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Interview mit Grenzbock-Regisseur Hendrik Löbbert

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Regisseur Hendrik Löbbert (Foto: Steffen Roth)
Wie sind Sie auf das Thema zu Ihrem Film GRENZBOCK gekommen? Was oder wer hat Sie inspiriert?
Ich fand es erst einmal überraschend, dass es noch keinen Kinofilm über die Jagd gibt. Dabei liegt das Thema so auf der Hand. Gerade weil es kontrovers ist und spaltet. Einerseits die Sehnsucht nach Natur und Ruhe und andererseits die weit verbreitete Ablehnung von Jagd als elitäres Mordhobby.
Am Anfang hat mich das Thema aber eher theoretisch interessiert. Ich traf einen Jäger in Mecklenburg-Vorpommern und der erzählte mir, was die deutsche Wiedervereinigung für die Jäger bedeutet hat. In der DDR war die Jagd völlig anders organisiert als im Westen. Hier gab es das Volksjagdrecht, in dem die Reviere staatlich organisiert und zur Verfügung gestellt wurden. Nach der Wende wurde dann im Osten auch das Reviersystem eingeführt, das das Recht zu jagen an den Besitz koppelte. Die Situation fand ich interessant und absurd, vor allem für das Wild.
 
Auf einmal gibt es überall diese Grenzen, die natürlich nicht sichtbar sind, aber die trotzdem ihre Wirksamkeit haben. Schon allein weil zwei Nachbarreviere völlig andere Schwerpunkte in ihrem Revier setzen können. Der eine will Wald bewirtschaften und wenig Wild haben und der Nachbar hat das Revier vielleicht als Jagdrevier und freut sich über starke Hirsche. Da stellt sich die Frage, wie man so eine Landschaft am besten organisiert, ohne dass es ständig zu Interessenskonflikten zwischen den Revieren kommt.
Aber ich wollte keinen Film machen, der die Jagd erklärt, oder die Geschichte nacherzählt. Für mich war das Thema eher universell, denn da geht es schließlich darum, wie man sich in seinem eigenen Revier einrichtet, wie man zu dem Nachbarn steht und seine Interessen verteidigt. Die Reviere als erweitertes Selbstverständnis und Ausdruck der eigenen Weltsicht, das fand ich spannend. Und dann geht es ja immer auch um Leben und Tod, zumindest für die Tiere. Und die rennen zwischen diesen Reviergrenzen herum und können mit den Konzepten der Jäger und Waldbesitzer überhaupt nichts anfangen.
Wie haben Sie sich auf das Projekt vorbereitet?

Ich habe mich am Anfang sehr viel mit Gemälden auseinandergesetzt. In der Malerei gab es immer wieder die Jagdromantik, in der Trophäen und erlegtes Wild als Zeichen von Potenz und Stärke auftauchen. Diese Überhöhung der Jagd fand ich interessant für den Blick auf diese Welt. Letztlich ist die Jagd und der Wald für einen Film eine tolle Bühne mit ihrer eigenen Sprache und Kleidung und den Symbolen. Parallel bin ich natürlich immer wieder zu Jagden in den Wald gefahren und habe als Drücker geholfen oder mich einfach mit auf den Ansitz gesetzt.
War es schwierig Protagonisten zu finden, die bereit waren sich von einer Kamera begleiten zu lassen?
Es hat schon einige Jagdsaisons gedauert, bis ich bei den Jägern einigermaßen Vertrauen in das Projekt aufgebaut hatte. Ich glaube, die Jäger haben am Anfang nicht so ganz verstanden, was ich da eigentlich bei ihnen im Wald will. Das liegt vielleicht auch daran, dass die Fronten zwischen den Jägern und den Jagdgegnern ziemlich verhärtet sind. Und da hat sich Misstrauen aufgebaut. Dabei hat mich die Frage, ob Jagd gut oder schlecht ist, ziemlich schnell nicht mehr interessiert. Als Fleischesser hab ich da einfach auch nicht die richtigen Argumente dagegen zu setzen. Irgendwann haben die Jäger, denke ich, gemerkt, dass ich sie nicht hintenherum in die Pfanne hauen will. Und das hat zu einer Akzeptanz geführt, in der wir sehr gut arbeiten konnten.
Im Film sind vorwiegend ältere Jäger zu sehen, hat die Jagdszene ein Nachwuchsproblem?
Jäger würden das abstreiten. Es wird immer von den vielen Jungjägern und Frauen bei der Jagd geredet. Ich selbst habe bei den Jagden und in den Hegegemeinschaften überwiegend ältere Herren gesehen. Mich hat das überhaupt nicht gestört. Wie dem auch sei, mir ging es nicht darum ein möglichst repräsentatives Bild von der Jagd in Deutschland zu zeigen, sondern darum zu verstehen wie das Selbstverständnis in dieser Welt aussieht. Nach welchen Regeln funktioniert diese Welt und wie bewegen sich die Jäger durch ihre Wälder? Gerade die älteren Jäger haben einen sehr romantischen Blick auf den Wald, den ich für den Film sehr reizvoll fand.
Hat sich Ihre Sicht auf die Jagd durch die Arbeit an dem Film und mit den Protagonisten verändert?
Sehr. Ich hatte vor dem Film überhaupt kein Verhältnis zu dieser Welt. Und von meinem eigenen Leben in der Großstadt ist die auch sehr weit entfernt. Für mich persönlich war das aber gerade spannend. Ich bin durch den Film überhaupt kein großer Fan der Jagd geworden und kann mit vielen Ritualen und Überhöhungen wenig anfangen. Aber mich haben alle meine Protagonisten sehr beeindruckt. Die Ernsthaftigkeit und Hingabe mit der sie sich um ihre Reviere und Wälder kümmern hat meinen großen Respekt. Von dieser Haltung gegenüber seiner Aufgabe, sei es nun Jäger oder Filmemacher oder was auch immer, kann man sich viel abgucken.
Wie genau muss man sich einen Dreh bei einer Jagd vorstellen?
Ziemlich leise.
 
Gab es besondere Herausforderungen beim Dreh, mit denen Sie anfänglich nicht gerechnet hatten? Welche waren das? Und wie haben Sie diese gemeistert?
 
Die erste Drehwoche haben wir komplett als Tierfilmer verbracht. Wir wollten Hirsche bei der Brunft filmen und haben uns dafür in ein Wildgehege im südlichen Brandenburg gesetzt. Aber selbst in dieser eingezäunten und geschützten Situation war es unglaublich schwer die Tiere vor die Kamera zu bekommen. Die Tiere haben sich fast völlig unserem Blick entzogen. Diese Erfahrung haben wir gleich als Idee in den Film übernommen: Was, wenn man die Tiere eigentlich nie richtig zu Gesicht bekommt? Die rennen immer nur als Ahnung durch den Wald und kommentieren durch ihre unsichtbare Präsenz das ganze Brimborium der Jäger.
Das Schöne an dieser ersten Woche war, dass wir dadurch das Filmen gleich am Anfang völlig entschleunigt haben. Wir mussten leise sein, in Büschen hinter irgendwelchen Tarnkonstruktionen ausharren bis sich mal endlich ein paar Hirsche in unsere Richtung bewegten, die dann meistens doch unsere Witterung aufgenommen haben und verschwanden. Dass wir am Ende dann nur den Hirsch hinterm hohen Gras in den Film genommen haben, wird dem Aufwand überhaupt nicht gerecht.
Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Kameramann Hajo Schomerus?
Den Kontakt hat meine Schwester, die auch den Film produziert hat, hergestellt. Mir ist erst da eingefallen, dass ich schon mal einen Film von ihm gesehen hatte, „Ich und das Universum“. Und den fand ich wahnsinnig toll. Der Film hat eine fast absurde Monumentalität, die sehr groß und komisch ist.
Hajo arbeitet auch als Regisseur und das hat dem Film sehr gut getan. Dadurch, dass GRENZBOCK mein erster langer Dokumentarfilm ist, hat mir seine Arbeit ziemlich viel Sicherheit gegeben. Er ist für den Film Mentor und Kameramann gleichzeitig gewesen.
Warum sollte man sich GRENZBOCK unbedingt anschauen?
Dafür gibt es natürlich viele Gründe. Aber ich glaube schon, dass wir es geschafft haben, dass man als Zuschauer in diese Welt und den Wald wirklich eintauchen kann. Insofern ist der Film sehr anthropologisch. Aber weil das zu wissenschaftlich klingt, würde ich sagen, dass das ein Tierfilm über Jäger ist, der ein paar ziemlich grundsätzliche Fragen über Kultur, Wildnis und unsere Rolle als Menschen stellt.
 
 
 


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