Kunstschützen prahlen gern mit Schüssen auf Träger oder Kopf. Sie meinen, solche Stücke seien besonders gut zu verwerten. Das ist ein Irrtum.
Von Frank Rakow
Drei tödliche Trefferzonen sind möglich, aber nur eine ist wirklich sinnvoll, damit das Wildbret gut zu verwerten ist. (Foto: Roman Fritsch) |
Kammerjäger gefragt
Berufsschullehrer für Ernährung, Fleischermeister und Jäger: Uwe Klautke. (Foto: Roman Fritsch) |
„Das Wichtigste für eine hohe Fleischqualität ist das saubere Ausbluten“, betont er. Bei einem typischen Kammertreffer laufen nach dem Schuss Herz und Gehirn für eine kurze Zeit auf Höchststufe weiter. Dadurch entleert sich das ganze Blut in den Wildkörper. „So brutal es klingt: Ideal ist eine kurze Todesflucht mit anschließendem Schlegeln, weil es wie eine Pumpe das Blut aus den Adern befördert.“ Ist es deshalb auch wichtig, die Brandadern aufzuschärfen, will ich wissen. Für so entscheidend hält Klautke das nicht. Seine Empfehlung lautet: Der Jäger sollte immer nach dem Grundsatz verfahren, „Jeder Tropfen Blut, der rausläuft, ist gut.“ Was ist denn so gefährlich am Blut? Das Wildbret verdirbt durch die darin enthaltenen Mikroorganismen (Fäulniserreger), erklärt der Fleischermeister. Bleibt zu viel in den Adern, sieht von außen häufig noch alles gut aus, aber am Knochen fängt es schnell an zu müffeln. Das schnelle Herunterkühlen ist für ihn das A und O. „Wer es bei 2º länger ruhen lässt, hat nachher mehr Aromastoffe, denn erst die richtige Fleischreife bringt den Geschmack.“ Seine Empfehlung: Sauber geschossenes Wildbret erst 36 bis 48 Stunden nach der Totenstarre zu zerwirken, und es dann noch bis zu einer Woche bei konstant 2º vakuumiert liegen zu lassen, bevor es eingefroren wird.
Träger oder Kopf tabu
Es gibt eine Alternative: Gut ausdampfen lassen (nicht unter 14º), vor Einsetzen der Totenstarre in große Stücke zerwirken und dann Vakuum ziehen. „Damit wird den Keimen die Lebensgrundlage entzogen.“ Häufig ist Wildbret als Braten zäh und trocken. Auch dazu hat der 36-Jährige eine Antwort: „Meistens wurde das Stück vor oder in der Totenstarre eingefroren. Beim Auftauen setzt die Totenstarre ein, die Muskeln ziehen sich zusammen, das Eiweiß kann den Fleischsaft nicht binden, und schon ist alles furztrocken.“ Tritt auch bei zu schnellem Runterkühlen ein (cold shortening effect). Zurück zum Küchenschuss: Kopf oder Träger sind nach Ansicht von Klautke die schlechtesten Zielpunkte für eine qualitativ hochwertige Wildbretgewinnung. „Damit fällt auch Wurstproduktion oder Verwertung als Schinken flach. Also genau das Gegenteil von dem, was die Schützen erreichen wollen.“ Es sei denn, fügt er hinzu, die Schützen würden blitzschnell einen Kehlschnitt setzen, der das Stück wie beim Schächten langsam ausbluten lässt. Aber Jagd findet nun mal nicht auf dem Schlachthof, sondern im Revier statt. Die beiden Löcher im Kammerbereich, selbst wenn sie etwas größer sein sollten, stören ihn überhaupt nicht. Einen Bereich haben wir ganz ausgelassen: die Ästhetik. Wem hat es nicht schon mal leicht gewürgt, wenn er Stücke gesehen hat, deren Haupt/Kopf von der Kugel vollkommen entstellt wurde. Damit nimmt man dem Stück die letzte Würde. Und wenn auch ansonsten kein Vorteil von diesem Treffersitz zu erwarten ist, spricht alles dafür, den Zielpunkt dorthin zu setzen, wo er aus jeglicher Sicht sinnvollerweise hingehört: auf die Kammer.