DJZ 9/2013
Frauen haben es in der Männerdomäne Jagd nicht leicht. Viele weibliche Eigenarten stoßen so manchem Vertreter der grünen Bruderschaft gehörig auf. Vorurteile und Klischees vom Feinsten.
Von Hans Jörg Nagel
Drückjagd in einem nordhessischen Revier. Bis zur Begrüßung ist noch etwas Zeit. Die Jägerschaft ist nahezu vollzählig. Sie steht in Grüppchen zusammen, es wird viel geredet. Ein Jagdfreund haut mir seinen Ellenbogen in die Rippen und deutet mit dem Kopf nach links. Die Spaßbremse mit dem Schminkspiegel ist auch wieder da. Aufgebrezelt wie für eine Cocktailparty. Aber dann einen Hut mit Fasanenfeder über den blonden Löckchen, knallrote Fingernägel wie Krummsäbel und mit dem 30.000 Euro-Drilling prahlen. Weiber!
Solche und ähnliche Sprüche gibt es unter Jägern noch immer. Frauen haben es in Reihen der grünen Bruderschaft nicht leicht nicht einmal 2013.
Auch biologisch-darwinistische Aussagen, wie Frauen sollen Leben schenken, nicht nehmen oder Frauen gehören ans Kochfeuer in die Höhle, nicht mit Speer und Bogen ins Revier spalten die Jäger in 2 Lager. Aber: Gelten diese Macho-Thesen heute noch? Seien Sie tapfer, und entscheiden Sie selbst.
Eine kleine Auswahl an Vorurteilen und (Pseudo-)Begründungen, mit denen sich jagende Frauen konfrontiert sehen.
Spaßbremsen mit Schminkspiegel
- Jägerinnen schießen kein Jungwild: Muttergefühle und Kindchenschema stehen dem entgegen.
- Jägerinnen sind zögerlich und machen deshalb wenig Strecke: Unsicherheit hemmt (Passt das Stück auch wirklich? Warte ich besser noch etwas? Kommt der Überläufer nicht doch zu schnell? …).
- Jägerinnen sind (langweilig) romantisch: Jagende Frauen berichten ausführlich über den einmaligen Sonnenuntergang, die farbenfrohe Wildwiese oder die Geiß mit den 2 süßen Kitzchen. Erlegung Nebensache.
- Jägerinnen kommen über den Ehemann/Freund zur Jagd: Der Wunsch nach gemeinsamer Freizeitgestaltung mit dem Partner treibt Frauen in die Kurse. Eigene Passion ist eher selten. Sie sind Mitläufer.
- Jägerinnen sind hilflos: Weil schwach, benötigen jagende Frauen Hilfe nach dem Schuss. Nachsuchen, Bergen des Wildes und Versorgen geht über ihre Kräfte.
- Jägerinnen legen keinen Wert auf Brauchtum: Das Ziehen des Hutes beim Halali, Zuprosten mit der richtigen Hand oder die Hutseite beim Aufstecken des Erlegerbruchs sind für Frauen uninteressant.
- Jägerinnen fürchten sich nachts im dunklen Wald: Strikte Vermeidung von unbegleiteten Nachtansitzen.
- Jägerinnen haben kein technisches Verständnis: Ballistische Daten, moderne Schlosskonstruktionen oder aktuelle Geländewagen sind für jagende Frauen ein Buch mit 7 Siegeln.
- Jägerinnen frieren immer: Trotz moderner Winter-Kleidung vermeiden sie kalte Ansitze.
- Jägerinnen nehmen Einfluss auf die Kommunikation von Jagdgesellschaften: Derbe Witze bleiben aus, Männer werden steifer. Balzverhalten wird gefördert.
- Jägerinnen zicken gegen Jägerinnen: Stutenbissigkeit, um in der männlichen Gesellschaft zumindest etwas akzeptiert zu werden.
Alles übertrieben? Dann halten Sie dagegen. Die DJZ freut sich auf Ihre Meinung. Email: djz@paulparey.de.
Alles Quatsch!
Die DJZ konfrontierte die 2013 amtierende Jagdkönigin von Rheinland-Pfalz, Melanie Hombach-Müller, mit den Vorurteilen. Klarer können Antworten kaum sein:
Melanie Hombach-Müller entkräftet die meisten Vorurteile. Für sie sind Männer die Waschweiber (Fotos: Hans Jörg Nagel) |
- Jägerinnen schießen kein Jungwild: Falsch. Erst kürzlich habe ich 2 Jungfüchse erlegt.
- Jägerinnen schießen kein Jungwild: Falsch. Erst kürzlich habe ich 2 Jungfüchse erlegt.
- Jägerinnen sind zögerlich: Vielleicht. Ich schieße nur, wenn ich davon ausgehen kann, dass das Stück auch sauber zur Strecke kommt. So was nennt man aber eher weidmännisch als zögerlich! Strecke mache ich trotzdem. Dazu ein kleines Beispiel: Situation Drückjagd, mein Nachbarschütze rund 30 Meter entfernt. Ich hatte später 3 Stück Schalenwild auf der Strecke, er nichts!
- Jägerinnen sind Romantiker, statt Erleger: Die Kombination macht´s. Erst Blümchen bewundern beim Angehen, dann Sonnenuntergang auf dem Ansitz mit den spielenden Kitzen genießen, und dann am besten noch eine Rotte Sauen, aus der man einen Frischling erlegt. Perfekt!
- Jägerinnen kommen über den Mann zur Jagd: Im Gegenteil, zumindest bei mir. Mein Verflossener (kein Jäger) war sogar dagegen, dass ich den Jagdschein mache.
- Jägerinnen sind schwach: Das kann ich für mich nicht bestätigen. Ich habe meine 50 bis 65kg-Sauen auch schon selber geborgen. Natürlich ist es einfacher, wenn jemand mit anpackt, aber das finde ich nicht typisch weiblich.
- Jägerinnen legen keinen Wert auf Brauchtum: Ich glaube, dass heutzutage die Traditionen allgemein etwas vernachlässigt werden leider. Das ist aber nicht geschlechterspezifisch. Ich habe schon des Öfteren erlebt, dass Männer mit der rechten Hand zuprosteten, aber noch nie bei einer Frau. Vielleicht weil die Männer bei uns noch eher drauf achten, um einen entsprechenden Kommentar abgeben zu können.
- Jägerinnen haben Angst im Wald: In der Anfangszeit war mir schon mal ein wenig mulmig. Das ist aber schon lange vorbei. Ich bin ja bewaffnet. Ich kenne aber einen männlichen Fall, der aus lauter Muffe noch nach Jahren sein Auto unterm Hochsitz parkt.
- Jägerinnen haben kein technisches Verständnis: Quatsch, oder werfe ich noch mit Steinen? Ich habe die Jägerprüfung bestanden, mehr muss ich dazu wohl nicht sagen!
- Jägerinnen frieren beim Ansitz: Das stimmt. Frauen haben grundsätzlich kalte Nase, kalte Hände, kalte Füße. Wozu bräuchten wir sonst euch Männer? Jeden Abend im Winter eine Wärmflasche machen ist doch lästig. Einfach den Mann an deiner Seite missbrauchen.
- Jägerinnen verändern Jagdgesellschaften: Ich kann aus meiner Erfahrung nur sagen, dass dem nicht so ist. Es kann sein, dass sich der ein oder andere vielleicht für seine zu derbe Ausdrucksweise entschuldigt. Ich sehe das nicht so eng.
- Jägerinnen zicken gegen Jägerinnen: Männer sind da viel schlimmer. Sind ja auch die größeren Waschweiber!