Bei Böcken wird überwiegend nach Trophäen-Merkmalen selektiert. Diese Möglichkeit besteht bei Ricken, Schmalrehen und Kitzen nicht. Welche Kriterien spielen dort eine Rolle? Von Peter Diekmann
Foto: Michael Migos
Wenn es um die Selektion weiblichen Rehwildes geht, stehen zig Parameter auf der Liste, die dabei eine Rolle spielen. Angefangen bei der Qualität des jeweiligen Bestandes sowie Lebensraums, über den Besucherdruck im relevanten Revier, bis hin zu den zeitlichen Möglichkeiten des Jagdpächters und seinen Mitjägern sowie seiner bevorzugten Jagdstrategie, um nur einige zu nennen.
Wie so oft gibt es auch in diesem Fall keine allgemeingültige Universallösung. Ein Revierpächter im Ruhestand, der im eigenen Revier wohnt, hat ganz andere Möglichkeiten, seinen Rehwildbestand zu kennen und innerhalb dieses zu selektieren als ein Banker aus Frankfurt, der es lediglich ab und an ins Hunsrück-Revier schafft.
Der Abschussplan muss von beiden erfüllt werden, sodass beim Banker mit Zeitdruck eben das erlegt wird, was vor die Büchse wechselt – egal ob stark oder schwach. Hinzu kommen persönliche Überzeugungen: Manch einer verzichtet komplett auf den Abschuss von Bockkitzen, wohingegen andere möglichst früh mit dem Rehwild-Abschuss fertig sein und wieder andere den Großteil des Abschusses auf Drückjagden tätigen wollen.
Perfekte Bedingungen
Im Idealfall kennt der Pächter seinen Rehwildbestand recht gut. Es ist zwar unmöglich, die genaue Bestandsgröße zu kennen, dennoch ist dem fleißigen Ansitzjäger ein Großteil „seiner“ Rehe bekannt. Eine optimale Voraussetzung, um selektiv einzugreifen. Nicht nur in der DJZ-Redaktion herrscht Uneinigkeit darüber, ob Bockkitze erlegt werden sollten oder nicht, es trifft auf die komplette Jägerschaft zu.
Fakt ist, dass diese Grundsatzfrage die Selektion beim weiblichen Rehwild stark beeinflusst. Gegner des Bockkitz-Abschusses haben weitaus weniger Auswahl-Möglichkeiten als Befürworter. Denn sobald eine Ricke ein Bockkitz führt, fällt sie als potenzielle Beute aus.
Schlechte ins Kröpfchen
Beim weiblichen Rehwild findet Selektion über die Anzahl erlegter Stücke sowie die Ansprache auf körperliche Merkmale statt. Zum 1. Punkt sei gesagt, dass gerade in optimalen Rehwild-Biotopen der Rehwild-Bestand oft unterschätzt wird. Dort, wo Rehe viel Deckung sowie Äsung haben und außerdem abwechslungsreiche Strukturen vorfinden, genießen sie optimale Lebensbedingungen. Der Gesamtbestand ist dem Jäger so zu keiner Zeit des Jahres „sichtbar“.
Zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, dass das Reduzieren der Bestände zu verbesserten Lebensbedingungen der Rehe führt. In der Folge minimiert sich der innerartliche Stress, da die Territorien größer werden und die Äsungsbedingungen besser. Die Folge sind gesündere, körperlich stärkere Rehe. Diese Art der Selektion betrifft beide Geschlechter und alle Altersklassen. Darüber lässt sich zudem eine Steigerung der Trophäenqualität leichter erreichen als über die Selektion nach Trophäenmerkmalen.
Hier hat es auch nach der Zeitumstellung geklappt: Eine Ricke ist zusammen mit ihren beiden Kitzen erlegt worden (Foto: Jens Krüger)
Egal, ob sich Jäger nun für oder gegen den Abschuss von Bockkitzen entscheiden: Unter optimalen Bedingungen sollten immer die schwächsten des Bestandes entnommen werden. Gegner des Bockkitz-Abschusses sei allerdings gesagt, dass ihre Art der Selektion in diesem Fall nur halbherzig ist und daher auch nur halb so erfolgreich sein kann.
Nichtsdestotrotz ist es auch bei der halbherzigen Variante sinnvoll und angebracht, stets die schwächsten Stücke zu entnehmen. Wenn es sich um Kitze handelt, am besten zusammen mit dem dazugehörigen Zuwachsträger, namentlich der Ricke.
Mit Erfahrung gelingt die Ansprache nach körperlichen Merkmalen auch ohne Vergleich. Verbringt der Jäger viel Zeit im Revier, kennt er die Entwicklungs-Stadien seines Bestandes zu der jeweiligen Jahreszeit. Diese können jedoch von Jahr zu Jahr variieren, sodass immer die schwächsten des jeweiligen Jagdjahres entnommen werden sollten.
Wann jagen?
In den meisten Bundesländern gelten die folgenden Kern-Jagdzeiten für weibliches Rehwild: Schmalrehe im gesamten Mai, Ricken, Kitze sowie Schmalrehe vom 1. September bis Ende Dezember oder aber Januar.
Ausgehend vom Idealfall sollte das Gros der Strecke beim weiblichen Rehwild in den Monaten Mai und September erfolgen. Dafür gibt es nachvollziehbare Gründe: In keinem anderen Jagdmonat sind Schmalrehe so sicher anzusprechen, wie im Mai. Gerade die schwachen, die es zu entnehmen gilt, fallen dann besonders auf. Hier heißt es beherzt zugreifen. Viel eher als bei Böcken.
Ricken und Kitze hingegen sind in keinem anderen Monat einfacher zu bekommen als im September. Die Zeitumstellung ist noch weit entfernt, die Tage lang genug, um auch nach Dienstschluss noch „auszurücken“. Außerdem locken Stoppelfelder und Ackerrandstreifen allerhand Rehe ins Feld. Reine Waldjäger schauen da natürlich in die Röhre. Aber auch im Forst sind Rehe im September noch recht aktiv.
Auch das Argument, dass an den Kitzen noch nichts dran ist, kann entkräftet werden: Von September bis Dezember legen Kitze im Schnitt etwa 2 Kilogramm an Gewicht zu. Davon fällt einiges auf Feist und die Winterdecke. Insofern hat dieses Argument kaum Relevanz. Und sobald die Zeit umgestellt ist, wird die Jagd auf weibliche Rehe für Berufstätige eh zum Glücksspiel. Selektion ist nun kaum noch möglich.
Wer die Zeit hat, intensiv und selektiv zu jagen, wird schnell merken, wie sich die Qualität seines Bestandes verbessert! Doch ohne Zeit und das Abschuss-Gros auf der Ansitzjagd hat Selektion kaum eine Chance!