Eigener Friedhof, staatseigene Hunde und Aufhebung von Reviergrenzen: Nachsuchenarbeit mit dem Hannoverschen Schweißhund ist eine Königsdisziplin. Die DJZ begleitete einen der Fährtendetektive auf der Hauptprüfung im Soonwald.
Treffpunkt ist ein Parkplatz mitten im Hunsrück. Die Drückjagd ist in knapp 15 Minuten zu Ende. Hier soll Meldung gemacht werden, falls Nachsuchen anstehen. So lange gibt es noch Kaffee und Kuchen. Die Stimmung ist etwas angespannt. Alle wissen: Es gilt, in kürzester Zeit Anschüsse und Schwere der Verletzung einzuschätzen, um danach die Arbeiten für die Prüflinge zu verteilen.
Rätselhaft
Theoretisch ist alles ganz klar. Die Praxis sieht aber anders aus:
Fall 1: Im Nachbarrevier wurde eine Sau erlegt, die bereits einen Schuss hatte. Der Schütze des ersten Treffers ist aber nicht zu ermitteln.
Fall 2: Ein Kalb wurde beschossen, ist aber noch abgegangen. Später stellt sich heraus, dass es bereits von zwei Schützen vorher als laufkrank angesprochen wurde, sie aber nicht schießen konnten, da kein Kugelfang war. Ein Puzzlespiel der besonderen Art.
Fall 2: Ein Kalb wurde beschossen, ist aber noch abgegangen. Später stellt sich heraus, dass es bereits von zwei Schützen vorher als laufkrank angesprochen wurde, sie aber nicht schießen konnten, da kein Kugelfang war. Ein Puzzlespiel der besonderen Art.
Verschnaufpause für die Prüfungsgruppe. Nach 2 Kilometern Suche dringend notwendig |
Hauptprüfung
Die Schwierigkeit dieses Tages: Eine Nachsuche zu finden, die für eine Prüfungsbewertung ausreicht. Dafür muss mindestens 400 Meter gesucht werden. Kommt es danach zu einer Hetze, kann der Hund auch bezüglich Laut und Stellen des Wildes bewertet werden.
Die Nachsuche auf das Kalb (Fall 2) hat René Wiese (44) mit seinem Rüden Delf vom Ibengarten erfolgreich absolviert, allerdings nur 100 Meter. Gut für das Stück, schlecht für das Gespann. Zu kurz für eine Prüfungsbewertung. Seit 2009 steht Wiese auf Abruf für eine Hauptprüfungsarbeit bereit. Ein Prüferteam müsste allerdings auch anreisen. An der Erfüllung beider Punkte ist es bis heute gescheitert.
Wiese hat mittlerweile rund 300 Nachsuchen mit seinem Hund gemacht. 25 bis 35 erschwerte Schweißarbeiten sind nach seiner Ansicht notwendig, bevor man sich einer Hauptprüfung stellen kann. Deshalb hat er sich am 12. November zur Hauptprüfung des Verein Hirschmann im Soonwald angemeldet. Nein, eigentlich ist es anders gelaufen: Er sollte als Unterstützung für die Prüflinge antreten, falls Kontrollsuchen oder einfache Totsuchen anstehen. Aber dann wurde daraus seine eigene Prüfung.
Der Verein Hirschmann hat ausreichend Hunde mit Führern für dieses Wochenende zugesichert. Sucht ein Hund an, und der Führer ist überzeugt, dass es eine Prüfungsarbeit werden kann, wird getauscht. Der Prüfungskandidat übernimmt. Daher verwundert es auch nicht, dass insgesamt 11 Schweißhund-Gespanne an diesem Tag vor Ort sind. Der Verlauf der zwei zeitgleichen Drückjagden ist nicht kalkulierbar.
Lange Suche
Delf vom Ibengarten steht bereits im 6. Behang. Eigentlich bereits ein hohes Alter für eine Prüfung, aber der Hund muss Erfahrung haben, um den Prüfungsbedingungen gewachsen zu sein. Sinnvoller wäre es aus züchterischer Sicht, wenn die Hunde deutlich früher, etwa im dritten Behang, zur Prüfung kämen. Da aber die Hunde auf einer Nachsuche in der Praxis beurteilt werden müssen, ist dies schwer zu planen.
Beste Voraussetzungen für eine prüfungsrelevante Suche bietet ein hoher Laufschuss. Das kranke Wild flüchtet meist noch einige hundert Meter, bevor es ins Wundbett geht. Findet der Hund das Stück, ist meist noch eine Hetze mit Stellen und Verbellen notwendig. Bei solch einer Suche kann das gesamte Leistungsspektrum bewertet werden.
René Wiese hat mit Delf gestern schon gesucht. Eine Sau wurde auf einer Drückjagd beschossen. Nur der Gruppenführer war als Ansprechpartner greifbar. Er konnte nur die Wildart sagen mehr nicht. Der Schütze war schon verschwunden.
Bei der Vorsuche bog Delf nach rund 40 Metern auf einmal ab. Nach 50 Metern der erste Tropfen Schweiß. Auf den nächsten 500 Metern dann reichlich Schweiß. Aber nach knapp zwei Kilometern musste der Nachsuchenführer abbrechen, da es dunkel wurde. Kein Wundbett bis dahin. Der Treffersitz bleibt rätselhaft. Wahrscheinlich ein Streifschuss auf der Keule.
Nach abgebrochener Suche wartet der Hund auf die nächste Arbeit. Heute gilt es! |
Irrfahrt
Nach dem Regen in der Nacht ist mit Pirschzeichen nicht mehr zu rechnen. Trotzdem steht die Nachsuchen-Mannschaft schon früh am Morgen wieder an dem Punkt, wo sie gestern abgebrochen hat. Vorher war sie zehn Kilometer über Waldwege durch den Busch geirrt. Gestern war kein ortskundiger Helfer dabei. Heute dem Einheimischen zu erklären, wo diese Stelle ist, gestaltet sich schwierig.
Nach 1,5 Stunden ist die Prüfungsgruppe am Ziel und Rüde Delf wieder am Anfang einer schwierigen Suche. Wie gestern arbeitet er sehr ruhig und konzentriert die Krankfährte. Bestätigungen für seinen Führer gibt es kaum noch, nur hin und wieder ein Trittsiegel, das die Fachmänner als Krankfährte lesen. Der Laie erkennt dies ohne Erklärung kaum. Schweiß gibt es keinen mehr. Die Wunde hat sich wahrscheinlich bereits geschlossen.
Nachdem es steil den Berg herunter ging, macht ein Gatter mit guter Deckung Hoffnung. Hier könnte die Sau stecken. Auf einmal Bewegung. Die Prüfer haben Probleme, tief im nassen Boden einsinkend, Hund und Führer zu folgen. Dann Krachen und Rauschen. Delf bleibt mit der Nase unten auf der Krankfährte. Alttier und Kalb sind geflüchtet.
Nach 4,5 Kilometern Suche an zwei Tagen ist an dieser Stelle Schluss. Kein Wundbett auf der gesamten Strecke. Nur einmal hat das Stück vor einem Weg kurz verhofft. An diese Sau ist nicht zu kommen, da sind sich Führer und Prüfer einig.
Der Weg zum Auto ist weit. Es geht Berg hoch, Berg runter. Dank moderner GPS-Technik des Ortskundigen ist die gesamte Suche aufgezeichnet. Kein Umherirren wie am Vormittag. Zurück ins Suchenlokal, gibt es einen Eintopf als Stärkung. Nach dem nassen Busch und der Anstrengung genau das Richtige. Nur leider blieben diese Anstrengungen ohne Belohnung: Weder Stück noch Prüfungsauszeichnung.
Bestanden
Doch die Suche auf ein Rotkalb entpuppt sich schließlich als geeignete Prüfungsarbeit. Das Ende ist schon bekannt, denn es war das bereits gefundene Stück (Fall 2). Nur der Weg war länger, da der Hund 1,2 Kilometer entfernt an der Stelle des ersten Treffers angesetzt wurde. Die zweitägige Suche auf die Sau wird bei den Richtern natürlich ebenso berücksichtigt, wie eine darauffolgende Suche auf eine Sau über weitere 2 Tage.
Arbeit an 3 Stücken und 10 Kilometer Suche in 4 Tagen wurden bewertet: die bestandene Hauptprüfung für René Wiese mit seinem Rüden Delf.
Hinweis: Unter Kontakt finden Sie auf der Homepage des Verein Hirschmann (www.hannoverscherschweisshund.de) eine Liste und eine Karte mit Schweißhundeführern.
Armin Liese