Jagdpraxis Sicher ernten

Sicher ernten

Der Landwirt ist mit dem Drescher bereits zum Rapsschlag unterwegs. Schützen werden zusammengetrommelt und wahllos am Schlag verteilt. Das ist saugefährlich! Mehr Sicherheit und obendrein mehr Beute verspricht weiträumiges Abstellen, weiß ein Berufsjäger. – Wildmeister Werner Siebern

“Zwei Seelen wohnen, ach – in meiner Brust!“ Dieses Zitat von Goethe fällt mir spontan ein, wenn ich an die Erntejagd denke. Einerseits ist da dieses Gefühl, unweidmännisch zu handeln. Die Sauen können gar nicht anders, als früher oder später den Acker zu verlassen. Andererseits bietet sich eine Möglichkeit, Strecke zu machen. Landwirte sind oft sogar sauer, wenn die Jagdmöglichkeiten bei der Ernte nicht genutzt werden. Gleichwohl fällt es den meisten Bauern schwer, daran zu denken, den Revierinhaber rechtzeitig von der bevorstehenden Ernte zu informieren.Manche Jagdleiter schaffen es tatsächlich, am Erntetag eine stattliche Anzahl an Schützen zu aktivieren. Ungeachtet des Windes wird der gesamte Feldschlag abgestellt. Niemand denkt daran, dass diese Vorgehensweise für chaotische Verhältnisse innerhalb der Felddeckung sorgen kann.

Schütze
Foto: Michael Migos

 

Keiler sind früh dran

Falls ein Acker nicht abgestellt war, verlassen Bachen mit ihren Frischlingen schon bald das unruhige Feld. Geordneter Rückzug heißt das Zauberwort. Alte Keiler sind meist noch früher auf und davon. Ist jedoch der Acker von Schützen umstellt, geraten Bachen in Panik, flüchten hin und her, verlieren den Kontakt zu den Frischlingen. Erst in den letzten Reihen gerät das Schwarzwild durch die Erntemaschinen dermaßen unter Druck, dass es hochflüchtig die Schützenlinie durchbricht.

Nach Paragraf 20 Bundesjagdgesetz ist es verboten, an Orten zu jagen, an denen das Leben von Menschen gefährdet wird. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass dabei die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind. Bei der Erntejagd geschehen leider immer wieder mal tödliche Unfälle. Ein solches Risiko darf nicht eingegangen werden.
Bei der Ernte sind viele Personen mit Mähdreschern, Häckslern und Transportgespannen beteiligt. Es kommen überraschend Service- und Reparaturwagen aufs Feld. Ständig ändert sich das Bild. Dann quellen noch Leute aus dem Dorf mit Schubkarren und Handwagen dazu, die für ihre Haustiere Maiskolben auflesen. Das ist ganz besonders problematisch. Richtig gefährlich wird es, wenn das betreffende Feld an der Reviergrenze liegt, und auch noch die Jäger des Nachbarreviers zur Erntejagd anrücken, ohne dass eine Absprache stattfand.

Weil das Bild sich ständig auf dem Acker ändert, verändern auch manche Schützen ständig ihre Position. Das sind Unwägbarkeiten seitens der Jagdteilnehmer, die ein Jagdleiter bei der Organisation einer Drückjagd niemals in Kauf nehmen würde. Ein solches Verhalten ist schlicht undiszipliniert und nicht zu akzeptieren! Wenn der Jagdleiter bei einer Drückjagd den Gästen erlauben würde, ihre Stände zu verändern, je nach Verlauf der Jagd, dann hätte er nach einem Jagdunfall später vor Gericht ein ernsthaftes Problem!

Nicht nur Sauen lieben Raps- und Maisschläge. Zahlreiche Wildarten sind in den Feldern zu finden. Foto: Beate Siebern

 

Grunz und peng

Abgesehen von den Unwägbarkeiten bei der Erntejagd kommt bei einigen Schützen noch die überschäumende Passion und Aufgeregtheit hinzu. Fast immer laufen Unfälle nach folgendem Schema ab: Der Schütze hört in einem Maisstreifen Schwarzwild grunzen. Auf der anderen Seite des Streifens hört ebenfalls ein Jäger die Lautäußerungen der Sauen. Dieser pirscht durch die Reihen und versucht, ob er nicht innerhalb einer Maisreihe einen Schwarzkittel erlegen kann. Der andere Jäger nimmt den Pirschenden nur als dunklen Schatten wahr. Das Grunzen der Sauen hört er noch, oder er hat es wenigstens im Hinterkopf. Nun glaubt er die Silhouette eines Schwarzkittels zu erkennen – schießt und trifft.
Jeder kann sich ausrechnen, welch verheerende Wirkung ein Teilmantelgeschoss hat. Ansprechen ist das oberste Gebot.

Grunzen und dunkler Schatten reichen nicht!
Wenn man bedenkt, dass die Sicherheitsanforderungen für „normale“ Gesellschaftsjagden bei vielen Erntejagden noch nicht einmal andeutungsweise erfüllt werden, dann stellt sich zu Recht die Frage, ob sich nicht etwas ändern sollte. Der Jagdleiter sollte nicht zu viele Gäste an der Erntejagd beteiligen, sondern sich nach den tatsächlichen Bedürfnissen richten. In manchen Fällen mag es ausreichend sein, den Landwirten gegenüber Präsenz zu zeigen. Wurde ein Raps- oder Maisfeld ringsherum abgestellt, bemerkt das Wild, und ganz besonders das Schwarzwild, dies schon recht bald, ohne auch nur einmal den Wurf aus der Frucht zu halten.

Trauriger Anblick: Die Bache wurde vom Häcksler zermalmt. Vermutlich drückte sie sich lange, weil sie die Jäger mitbekommen hatte. Foto: Beate Siebern

Direkt nach Erntebeginn kommen die Sauen auf die Läufe und prüfen den Wind. So haben sie schnell die Gefahr erkannt, die draußen lauert. Sie ziehen die Begegnung mit dem Mähdrescher der Konfrontation mit den abgestellten Schützen vor.

 

Keine kopflose Flucht

Die Bache verlässt den Mais. Werden noch Frischlinge folgen? Foto: Heino Petersen

Die Jäger sind dann enttäuscht, wenn die Ernte bis in die Nacht hinein andauert, und die Sauen erst im Schutz der Dunkelheit die Schläge verlassen. Die Lösung ist weiträumiges Abstellen. Wenn es irgendwie geht, flüchten sie gegen den Wind. Aber spätestens nach den ersten Fluchten besinnen sie sich und wollen eine bestimmte Deckung annehmen. Entweder im Wald oder in einem anderen Feld. Es ist deshalb wichtig, dass der aufmerksame Nimrod sich in den vergangenen Jahren die Hauptwechsel in Wald und Feld eingeprägt hat. Diese Wechsel werden besetzt.

Entscheidend ist, dass die Stände bereits vor Erntebeginn bezogen werden. Denn es kann durchaus sein, dass die Schwarzkittel bereits früh den Schlag verlassen. Da ein genauer Zeitpunkt für das Ende des Ansitzes nicht angegeben werden kann, sollte jeder Schütze per Handy erreichbar sein.
An diesen Wechseln, die auch über 1 Kilometer vom Erntegebiet entfernt sein können, warten die Schützen aufmerksam. Die Sauen kommen dort relativ vertraut, sozusagen im leichten Trab. Aber auch Füchse nehmen solche Wechsel gern an.

Es sollte nur ein Jäger, am besten der Jagdleiter, die Erntevorgänge von einem Hochsitz aus beobachten. Falls die Wechsel nicht bekannt sind, sollte sich der Jagdleiter in eine erfahrene Leitbache hineinversetzen. Wo ist geeignete Deckung? Aber nicht zu nah, denn Schwarzwild will erst einmal weit weg von der Gefahrenstelle – andererseits aber noch im Revier. Am Rand dieser Deckung postiert er dann die Schützen, natürlich so, dass sie sich gegenseitig nicht gefährden können.

Alternativ kann das Abstellen des Feldes auch so erfolgen, dass die dem Wind zugewandte Seite auf jeden Fall frei bleibt. Das gibt dem Wild die Chance, den Schlag frühzeitig zu verlassen. In diese Richtung werden nur die Fernwechsel abgestellt. Die Flanken und die dem Wind abgewandte Seite sollte der Jagdleiter schon vor Beginn der Ernte mit Ansitzböcken bestücken. Schützen, die hier warten, dürfen den Stand auf keinen Fall verlassen.

Die Methode, von den Ladepritschen stehender Jagdautos Sauen zu schießen, verbreitet sich mehr und mehr. Allerdings sollten diese mobilen

Bei der Nachsuche im Raps müssen Profis ran. Foto: Michael Stadtfeld

Ansitzmöglichkeiten nur genutzt werden, wenn nur 2 oder 3 Schützen zur Verfügung stehen. Ansonsten wird es durch das Umstellen der Sitze zu gefährlich.
Häufig werden Erntearbeiten vorzeitig abgebrochen. Das kann verschiedene Ursachen haben: Entweder ist die Erntemaschine defekt, das Wetter spielt nicht mehr mit, der Lohnunternehmer möchte bei einem anderen Landwirt weitermachen … In solch einem Fall haben es die Jagdteilnehmer mit einem angeerntetem
Raps- oder Maisfeld, womöglich noch mit Schneisen, zu tun. Nun können einige Schützen unter gutem Wind an dem Feld und sogar im Feld ansitzen. Es besteht jedoch absolutes Pirschverbot. Niemand darf seinen Stand verlassen. Das Ende des Ansitzes wird zeitlich genau festgelegt. Die Schützen, die nicht am Feld benötigt werden, können auf den aussichtsreichsten Fernwechseln bleiben.

Nachdem Ruhe eingekehrt ist, kommen die Schwarzkittel fast immer auf die Läufe, bevor es dunkel wird. Neugierig begutachten sie die Schneisen und wechseln über die kahlen Streifen. Aber Vorsicht: Wenn schon früh einzelne Sauen auf den Stoppeln ziellos umherstreifen, sind das oft Bachen, die nach ihren Frischlingen suchen. Häufig wechseln sie in die Deckung benachbarter Felder und kommen bald wieder heraus. Durch die Erntearbeiten wurden die Frischlinge von ihnen getrennt.

Dieses Verhalten zeigen die Bachen nur bei kleinen Frischlingen. Ältere Frischlinge sind nämlich durchaus in der Lage, den Anschluss zur Rotte selbst wiederzufinden. Besonders bei der Erntejagd muss sorgfältig angesprochen werden, denn es kann zu ganz anders gearteten Situationen kommen, als sie sonst bei der Jagd üblich sind. Deshalb sollten nach der Ernte nur die 20 bis 30 Kilo schweren Frischlinge bejagt werden!

Ich saß am Abend auf dem Sitzstock an einer Maisschneise, nachdem die Erntemaschinen abgerückt waren. Auf weite Entfernung hatte ich bereits beobachtet, dass mehrere Bachen mit braunen Frischlingen im Feld waren. 2 der Braunen hatte ich bereits zur Strecke gebracht. Da wechselte im letzten Licht eine Bache auf die Schneise und kam am Rand direkt auf mich zu. Als sie auf wenige Meter heran war, stand ich auf und zischte sie laut an. Sie stoppte und flüchtete über die Schneise.

2 Minuten später kam an derselben Stelle ein weiteres, noch stärkeres Stück heraus und wechselte ebenfalls auf mich zu. Da ich nur an den Frischlingen interessiert war, wiederholte ich die Aktion. Ich stand auf und zischte das Stück an. Es war ein Keiler. Er verhoffte und fing an zu blasen, kam noch ein paar Meter näher und wieder unwilliges Blasen. Ich habe nicht mehr abgewartet, ob er mich nun annehmen wollte oder nicht, sondern erlegte ihn auf 5 Meter Entfernung mit einem Schuss zwischen die Teller. Dieses Erlebnis soll nur zeigen, dass die Jagd im Maisfeld auch nicht völlig ungefährlich ist. Innerhalb des Einstandes haben Schwarzkittel sozusagen Hausrecht, und Keiler oder Leitbachen können davon auch schon mal Gebrauch machen.

 

„Ernten“ am Morgen nach der Ernte

Auch wenn kein Schwarzwild am Erntetag im Schlag war, gibt es am Morgen nach der Ernte gute Chancen, noch zur Beute zu kommen. Bestimmte Rotten oder auch
Keiler sind es gewohnt, dann und wann den Schlag als Deckung anzunehmen. Nun wollen sie am Morgen einwechseln, aber die Deckung ist verschwunden.
So suchen sie das ganze Feld nach der verschwundenen Deckung ab. Sie sind unschlüssig, verhoffen hier, verhoffen dort. Oft beginnen sie aus Verlegenheit zwischen den Stoppeln zu brechen.

Je nach Größe des Feldes sollte diese Chance allein oder zu zweit genutzt werden. Viele Jäger stören sich unfreiwillig gegenseitig. Jeder einzelne mag ja guten Wind haben, aber mehrere zu- sammen legen eine menschliche Duftglocke über den Acker.
In Niederwildrevieren wird natürlich gern dem Fuchs bei der Erntejagd nachgestellt. Da der Ansitz in einiger Entfernung vom Feld, das gerade geerntet wird, weniger Erfolg verspricht – ein Fuchs findet überall schnell Deckung – stellt der Jagdleiter einige Schützen in der Nähe des Schlages ab.
Aber auch beim Schuss mit der Flinte gilt: Die Schützen müssen erhöht, also wenigstens auf Ansitzböcken postiert sein. Sie dürfen ihren Stand auf keinen Fall verlassen! Meist schaffen es die Füchse doch noch, ihren Balg zu retten.

Nicht nur auf Sauen: Vor allem Jungfpchse sind häufig in Raps- Maisschlägen zu finden. Foto: Claas Nowak

Es werden manchmal auch Kaninchen bei der Ernte geschossen. Die sonst standorttreuen Nager halten sich oft in großen Maisschlägen auf. Allerdings suchen
sie gern in den Stoppeln und im Stroh der abgeernteten Frucht nach Unterschlupf und flüchten nicht unbedingt zu ihren Bauten. Die Suche auf den Stoppeln mit einem Vorstehhund, nach der Erntearbeit, bringt oft beste Erfolge.
Bei Drückjagden ist es manchmal schwierig, das erlegte Wild vernünftig, sauber und ordentlich zu versorgen. Drückjagden sind meist am Mittag vorbei, so dass am Nachmittag nachgesucht werden kann. Während der Ernte gibt es zusätzliche Schwierigkeiten.
Auf hochflüchtiges Schwarzwild zu schießen ist nicht einfach. Nachsuchen sind deshalb keine Seltenheit. Da die Erntearbeit oft bis in die Nacht andauert, ist eine Nachsuche meistens nicht möglich. Das wertvolle Wildbret verludert! Ein Grund mehr, die Erntejagd auf fernen Wechseln zu betreiben.

 

Fazit

Wird die Erntejagd als Gesellschaftsjagd durchgeführt, muss es einen Jagdleiter geben. Der Ansitz am und im Erntefeld ist tabu, es sei denn als Einzeljagd. Der Jagdleiter legt schon vor der Ernte die Stände an Fernwechseln fest und richtet sie am besten mit Ansitzböcken ein. Auch wenn Schützen auf Ansitzböcken am Rande des Feldes sitzen, die dem Wind zugewandte Seite wird nicht abgestellt! Moderne Zeiten erfordern moderne Mittel. Deshalb ist der Jagdleiter mit allen Schützen per Handy in Verbindung. Das Schwarzwild hat bei dieser Jagdmethode sicher eine reelle Chance, wackere Nimrode aber auch! 2 oder 3 Sauen, die sauber am Fernwechsel oder vor ferner Deckung erlegt wurden, bereiten jagdlich große Freude.

Dem Jagdleiter muss die Erntejagd keine Bauchschmerzen und schlaflose Nächte bereiten. Eine gut durchdachte Erntejagd, die dem Wild frühes Auswechseln ermöglicht, kann durchaus weidgerecht sein und muss nicht im Widerspruch zu den jagdlichen Werten stehen.

Dieser Frischling wollte in einen Maisschlag wechseln. Der Schüttze nutzte die Chance. Foto: Jens Krüger

 

 

Erntezeit – Saujagd am Raps

 

 

Mehr Jagdvideos sie auf PareyGo!

Die mobile Version verlassen