Gänsejäger verraten, der es wissen muss.

Bring Apport – mit gutem Hund zur Gänsejagd

Tief geduckt steht Rainer im Entwässerungsgraben, ich liege an der Grabenböschung in Deckung. Nun streichen die ersten Wildgänse auf meinen Stand zu. Ich lasse sie in Ruhe landen, erfreue mich an dem lauten Geschnatter. Was sich wohl Gänse zu erzählen haben? Weitere kommen dazu, noch sind sie etwa 60 Meter entfernt, doch dann flattern die nächsten direkt über mir im Landeanflug. Schnell strecke ich mich aus der Deckung, und mir gelingt auf kurze Distanz eine Doublette. Rainer hat auch Waidmannsheil. Ich höre sein „Bring Apport!“.

Zur Gänsejagd gehört auch ein guter Hund. Rainer hat ihn mit unzähligen Tauben auf Federwild eingearbeitet, denn Gänse haben wir in unserer Thüringer Heimat nicht. Doch Moritz weiß, worauf es ankommt, und apportiert den großen Vogel. An diesem Morgen kann jeder von uns zwei Gänse erlegen.

Noch lange liegen wir in der Sonne, die den Reif wegleckt, und beobachten den Gänsestrich. Und am Abend sind wir wieder hier und warten mit Spannung darauf, dass die Wildgänse den roten Himmel verdunkeln.

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