WAFFEN & PATRONEN Patronen Schwarz und bleifrei

Schwarz und bleifrei


Norbert Klups testete das HDB (Homogenous Deformation Bullet) der Firma Reichenberg auf dem Schießstand und im Revier – erfüllt dieses bleifreie Jagd-Geschoss einen ballistischen Wunschtraum?

Von Norbert Klups

„Die HDB-Familie“ besteht aus vier Geschossen. Drei sollen mehr oder weniger stark deformieren, eins ist ein Solid.

Bleifreie Geschosse gibt es schon, und das erste deutsche ist es auch nicht. Schließlich war das SFS (Schrägflächenscharfrand) und die Version ohne Scharfrand (SF) schon lange vorher da, auch wenn MEN die Produktion mittlerweile eingestellt hat – zum Bedauern vieler Jäger.

Eigenschaften

Trotzdem ist das HDB eine bemerkenswerte Konstruktion, wenn sie die Erwartungen erfüllt, die vom Hersteller als Ziel gesetzt wurden. Liest man die Angaben des Herstellers Michael Reichenberg, so erscheint das, was da steht, zunächst mal als die Erfüllung eines ballistischen Wunschtraumes:

  • Hohe Eigenpräzision aller Geschosstypen bei gleicher Trefferlage mit einer Laborierung im gleichen Kaliber und Geschossgewicht.
  • Optimale, moderne und absolut zuverlässige Geschosskonstruktion, um höchsten zielballistischen Ansprüchen gerecht zu werden, egal, ob starkes oder schwaches Wild bejagt wird.
  • Optimale innenballistische Eigenschaften.
  • Optimale außenballistische Eigenschaften.
  • Verlängerung der Lebensdauer der Waffe und Verlängerung der Reinigungsintervalle.
  • Optimale Eigenschaften beim Verladen, sodass auch ungeübte Wiederlader gute Ergebnisse erzielen.

    Klingt doch toll. Zusammengefasst heißt das ungefähr, dass ein HDB-Geschoss starkes und schwaches Wild gleichermaßen gut zur Strecke bringt, sehr präzise ist, beste Flugbahn-Werte aufweist, die Waffe kaum belastet, und reinigen muss man auch nur sehr selten. Außerdem kann jeder Anfänger damit brauchbare Munition laden. Hand aufs Herz, genau das, was wir alle schon immer gesucht haben.

    Das war die Theorie, kommen wir jetzt zur Praxis. Zunächst einmal handelt es sich nicht um ein Geschoss, sondern um eine ganze Familie. Neben dem HDB-Universal gibt es noch ein HDB-Magnum, ein HDB-2F-TZ und ein HDB-Solid. Das Universal ist für die Standard-Kaliber, das Magnum für die schnellen Magnum-Patronen, das 2F-TZ für die Drückjagd und das Solid als nicht zerlegendes Vollgeschoss zur Bejagung von Dickhäutern wie Elefant und Büffel.

    Aufbau der Geschosse

    Das Geschoss besteht aus reinem Kupfer, das mittels Elektrolyse gewonnen und aus Stangenmaterial gedreht wird. Zusätzlich werden die fertigen Geschosse noch thermisch vergütet, um Material-Spannungen, die bei der Fertigung anfallen können, auszuschließen.

    Das HDB hat eine Kegelspitze, ein Kegelstumpfheck und einen sehr langen Führungsteil. Der Führungsteil ist unterkalibrig und mit mehreren, schmalen Führungsbändern ausgestattet, die für die Drall-Aufnahme und die Gas-Abdichtung sorgen. Durch die Führungsbänder soll die Laufbelastung des massiven Geschosses verringert werden.

    Relativ weit hinten ist ein schmaler Scharfrand angebracht, der nur ein Zehntel Millimeter hoch ist.

    Die Setztiefe wird durch die vorderste Entlastungsnut vorgegeben. Das Geschoss ragt dabei so weit aus der Hülse heraus, dass es bei den meisten Kalibern keinen Freiflug mehr hat, aber gleichzeitig ein möglichst langer, rotationsloser Geschossweg erreicht wird.

    Durch die geringe Setztiefe soll ein möglichst großer Pulverraum erzielt werden. Das Geschoss ist mit einem schwarzen Gleitlack beschichtet, der eingebrannt wird und sehr abriebfest am Geschoss haftet. Die Beschichtung soll die Lauf-Ablagerungen des Kupfergeschosses verringern und für eine gleichmäßigere Geschoss-Geschwindigkeit sorgen.

    Das Geschoss ist von vorn mit einer axialen Bohrung versehen, die etwa bis zur Mitte des Geschosskörpers reicht. Beim Standardgeschoss ist dieser Expansionsraum mit innenliegenden Einkerbungen versehen, um die Deformation zu beschleunigen.

    Bei der Magnum-Version wird auf die Einkerbungen verzichtet, um eine größere Tiefenwirkung zu erzielen. Die Bohrung wird mit einer ballistischen Haube aus Aluminium verschlossen. Das Solid hat natürlich keine Bohrung und Haube, sondern ist völlig massiv.

    Beim Auftreffen auf das Ziel soll bei den Deformationsgeschossen die Aluminiumhaube, die in die Bohrung hineinragt, als zusätzlicher Deformationsstarter wirken. Auch bei schwachem Wild soll das Geschoss sofort ansprechen. Je nach Ziel-Widerstand und Auftreffgeschwindigkeit soll sich der vordere Geschossteil in drei Fahnen aufrollen. Dieser Vorgang endet, wenn das Ende der Bohrung etwa in der Mitte des Geschosses erreicht ist.

    Das HDB hat dann etwa den zweieinhalbfachen Kaliberdurchmesser. Da kein Blei vorhanden ist und der Mantel nicht splittert, geht so gut wie keine Masse verloren. Das Rest-Gewicht ist damit sehr hoch. Für schnelle Magnumpatronen steht die Ausführung ohne Einkerbungen zur Verfügung, die sich im Ziel auch bei hoher Zielgeschwindigkeit nicht zu schnell aufpilzen soll. Damit soll auch verhindert werden, dass die Fahnen abreißen. Beim 2F-TZ soll durch die extra tiefen Einkerbungen das Gegenteil erreicht werden, das Geschoss muss möglichst schnell deformieren und sich im Vorderteil zerlegen.

    Alles auf einen Punkt?

    Reichenberg verspricht, dass alle Geschosse in einem Gewicht und einem Kaliber die gleiche Treffpunktlage haben. Das wurde zuerst überprüft. Geladen wurden Patronen im Kaliber .308 Winchester mit 168 Grains (10,9 Gramm) schweren HDB-Geschossen. Es standen alle vier HDB-Ausführungen zur Verfügung.

    Zunächst wurde die Büchse mit dem Universal HDB eingeschossen und die Präzision ermittelt, wobei mehrere Versuche unternommen wurden, um die optimale Laborierung zu finden. Der Streukreisdurchmesser mit der besten Laborierung auf 100 Meter betrug bei fünf Schüssen 32 Millimeter. Das entspricht der üblichen Leistung dieser Büchse, die mit dem RWS-Doppelkerngeschoss eingeschossen ist. Von der Präzision her ist das HDB damit nicht schlechter, aber auch nicht besser als andere Jagdgeschosse. Mit den wirklichen Präzisionsgeschossen, etwa dem Nosler Ballistic Tip kann es aber nicht mithalten.

    Dann wurden die beiden anderen zur Verfügung stehenden Geschosse mit identischen Ladungen verschossen, um zu sehen, ob sie die gleiche Treffpunktlage haben. Das Magnum HDB schoss auf den gleichen Punkt, das 2F-TZ auch, hatte aber mit 48 Millimeter, bei drei Schuss eine wesentlich schlechtere Präzision, das Solid schoss zwar präzise, aber fünf Zentimeter tiefer. Das verwundert nicht sehr, denn bei gleichem Gewicht hat das Solid ja keine Bohrung in der Längsachse wie die beiden anderen Geschosse, die sich nur durch die Tiefe der Vorspaltung des Geschosskopfes unterscheiden.

    Durch die fehlende Bohrung ändert sich natürlich die Schwerpunktlage des Geschosses, das bei gleichem Gewicht ja auch noch etwas kürzer ausfällt. Ein genaues Zusammenschießen wäre hier ein kleines Wunder – oder aber purer Zufall gewesen. Trotzdem lässt sich mit fünf Zentimeter Treffpunktlagedifferenz jagdlich ganz gut leben. Bleibt das bei einem Großwildkaliber auch so, macht das in der Praxis kaum etwas aus.

    Warum das 2F-TZ schlechter schoss als die anderen Ausführungen, lässt sich nicht sagen, vermutlich hat das fertigungstechnische Gründe. Beim Nachwiegen der Geschosse fiel auf, das bei dieser Packung stärkere Gewichtsunterschiede zwischen den einzelnen Geschossen zu verzeichnen waren, die bis zu sechs Grains reichten.

    Gelatine-Beschüsse

    Das HDB-Universal zeigte eine sehr hohe Tiefenwirkung und eine frühe Deformation. Schon kurz nach dem Eindringen öffnet sich das Geschoss sehr schnell auf den eineinhalb- bis zweifachen Kaliberdurchmesser und bildet drei Geschossfahnen.

    Die Restgewichte der nach dem Gelatinedurchschuss weich aufgefangenen Geschosse lagen durchweg bei 98 Prozent. Vom seinem Deformationsverhalten her ist das HDB damit in etwa mit dem Barnes X-Bullet vergleichbar.

    Lauf-Verschmierungen

    Die Geschossablagerungen im Lauf sind deutlich geringer als bei unbeschichteten Vollkupfergeschossen und entsprechen den Ablagerungen von herkömmlichen Tombakgeschossen. Insoweit erfüllt die Beschichtung also ihren Zweck. Sie ist nicht besser oder schlechter als andere Beschichtungen, etwa von Barnes oder Winchester.

    Die Beschichtung wird vom Hersteller als „eingebrannter Gleitlack“ bezeichnet. Inwieweit die Beschichtung durch den reduzierten Reibungswiderstand die Lebensdauer des Laufes erhöht, der Hersteller verspricht eine bis zu sechsmal höhere Lebensdauer, könnte aber nur in einem aufwändigen Langzeittest geklärt werden.

    Das HDB in der Praxis

    Jagdlich eingesetzt wurde das HDB-Universal im Geschossgewicht 168 Grains in einer Repetierbüchse Kaliber .308 Winchester. Erlegt wurden sechs Rehe und ein Überläufer von 42 Kilogramm, sicher keine Zahlen, die statistische Aussagen zulassen, aber ein Trend ist erkennbar.

    Die Rehe lagen mit Schüssen knapp hinter dem Blatt am Anschuss und der Überläufer ging noch etwa 15 Meter. Die Schuss-Entfernungen lagen zwischen 80 und 120 Meter. Die Stücke wiesen kreisrunde, durch den Scharfrand gestanzte Einschüsse und Ausschüsse zwischen 25 und 49 Millimeter auf.

    Beim Aufbrechen fiel auf, dass die Energie-Abgabe, wie auch beim Gelatinebeschuss, sehr früh beginnt und die Organzerstörungen recht massiv ausfallen. Bei vier Rehen waren keine Hämatome festzustellen, bei zwei Stücken waren geringfügige Hämatome vorhanden.

    Beim Überläufer durchschlug das Geschoss die Blattschaufel der Einschuss-Seite und trat auf der Gegenseite kurz hinter dem Blatt wieder aus. Der Ausschuss maß 40 Millimeter und der Schusskanal verlief sehr richtungsstabil durch den Wildkörper, wobei auch hier eine hohe Energieabgabe in der Kammer festzustellen war. Diese Beobachtungen bestätigen etwa die Praxis-Erfahrungen des Herstellers.

    Resümee

    Die jagdpraktischen Beobachtungen beschränken sich auf das HDB-Universal, die drei anderen Geschosse wurden zielballistisch nicht näher untersucht. Aufgrund der verringerten oder vergrößerten Vorspaltung des Geschosskopfes ist aber davon auszugehen, dass die vom Hersteller erwartete Wirkung eintritt. Das massivere Magnum wird bei hohen Zielgeschwindigkeiten nicht so schnell deformieren und das stark vorgespaltete 2F-TZ sich stärker aufpilzen und sogar zerlegen, wobei dann mit größeren Ausschüssen und stärkerer Wildbret-Entwertung zu rechnen ist.

    Verglichen mit dem etablierten Barnes-X spricht das HDB früher an und hat eine höhere Energie-Abgabe. Das mag hauptsächlich an der Aluminiumspitze liegen, die als „Vorstarter“ wirkt, aber auch an der Material-Zusammensetzung. Die Präzision ist jagdlich ausreichend und die Außenform des Geschosses ballistisch sehr günstig, sodass sich der Geschwindigkeitsabfall bei weiten Schüssen in Grenzen hält.

    Die Gewichtsschwankungen sollten noch reduziert werden. Das sollte bei etwas sorgfältigerer Fertigung wohl möglich sein. Das Zusammenschießen aller vier HDB-Geschosse funktionierte im Test nicht ganz, was aber besonders bei einem .30er Geschoss nicht tragisch ist. Interessanter ist das bei echten Großwild-Kalibern. Das wäre zu gegebener Zeit noch zu überprüfen.

    Zusammenfassend kann man sagen, dass Reichenberg hier so etwas wie ein „Deutsches Barnes-X mit vorverlegter Deformation“ geschaffen hat. In den Genuss des neuen Geschosses kommen aber zunächst nur Wiederlader, da noch kein Munitionshersteller das HDB verlädt. (Stand Oktober 2002)

    Die Geschosse kosten pro Stück je nach Kaliber zwischen 0,92 und 1,12 Euro und sind bei der Firma Reichenberg, Jagd+Sportgeschosse, Stuttgarter Str. 1, 75382 Althengstett, Tel. und Fax: 07051-70396 erhältlich.

    Die Kaliber-Palette umfasst folgende Kaliber: .270, .284, .30, .323, .338, .358, .365 und .375, wird aber weiter ausgebaut. Zurzeit läuft die Entwicklung der .223er Geschosse (Stand Oktober 2002). Genaue Infos und Preise sind auch auf der Internetseite www.reichenberg-bullets.com abrufbar.Foto: Norbert Klups

    F
  • A
    Das 2F-TZ ist so stark vorgekerbt, dass es sich im Vorderteil zerlegt Es ist für Drückjagden gedacht.
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