Welche Folgen die Niederländische Gänsepolitik für Mensch und Tier hat, hat der DJV den Regiomanager und Jurist bei der Königlich Niederländischen Jägervereinigung (KNJV), Sjef Heezius, in einem Interview gefragt:
Regiomanager und Jurist bei der Königlich Niederländischen Jägervereinigung (Quelle: KNJV) |
DJV: Zumindest auf dem Papier wurde 1999 die Gänsejagd in den Niederlanden verboten. In Deutschland werben einige Interessensgruppen mit diesem positiven Beispiel und behaupten, die Natur regele sich seitdem selbst. Wie sieht die Realität 16 Jahre nach dem offiziellen Jagdverbot aus, werden keine Gänse bejagt?
Sjef Heezius: Schon Anfang 2001 wurde wieder mit der Gänsejagd angefangen, im Sommer und im Winter. Die zunehmenden Gänsebestände – vor allem der Standvögel – hat dazu geführt, dass Anfang 2011 Regierung, Naturschutzorganisationen, Bauern und Jäger versucht haben, sich auf ein Programm zu einignen. Leider erfolglos. Die heimischen Graugänse sollten reduziert werden und für Zugvögel sollte es ein Management geben. Trotz der vielen bürokratischen Hürden wurden 2014 in den Niederlanden rund 250.000 Gänse erlegt. Die explosive Bestandsentwicklung hat ihren Ursprung vor allem im Jagdverbot in Naturschutzgebieten. Betroffen davon sind rund 250.000 Hektar wasserreiche Gebiete. Dort brüten und schlafen die Gänse. Das kalorienreiche Gras auf den umliegenden landwirtschaftlichen Flächen bietet Nahrung satt.
Gibt es konkrete Zahlen zur Entwicklung der Gänsezahlen?
Die Zahl der brütenden Graugänse ist von 1985 bis 2011 um unglaubliche 2.000 Prozent gestiegen. Im Jahr 2014 sollen in den Niederlanden 70.000 Grauganspaare gebrütet haben, so die Hochrechnung von Wissenschaftlern. Insgesamt lag in diesem Jahr die Sommerpopulation bei 480.000 Graugänsen, also auf einen Brutvogel kommen drei nicht-brütende Gänse. Analog des Grauganstrends verläuft die Entwicklung auch bei Brandgans, Blässgans , Kanadagans und Nilgans. Im Jahr 2000 wurden beispielsweise 2.000 Brutvögel bei der Nilgans gezählt, 2013 waren es schon 10.000.
Wie sieht es mit den Schäden aus?
Die Schäden sind horrend, deshalb hat die Regierung extra eine langjährige Wildschadensausgleichskasse eingerichtet und unterstützt Landwirte für das Tolerieren von Gänsen auf den Feldern im Winter mit insgesamt 11,5 Millionen Euro jährlich. Hinzu kamen 2009 weitere 1,5 Millionen Euro für Schäden außerhalb der Vertragsflächen, 2014 waren es bereits 4,5 Millionen Euro zusätzlich. Eine Steigerung von 300 Prozent innerhalb von fünf Jahren.
Der große Aufreger in Deutschland ist derzeit, dass in den Niederlanden jetzt 400.000 Graugänse begast werden sollen. Was steckt dahinter?
Dieses Jahr sollen zwischen 20.000 und 25.000 Gänse vergast werden. Mehr ist allein aus finanziellen und praktischen Gründen nicht machbar. Die Gänse werden anschließend von Wildhändlern aufgekauft. Innerhalb von fünf Jahren soll die Zahl der Sommergänse auf 200.000 reduziert werden, das entspräche dem Niveau von 2005. Damit sollen dann auch die landwirtschaftlichen Schäden auf den Wert von 2005 reduziert werden. Wenn man bedenkt, dass derzeit im Sommer rund 500.000 Gänse in den Niederlanden weilen, ist das eine Herkulesaufgabe. Ohne Bürokratieabbau und mehr Freiheiten für die Jäger ist das Ziel kaum zu schaffen.
In einigen Regionen Deutschlands verunreinigen vor allem Kanadagänse und Graugänse zunehmend Badegewässer, der Unmut nimmt zu. Wie steht die niederländische Bevölkerung zu den großen Gänsebeständen?
Der Unmut in der Bevölkerung wächst, denn die explosionsartige Zunahme von Gänsen hat zahlreiche negative Folgen: Schäden auf landwirtschaftlichen Flächen nehmen zu, ökologische Schäden sind zu verzeichnen, der Luftverkehr ist mancherorts gefährdet und Gewässer werden verschmutzt und überdüngt.