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Neues vom Reh

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Der 28. Bonner Jagertag war ein wahrer Publikumsmagnet, was sicherlich am diesjährigen Leitthema „Rehwild“ gelegen hat. Und wer im zahlreichen Publikum glaubte, bereits alles über Deutschlands populärste Wildart zu wissen, wurde schnell eines Besseren belehrt.

Peter Brade

Der schweizer Wildbiologe und Rehwildfachmann Dr. Fred Kurt referierte sehr humorvoll im ersten Vortrag des Tages über die enorme Anpassungsfähigeit der Rehe. Deshalb muss auch die Jagd auf sie variabel sein. Intervalljagden kommen dem Jagdverhalten von Wolf und Luchs nahe, was heißt, dass auf kurze intensive Jagdphasen lange Ruheintervalle folgen sollten. Dadurch können sich die Rehe schlechter auf Jagdstrategien einstellen.Überhaupt waren alle Referenten der Meinung, dass permanenter Jagdruck im Revier mehr stört als die meisten Freizeitaktivitäten. Bruno Hespeler bemerkt dazu gewohnt treffsicher: „Jagd ist immer auch Unterricht für Rehe!“ Sein Rezept ist ein an die Revierverhältnisse angepasster Jagdartenmix unter Berücksichtigung der Aktivitätszeiten der Rehe und mit möglichst viel Ruhe im Revier.
Eigentlich nicht mehr brandneu, aber sicherlich noch nicht jedem Jäger bekannt sind die Forschungsergebnisse von Dr. Manfred Pegel. In einem recht kleinen Versuchsrevier auf der Schwäbischen Alb wurde die Entwicklung des Rehwildbestands mit und ohne Fütterung untersucht mit überraschenden Ergebnissen: Die Verbissbelastung des Waldes ist bei Fütterung höher, die Durchschnittsgewichte der Rehe nehmen nicht zu und der bedeutenste bestandsbegrenzende Faktor ist die Abwanderung junger Stücke. Wer also den Zuwachs nicht nutzt, verschenkt jagdliches Potenzial.
Im folgenden Vortrag stellte Dr. Thomas Gehle eine Formel zur theoretischen Erfassung von Rehbeständen in Feld- und Waldrevier vor. Diese höhere Mathematik konnte aber die meisten Zuhörer nicht überzeugen. Streckenstatistiken, Hegeschauen und deren Wechselwirkungen mit Rehwildabschussplänen waren die Themen des Beitrags von Gerd Kleimann. Aus seinen Ausführungen wurde wieder einmal klar, dass viele Abschusspläne sowie Abschussmeldungen nicht das Papier wert sind, auf dem sie stehen. Aber eine Entbürokratisierung ist leider noch nicht in Sicht. Lediglich in Bayern läuft derzeit ein Modellversuch zwischen Jägern und Grundeigentümern, ohne Abschusspläne auszukommen. Der Rehwildabschuss wird dort bei einem gemeinsamen Reviergang anhand der Verbissbelastung für ein Jahr festgelegt, und zwar einvernehmlich! Eine professionelle Wildbretvermarktung forderte Revieroberjäger Helmut Hilpisch in seinem Vortrag. Eine bessere Image-Werbung für die Jagd gäbe es nicht. Und hier ist einiges verbesserungsnotwendig, vom tierschutzgerechten Schuss über das Aufbrechen in der Wildkammer bis hin zum sauber etikettierten Vertrieb.
Dr. Michael Petrak, mit Gastgeber und eloquenter Moderator der Veranstaltung, griff abschließend bei der Präsentation seiner Rehwildstudien ein Argument auf, dass auch in den meisten anderen Vorträgen auftauchte, und zwar die möglichst frühe und intensive Bejagung des Rehwilds zu Beginn der Jagdzeiten. Bezüglich der Kitze konnte er die Ausrede wiederlegen, dass sie im September noch zu leicht seien. Seine Messungen haben ergeben, dass Kitze bis in den Januar nicht einmal ein Kilo zulegen. Also früh Strecke machen, wenn die Tage noch lang sind.Insgesamt ein rundum gelungener Bonner Jägertag – mehr davon!
md
Peter Brade

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