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Aujeszkysche Krankheit bei Schwarzwild auf dem Vormarsch – bei Hunden extrem selten

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15.02.2016

In den vergangenen 8 Wochen wurden bereits 3 Fälle von Aujeszkyscher Krankheit (AK) bei Jagdhunden bekannt. Der DJV führte hierzu ein Interview mit Veterinärmediziner Dr. Thomas Müller vom Friedrich-Löffler-Institut (FLI).

 

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Dr. Thomas Müller (FLI) (Quelle: FLI)
DJV: Welcher Erreger steckt eigentlich hinter der Aujeszkyschen Krankheit?
Dr. Müller: Der Erreger der AK ist ein Alphaherpesvirus und wird laut derzeit gültiger Taxonomie als Suid Herpesvirus 1 (SHV1) bezeichnet. Wie der lateinische Name sagt, sind Haus- und Wildscheine die natürlichen Wirte bzw. Reservoire für dieses Virus. Ein charakteristisches Merkmal der AK bei Schweinen ist die lebenslange Viruslatenz.
In den vergangenen acht Wochen wurden drei Fälle der seltenen Krankheit bei Jagdhunden bekannt. In den zehn Jahren zuvor wurden lediglich ein bis zwei Fälle pro Jahr gemeldet. Was kann der Grund dafür sein?
Das ist schwierig zu sagen. Jagdhunde können sich bei Schwarzwild nur anstecken, wenn Schweine infiziert sind und deren Immunsystem geschwächt ist, etwa durch Stress. Die zeitliche Nähe von drei Fällen ist eher Zufall. Hunde, wie andere empfängliche Haus- und Wildtiere auch, sind eigentlich Fehlwirte.
Wie kann sich der Jagdhund mit AK am Wildschwein infizieren?
Der Jagdhund kann sich über alle Ex- und Sekrete von virustragenden Schweinen infizieren. Hauptsächlich sind es Nasensekrete, aber auch Augenflüssigkeit und Sekrete aus Geschlechtsteilen des Schweins, ausgenommen Harn. Der Hund infiziert sich fast immer über direkten Kontakt oder wenn Aufbruch an Hunde verfüttert wird.
Ist Schweiß ansteckend?
Nein, Schweiß ist nicht ansteckend. Das Virus breitet sich vorrangig im Nervensystem aus, nicht im Blut und gelangt so auch über das Nervensystem in die Sekrete. Der Schweiß bei der Nachsuche ist nicht das Problem.
Kann ein Hund sich auch an der Kirrung an Sekret vom Schwarzwild anstecken?
Mir ist zwar kein Fall bekannt, aber rein theoretisch ist es durchaus möglich. Das Virus ist recht umweltresistent. Je nach den vorherrschenden Bedingungen kann es für eine bestimmte Zeit auch außerhalb des Wirtes überleben. Die Wahrscheinlichkeit ist allerdings sehr gering. Bei allen vorliegenden Krankheitsfällen war immer ein Direktkontakt mit Schwarzwild ursächlich.
Welche Symptome haben Jagdhunde, wenn sie sich mit AK infiziert haben?
Da die Symptome bei anderen Säugetieren, insbesondere bei Fleischfressern, denen der Tollwut sehr ähnlich sind, wird die Viruserkrankung im englischen Sprachgebrauch auch als „Pseudorabies – Pseudowut“ bezeichnet. Fehlwirte versterben zu nahezu 100 Prozent perakut an einer Virusenzephalitis mit zentralnervösen Ausfällen, da in diesen Tieren das AK-Virus streng neurotrop ist; es hat also eine Vorliebe für Nervengewebe.
Das zentrale Nervensystem wird in kurzer Zeit sehr stark beschädigt. Deshalb treten nach einer relativ kurzen Inkubationszeit massive neurophysiologische Symptome auf, wie etwa Benommenheit und Unkoordiniertheit im Anfangsstadium. Die Tiere verweigern plötzlich die Futteraufnahme und werden depressiv. Gelegentlich werden permanentes Bellen aber auch Unruhe und Angst beobachtet. In diesen Fällen sind die Tiere jedoch nicht aggressiv. Die betroffenen Hunde haben kein Fieber. Mit Fortschreiten der Erkrankung bekommen die Tiere Atemnot und können ausgeprägtes Speicheln zeigen. Oft stellen sich gleichzeitig Schluckbeschwerden und Erbrechen ein. Später erfolgt dann der Verlust der Körperkontrolle. Kardinalsymptom ist ein starker Juckreiz, meist von den Ohren ausgehend. Dieser kann so stark sein, dass die Tiere infolge Scheuerns teils Knochen blank legen oder sich selbst verstümmeln. Es ist allerdings auch möglich, dass ein Tier in kürzester Zeit verstirbt, ohne dass der Grund dafür feststellbar ist.
 
Wann muss spätestens ein Tierarzt aufgesucht werden?
Wenn die ersten Symptome auftreten, ist es zu spät. Der Tierarzt kann in solchen Fällen leider nichts mehr tun, was den tödlichen Ausgang der Infektion aufhalten könnte und kann den Hund nur noch erlösen. Aufgrund der kurzen Inkubationszeit und des rasanten Krankheitsverlaufes bei Hunden sind ihm die Hände gebunden. Einmal ausgebrochen, versterben die Tiere nach Einsetzten der klinischen Symptome nach spätestens vier bis fünf Tagen. Von der Infektion bis zum Aufbruch kann es zwei bis fünf Tage dauern – je nachdem, um welche Erregervariante es sich handelt.
Es gibt einen Impfstoff für Schweine. Könnte man den auch bei Hunden anwenden?
Die für Schweine verwendeten Totimpfstoffe sind für Hunde nicht zugelassen und bei Hunden leider nicht wirksam. Wir können eine unveröffentlichte Studie in Belgien bestätigen, die dies belegt. Impft man Hunde mit solchen Impfstoffen, können die Tiere zwar Antikörper ausbilden, aber aufgrund der Tatsache, dass die Tiere sich über den Mund- und Nasenraum infizieren und sich das Virus sehr schnell entlang der Nervenbahnen in der Nase ausbreitet, ist der Weg bis zum Gehirn sehr kurz, da nützen möglich ausgebildete  Antikörper nichts.
 
Weshalb gibt es keinen Impfstoff für Hunde?
AK-Impfstoffe und damit eine Schutzimpfung gibt es weltweit bei Hunden nicht. AK bei Hunden, insbesondere Jagdhunden, gehört nicht zu den klassischen Hundeseuchen und ist, im Gesamtmaßstab gesehen, immer noch ein relativ seltenes Ereignis. Die Anzahl der Jagdhunde, die an AK sterben, stellt einen Bruchteil aller anderen Todesursachen bei Jagdhunden dar. Es sterben zum Beispiel viel mehr Jagdhunde im Jagdgebrauch am wehrhaften Wild als durch AK. Keine Pharmafirma würde bei dem geringen Markt, der geringen Nachfrage und den geringen Erfolgsaussichten in die teure Erforschung eines Impfstoffes investieren.
Wenn ein Jagdhund infiziert ist, können sich andere Jagdhunde im Haushalt auch anstecken?
Das Risiko ist gering, aber man kann es nicht hundertprozentig ausschließen. Es gibt keinen bekannten Fall, wo sich ein Hund durch Kontaktinfektion von einem anderen Hund infiziert hat.
Wie erkennt man, ob ein Wildschwein an AK erkrankt ist?
Beim Schwarzwild ruft das Virus eine latente Infektion hervor, das heißt: Schweine, die sich einmal infiziert haben, bleiben lebenslang Virusträger obwohl der Organismus Antikörper gegen das Virus entwickelt. Ähnlich einer Herpes simplex Virus-Erkrankung beim Menschen kommt es unter Stressbedingungen, die zu einer Beeinträchtigung des Immunsystems des betreffenden Tieres führen, dann zu einer Reaktivierung und Ausscheidung des Virus. Bei den im Schwarzwildbestand vorkommenden Erregern handelt es sich um hoch angepasste Virusvarianten, die keine sichtbare Klinik beim Schwarzwild verursachen. Den meisten Wildschweinen geht es trotz Infektion prächtig. Es sind mir nur zwei Fälle dokumentiert, wo infolge einer massiven Schwächung des Immunsystems zu starken klinischen Symptomen bei Überläufern geführt haben.
Ist das Virus für Hunde gefährlich, wenn das Schwein seropositiv ist?
Wenn ein Schwein als seropositiv diagnostiziert wird, heißt dies nicht, dass es nicht mehr infektiös ist. Das AK-Virus hat eine geniale Strategie entwickelt: Nach Infektion eines Schweines zieht es sich in die Trigeminalganglien des Gehirns des betroffenen Tieres zurück wo es für das Immunsystem nicht mehr erreichbar ist (Latenz). Es stellt sich ein Gleichgewicht zwischen Erreger und Antikörpern ein. Unter Stressbedingungen, wenn der Immunstatus stark beeinträchtigt sein kann, kann das Virus reaktiviert werden; die Antikörper schaffen es nicht, das Virus in Schach zu halten und es wird wieder ausgeschieden. In solchen Situationen ist das Schwein wieder in der Lage, eine Gefahr für den Hund darzustellen.
Wie infiziert sind die deutschen Wildschweinbestände und welche Risikoregionen gibt es?
Seit mehreren Jahren werden AK-Infektionen in deutschen Wildschweinbeständen im Rahmen eines  bundesweiten Monitoring überwacht. In fast allen Bundesländern wird Schwarzwild serologisch auf das Vorhandensein von Antikörpern, die den Nachweis einer Infektion liefern, beprobt. In vielen Teilen Deutschlands, insbesondere  Ostdeutschland, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz ist Schwarzwild nahezu flächendeckend betroffen. Wir stehen mit diesem Problem jedoch nicht alleine da. In fast jedem Land Europas, in dem serologische Studien durchgeführt wurden, sind AK-Infektionen bei Wildschweinen weit verbreitet. Warum die Krankheit auf dem Vormarsch ist, wissen wir nicht.
Wie kann ich meinen Hund während der Jagdausübung am besten vor AK schützen?
Die goldene Regel ist: Vermeiden Sie den direkten Kontakt ihres Jagdhundes mit Schwarzwild. Ich weiß, dass das schwer machbar ist, aber versuchen Sie wenigstens, diesen zu minimieren, wo es möglich ist. Verfüttern Sie auch keinen Aufbruch, achten Sie darauf, dass der Hund keine Pirschzeichen aufnimmt, besonders bei einem Schuss Hochblatt, wenn Teile der Lunge vorliegen; diese ist im Fall von AK sehr infektiös. Auch Wildbret sollte in rohem Zustand niemals an Hunde verfüttert werden.
Sind ältere beziehungsweise immun-schwächere Hunde anfälliger für das Virus?
Nein, das Virus tötet jeden Hund in jeder Verfassung.
Für welche anderen Tiere im Haushalt ist AK noch relevant?
Neben Schweinen als natürlichem Wirt können die Viren nahezu alle Säugetierarten infizieren. Diese erleiden dann nach erfolgter Infektion dasselbe Schicksal wie Jagdhunde. Lediglich Primaten, einschließlich des Menschen sowie Einhufer sind für den Erreger nicht empfänglich.
 
PM DJV/fh
 
 


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