Der Entwurf des Jagd- und Wildtiermanagementgesetzes für Baden-Württemberg, den das Kabinett am 30. September freigegeben hat, ist kein mitreißender Aufbruch. Der Landesjagdverband lässt seine Delegierten über die Haltung zum Jagdrechtsentwurf entscheiden.
Einerseits sind wir froh, dass wir unser praxisbewährtes Wissen in die Gesetzgebungsdebatte einbringen und mit einigen unserer guten Argumente die Landesregierung überzeugen konnten. Andererseits bleiben viele der vorgesehenen Regelungen der Landesregierung hinter ihrem eigenen Anspruch einer wissensbasierten Gesetzgebung zurück. Zudem sind sie mitunter wenig praxistauglich, regeln Probleme, die es gar nicht gibt, und fördern mit überflüssigen Verboten unnötig die Bürokratie, so Landesjägermeister Dr. Jörg Friedmann.
Der Entwurf enthält dazu zahlreiche Ermächtigungen für das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, durch die es wichtige Sachverhalte wie zum Beispiel die Jagd- und Schonzeiten oder die Umsetzung von Fütterungsregelungen durch Rechtsverordnung außerhalb eines parlamentarischen Verfahrens regeln kann. Als besonders gravierend lehnt der Landesjagdverband die Möglichkeit der Herausnahme von Wildarten aus dem Jagdrecht ohne Mitwirkung des Landtags als nicht gerechtfertigten Eingriff in das Eigentumsrecht ab.
Positiv beurteilt der Landesjagdverband, dass bei der rechtlichen Zuständigkeit für die Wildtierarten im so genannten Schalenmodell eine Korrektur in die richtige Richtung erfolgt ist. Die im neuen Entwurf deutliche Abgrenzung von Wildtiermanagement als staatliche Aufgabe und dem aus dem Eigentum entspringenden Recht zur Jagd und Hege wird vom Landesjagdverband begrüßt. Die Verantwortung der Jäger und deren Leistungen zum Schutz für die Wildtiere werden nun besser berücksichtigt. Leider wurde das Schalenmodell aber bisher nicht konsequent zu Ende gedacht, weil auch Wildtiere wie Biber und Kolkrabe in das neue Gesetz gehören.
Im Gesamtzusammenhang kritisch sehen die Jäger die vorgesehene Jagdruhezeit im März und April im Hinblick auf das Schwarzwild. Die nun vorgeschlagene Zulässigkeit der Bejagung von Schwarzwild bis 200 Meter in den Wald hinein als Pufferzone mildert zwar die Brisanz der staatlich verordneten Ruhe der Wildschweine. Wildschweine haben aber ein Vermehrungspotenzial von bis zu 300 Prozent im Jahr. Sie vermehren sich nicht wegen Stress so stark, sondern weil sie sich bei Baummast und Maisanbau sauwohl fühlen. Es bedarf zur Vorbeugung gegen einen möglichen Ausbruch der Schweinepest einer konsequenten Bejagung zu allen Jahreszeiten. Landesjägermeister Dr. Friedmann kritisiert: Es ist unlogisch und inkonsequent, Jägerinnen und Jäger im März und im April unter dem Deckmantel der Ruhe zur Jagdausübung weitgehend aus dem Wald zu verbannen, gleichzeitig aber Geocachern und anderen sogar nachts unverändert ein freies Betreten des Waldes abseits von Wegen zu gestatten. Dazu lässt das Land es zu, dass Hunde auch in sensiblen Jahreszeiten ohne Leine im Wald frei laufen dürfen. Und wenn dann noch weibliches Rotwild und Kälber entgegen jeglichen wildbiologischen Wissens die ganze Nacht bejagt werden dürfen, kann der Entwurf beim Thema Jagdruhe nur als interessengeleitet und nicht als wissensbasiert bezeichnet werden.
Bei der Wildfütterung, die grundsätzlich verboten bleiben soll, sind nun Ausnahmen auf Basis fachlicher Kriterien vorgesehen. Zu stark einschränkende Vorgaben wie die Ausdehnung eines zu genehmigenden Fütterungskonzeptes auf 2.500 Hektar und die ausschließliche Zuständigkeit des Ministeriums für Ausnahmen erschweren allerdings eine Umsetzung in der Praxis unnötig.
Der Landesjagdverband begrüßt, dass bei der Herausnahme von Freiflächen aus der Bejagung aus ethischen Gründen, mit der ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umgesetzt wird, nur natürliche und keine juristischen Personen antragsberechtigt sein sollen.
Vernünftig ist auch, von der Verpflichtung abzusehen, in jedem Landkreis staatliche Wildtiermanager zu ernennen und mit umfassenden Kompetenzen zu versehen.
Eine ganze Reihe von Forderungen des Landesjagdverbandes wie die Einführung einer Wildschadensausgleichskasse, die Beibehaltung des bewährten Jagdbeirats bei der unteren Jagdbehörde oder die Aufgabe der eigenständigen Jagdverwaltung für Verwaltungsjagden, die Beibehaltung der Fuchsbejagung am Naturbau und des sachgerechten Einsatzes von Totfangfallen hat das Ministerium bisher ignoriert. Ärgerlich ist auch, dass die Ersatzpflicht für Wildschäden in Weinbergen nicht gestrichen oder wenigstens beschränkt wurde. Baden-Württemberg ist das einzige Bundesland, in denen Jäger hier zur Kasse gebeten werden.
Ob die im Landesjagdverband organisierten Jäger wie bisher weiter den konstruktiv-kritischen Dialog mit der Politik suchen oder den Entwurf in der vorgelegten Form grundsätzlich ablehnen, haben die rund 400 Delegierten auf einem außerordentlichen Landesjägertag am 30. September entscheiden:
Pressemitteilung des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg:
PM LJV BW