Der deutsche Ansitz-Klassiker unter den Ferngläsern besitzt 56 Millimeter Objektivdurchmesser. Das hat Zeiss ab sofort nicht mehr nötig. Bei den neuen Modellen der Victory HT-Serie reichen angeblich 54 Millimeter. Ist die Optik wirklich so gut?
Von Norbert Klups
Die Optikentwicklung hat in den vergangenen Jahren gewaltige Fortschritte gemacht. Neue Glassorten und Vergütungstechniken haben Transmissionswerte und Auflösung deutlich verbessert. Nahezu 95 Prozent Transmission sind mittlerweile drin.
Bei diesen Werten ist die Überlegung berechtigt, ob 56 Millimeter Objektivdurchmesser noch notwendig sind. Verringert man ihn, bringt das den Vorteil, einem bekannten Nachteil der klassischen 56er-Nachtgläser auf den Leib zu rücken – dem hohen Gewicht. Ferngläser mit deutlich über 1 Kilo sind weder besonders handlich, noch komfortabel. Die Verringerung kann sich ein Hersteller natürlich nur erlauben, wenn die Optik im High-End-Bereich liegt, denn Lichtstärke ist gerade bei 56ern immer noch das entscheidende Kaufkriterium. Zeiss verspricht für die neuen HTs eine ganze Menge: „So leicht und kompakt wie ein 50er, aber heller als jedes 56er“, ist das Werbemotto für die neuen Optiken. Das haben wir überprüft.
Bestechend handlich Abmessungen und Gewicht sind sehr komfortabel. Das spürt man beim 1. Blick durch die neuen Optiken. Ein gutes Kilo bringen die Gläser auf die Waage (8 x 54: 1.035 und 10 x 54: 1.045 Gramm) und sind dabei mit 193 Millimeter Höhe sowie 142 Millimeter Breite sehr kompakt gebaut. Im Vergleich zu den alten Optiken eine Ersparnis um 20 Prozent.
Die beiden Fernglashälften werden durch eine schlanke Brücke aus leichtem Magnesium verbunden, in der das groß dimensionierte Fokussierrad untergebracht ist. Die fein geriffelte, gummierte Walze läuft leicht und lässt sich mit dem Zeigefinger bequem einhändig bedienen. Der Fokussierweg beträgt etwa 1,5 Umdrehungen. Vor dem Fokussierrad, an der Front der Brücke, ist der Dioptrienausgleich für die rechte Fernglashälfte angebracht. Das schmale Rädchen geht deutlich schwerer, was aber gewollt ist, um unbeabsichtigtes Verstellen zu verhindern.
Die Fokussierung arbeitet als Innenfokussierung, was den Vorteil hat, dass mechanische Dichtungen für sehr lange Wasserdichtigkeit sorgen. Durch die weit hinten angebrachte Brücke bleibt vorn jede Menge Platz zum Greifen des Glases. Damit erreicht Zeiss praktisch den gleichen Effekt, wie andere Hersteller mit einer offenen Hülsenbrücke. Ergonomisch ist das neue Gehäuse sehr gelungen. Die weiche Gummiarmierung greift sich angenehm und verhindert störende Geräusche beim Anschlagen an harte Gegenstände.
Die Luft im Fernglasinneren ist gegen Stickstoff ausgetauscht, um Innenbeschlag zu vermeiden. Drehaugenmuscheln erlauben auch dem Brillenträger die Ausnutzung des vollen Sehfeldes, das beim 8 x 54 auf 1.000 Meter bei 130, beim 10 x 54 bei 110 Meter liegt. Die Naheinstellgrenze beider Modelle: 3,5 Meter. Die Augenmuscheln rasten in 3 Positionen sicher ein. Je nach Brille kann das Fernglas nach eigenen Bedürfnissen justiert werden. Der einmal eingestellte Augenabstand kann sich dann nicht mehr unbeabsichtigt verstellen. Die Drehaugenmuscheln sind nicht nur rastbar, sondern können zum leichten Reinigen auch komplett abgenommen werden. Praktisch, wenn sich Sand festgesetzt hat und es knirscht.
Das Innenleben
Die Hülsenbrücken der beiden neuen HTs (8 x 54 und 10 x 54) liegen recht mittig. So lassen sie sich angenehm greifen. Der geringere Objektivdurchmesser verleiht ein schnittiges Outfit (Fotos: Norbert Klups) |
Innen wurde Optik vom Feinsten verbaut. Das Abbe-König-Prismensystem ist praktisch transmissionsverlustfrei, und Zeiss verwendet HT (High Transmission) Linsen vom deutschen Glashersteller Schott, die für einen sehr geringen Lichtverlust sorgen. Das funktioniert natürlich nur mit der entsprechenden Beschichtung, die bei Zeiss entwickelt wurde. Beim unbeschichteten Glas würde der Übergang der Glas-/Luftflächen einen Lichtverlust von etwa 4 Prozent zur Folge haben. Eine normale, einfache Beschichtung reduziert diesen Verlust auf etwa 1 Prozent. Zeiss schafft es, diesen Lichtverlust auf unter 0,2 Prozent zu drücken. Was das neue Optikkonzept bringt, haben wir im Labor messen lassen. Um Vergleichswerte zu bekommen, wurde das HT 8 x 54 zusammen mit dem älteren Modell 8 x 56 TFL Victory gemessen.
Die Tag- und Nachttransmission der beiden Ferngläser im Vergleich:
Transmission Tag
Zeiss HT 8 x 54 94,8 %
Zeiss 8 x 56 T FL 93,0 %
Zeiss HT 8 x 54 94,8 %
Zeiss 8 x 56 T FL 93,0 %
Transmission Nacht
Zeiss HT 8 x 54 93,3 %
Zeiss 8 x 56 T FL 89,1 %
Zeiss HT 8 x 54 93,3 %
Zeiss 8 x 56 T FL 89,1 %
Die Werte sprechen Bände: In diesem High-End-Bereich bedeuten 3 bis 4 Prozent Welten! Auch beim Ansitz war schnell klar, dass die 54er in puncto Bildhelligkeit den alten 56ern nicht nachstehen und sogar eine bessere Auflösung bieten. Der Kontrast ist besser, man erkennt kleinste Details.
Resümee
Unangenehmes vorweg: Das 8 x 54 kostet 2.295, das 10 x 54 sogar 2.345 Euro. Zeiss zeigt mit diesen Gläsern aber, dass man leichte Nachtgläser mit extremer Lichtstärke bauen kann. Dass dies nur im obersten Preisbereich geht, ist nicht zu vermeiden. Ein Wunsch bleibt offen: das 54er HT mit Entfernungsmesser!
Vorteile
+ leicht und kompakt
+ sehr hohe Transmissionswerte
+ Nanobeschichtung der Außenlinsen
+ rastbare Brillenträgerokulare
+ Okularmuscheln abnehmbar
+ großes Sehfeld
+ sehr guter Kontrast
Nachteile
– hoher Preis
– Dioptrienausgleich nicht gesichert
+ leicht und kompakt
+ sehr hohe Transmissionswerte
+ Nanobeschichtung der Außenlinsen
+ rastbare Brillenträgerokulare
+ Okularmuscheln abnehmbar
+ großes Sehfeld
+ sehr guter Kontrast
Nachteile
– hoher Preis
– Dioptrienausgleich nicht gesichert