Jagdhunde Nachsuche: Wilderei oder Tierschutz

Nachsuche: Wilderei oder Tierschutz


Nachsuchen enden nicht selten vor Gericht – die Geschichte eines authentischen Falles.

Von Von Marcus Schuck

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Ein gut geführter Schweißhund bringt den Hundeführer auch bei schwierigen Nachsuchen ans Stück.

Ein 30 Jahre alter Berufsjäger wurde der Wilderei angeklagt, weil er bei einer Nachsuche mit dem Waidblatt einen Überläufer abgefangen hatte. Das Problem war, dass die Sau über mehrere Reviergrenzen hinweg geflüchtet war und sich den Hunden letztlich in einem Revier stellte, dessen Jagdpächter nicht informiert werden konnte.

Anklage wegen Wilderei

Im November 1998 wurde der Berufsjäger davon unterrichtet, dass durch einen Jagdgast in einem Revier ein Stück Schwarzwild beim Ansitz in der vorherigen Nacht krankgeschossen worden war.

Der Berufsjäger, der einen nicht zur Zucht zugelassenen Hannoverschen Schweißhund führte, hatte gerade einen Antrag gestellt, um als Schweißhundführer in Rheinland-Pfalz zugelassen zu werden. Diese Zulassung stand noch aus und war auch strittig, weil der besagte Schweißhund nicht aus einem anerkannten Zuchtbetrieb stammte.

Mangels dieser Qualifizierung war es dem Berufsjäger nicht gestattet, in Überschreitung der Reviergrenze, ohne Information des jeweiligen Jagdpächters, eine Nachsuche durchzuführen.

Wie bei vielen Nachsuchen war sich natürlich der Jagdgast sicher, dass das Stück Schwarzwild nach einigen Metern liegen würde.

Bereits bei der Anschusskontrolle zeigte sich jedoch, dass es sich wahrscheinlich um einen Gebräch-Schuss handelte. Im Zuge der einsetzenden Nachsuche wurden daher die Revierpächter des nächsten und übernächsten Revieres, in das die Sau geflüchtet war, unterrichtet.

Nach einigen Kilometern konnte festgestellt werden, dass sich die Sau in einem kleinen Waldstück niedergetan hatte. Unter Einbindung des Jagdpächters wurde dieses Waldstück umstellt und die Nachsuche fortgesetzt. Vor dem Hund flüchtete der Überläufer, woraufhin der Schweißhundführer seinen Hund schnallte.

Ein außen abgestellter Schütze fehlte aber die Sau, die dann über das freie Feld in ein Nachbarrevier flüchtete, dessen Jagdpächter bislang nicht unterrichtet worden war. Von außen konnte man beobachten, wie der Hund die Sau über das freie Feld verfolgte und ihr immer näher kam.

Der Überläufer drehte daraufhin ab und flüchtete wieder auf das abgestellte Waldstück zu. In einer kleinen Hecke, zirka zehn Meter vor der Grenze, tat sich der Überläufer jedoch nieder, verbellt von dem Schweißhund.

Kein Pardon für den Schweißhundführer

Ohne groß nachzudenken, näherte sich der Berufsjäger der schwerkranken Sau und fing sie mit einem Waidblatt ab. Fast gleichzeitig erschien der benachbarte Jagdpächter, der natürlich Wilderei vermutete.

Auch nach Aufklärung der Situation stellte der Jagdpächter Strafanzeige, offenkundig wohl vor dem Hintergrund anderweitiger Streitigkeiten mit dem benachbarten Jagdpächter.

Trotz entsprechender Schilderung des Sachverhaltes beantragte die Staatsanwaltschaft Strafbefehl. Das Gericht erließ den beantragten Strafbefehl und verurteilte den Berufsjäger zu einer hohen Geldstrafe.

Als Reaktion hierauf verweigerte die zuständige Behörde die Anerkennung als Schweißhundführer. Zudem stand wegen der Verurteilung wegen Wilderei (§ 292 StGB) zu erwarten, dass die Untere Jagdbehörde den Jagdschein einziehen würde.

Einspruch gegen das Urteil

Der Berufsjäger wandte sich an einen Anwalt, der Einspruch gegen die Entscheidung einlegte. Wie in vielen jagdrechtlichen Verfahren zeigte sich, dass ein Verständnis für jagdliches Handeln, aber auch Kenntnis von den einschlägigen Bestimmungen des Jagdrechts, von den Ermittlungsbehörden offenkundig nicht automatisch erwartet werden kann.

Der Anwalt trug vor, dass die Handlung des Angeklagten von vornherein nicht widerrechtlich gewesen sei. Vielmehr sei die Tötung des Wildschweines durch die Notwendigkeit eines zeitgemäßen Tierschutzes gerechtfertigt.

Das Verbot der Überschreitung der Reviergrenze müsste hinter der Notwendigkeit der Bewahrung höherwertiger Rechtsgüter, hier das Recht des Wildes auf ein rasches Ende, zurücktreten. Dabei wurde auch auf die brutale Verletzung des Tieres durch Zerstörung des Unterkieferknochens und der damit einher gehenden Schmerzen hingewiesen.

Der Angeklagte hatte durch seinen Anwalt weiter vortragen lassen, dass grundsätzlich durch ein verletztes Stück Schwarzwild eine Gefahr für die Öffentlichkeit bestehe und der Angeklagte nicht die Absicht gehabt habe, sich des Wildes zu bemächtigen, sondern nur dem todkranken Stück die Schmerzen zu ersparen.

Freispruch für den Angeklagten

Erst nach einer zähen Verhandlung gegen den Widerstand der Staatsanwaltschaft sprach das Gericht den Angeklagten frei. Die Staatsanwaltschaft nahm die hiergegen eingelegte Berufung später zurück.

An diesem Beispiel kann man sehen, in welche Schwierigkeiten ein Jäger fast täglich kommen kann. Es wird von einem Jäger, der eine Nachsuche durchführt, erwartet, dass er die Reviergrenzen kennt.

Glücklicherweise ist zumindest in Rheinland-Pfalz anerkannten Schweißhundführern das Überschreiten der Grenze und das entsprechende Töten des Wildes ausdrücklich gestattet. Grundsätzlich erlaubt das rheinland-pfälzische Recht auch dem Schützen, den Fangschuss anzutragen, wenn er schwerkrankes Wild über die Reviergrenze hinweg sichtet, interessanterweise aber nicht das Abfangen mit einem Waidblatt. Es ist verständlich, dass man auch bei der Nachsuche auf Wild gewisse Grenzen setzen muss.

Das Beispiel setzt allerdings ein Zeichen: Tierschutz hat grundsätzlich Vorrang vor den Rechten des Revierinhabers! Trotzdem muss dem Schweißhundführer, der in diesem Sinne handelt, klar sein, dass auch Missgunst unter den Jägern sich ausdrücklich gegen ihn richten kann, mit den hiermit verbundenen Problemen.

Ein Schweißhundführer sollte sich daher sinnvollerweise immer absichern (falls ihm das Gesetz die Grenzüberschreitung nicht ausdrücklich gestattet). Das heißt, der Schütze beziehungsweise der betroffene Jagdpächter soll unverzüglich für die Erlaubnis der Grenzüberschreitung durch entsprechende Information der Jagdpächter sorgen. Im Zweifel sollte er die Nachsuche abbrechen.

Aber auch der anzeigende Jagdpächter wird in Zukunft betroffen sein: Das Verhindern einer ordnungsgemäßen Nachsuche könnte ebenfalls strafbar sein, weil auf diese Art und Weise durch Unterlassen oder aktives Tun einem Tier unnötige Schmerzen verursacht werden.

Fazit: Solche Anfeindungen der Jäger untereinander schaden mit Sicherheit dem Wild, im Ergebnis aber auch den Jägern.

(Die Entscheidung des Amtsgerichts Sinzig Az. 2030 Js 57655/98-3 Cs ist seit dem 14. Februar 2000 rechtskräftig.)

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