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Zum Thema Elektroreizgeräte

2006


Aktuelle Stellungnahme von DJV und JGHV zur Ausbildung von Jagdhunden unter Verwendung von Telereizgeräten.

Peter Brade

Die Pressemitteilung im Originaltext:
 
Das Bundesverwaltungsgericht (BverwG) in Leipzig hat im Februar 2006 entschieden, dass der Einsatz von Elektroreizgeräten, die erhebliche Schmerzen oder Leiden verursachen können, bei der Hundeausbildung nach geltendem Tierschutzrecht verboten ist. Dabei kommt es nicht auf die konkrete Verwendung der Geräte im Einzelfall, sondern darauf an, ob sie von ihrer Bauart und Funktionsweise her geeignet sind, dem Tier nicht unerhebliche Schmerzen zuzufügen. Es entspricht der Absicht des Gesetzgebers, den Einsatz der potentiell gefährlichen Geräte generell zu verbieten. Das BVerwG betont jedoch in seiner Urteilsbegründung unter Verweisung auf den Nachsatz in § 3 Nr. 11 TierSchG: „…. soweit dies nicht nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften zulässig ist…“.
 
Danach bleiben besondere Regelungen, mit denen, in Abweichung von dem generellen Verbot, der Einsatz von Elektroreizgeräten in bestimmten Situationen und/oder für bestimmte Personen zugelassen wird, unberührt.
 
Bundesrechtliche Regelungen zur Anwendung von Elektroreizgeräten in der Hundeausbildung sind also dringend geboten.
 
DJV und JGHV verlangen daher eine entsprechende bundesrechtliche Regelung auf der Grundlage des § 3 Nr. 11 TierSchG, die im Übrigen auch im Tierschutzbericht der Bundesregierung 2003 in Aussicht gestellt wird. Eine diesem Grundanliegen folgende Ergänzung der Tierschutz – Hundeverordnung vom 02. Mai 2001, wie vom Bundesrat gefordert, findet unsere volle Unterstützung.
 
Für die waidgerechte und tierschutzgerechte Jagdausübung ist der brauchbare Jagdhund unverzichtbar.
 
Zur Jagd geeignete Hunde mit den erforderlichen körperlichen Voraussetzungen und Verhaltensanlagen werden in ausreichender Anzahl von den jagdlichen Züchtern in den Mitgliedsvereinen des Jagdgebrauchshundverbandes angeboten.
 
Die gerechte Ausbildung führt die Hunde zum brauchbaren Jagdhund. Mit Recht verlangen Landesjagdgesetze die Verwendung des ausgebildeten und geprüften Jagdhundes zur Jagdausübung. Auf dem Verordnungsweg werden die Mindestanforderungen und deren Prüfung festgeschrieben. Zunehmend orientieren sich Länderverordnungen zur Feststellung der Brauchbarkeit für Jagdhunde an den diesbezüglichen bundesweiten Empfehlungen des Deutschen Jagdschutz-Verbandes (DJV) und Jagdgebrauchshundverbandes (JGHV).
 
Die Ausbildung von Hunden zur Jagd blickt auf eine jahrhundertlange erfolgreiche Tradition zurück.
Der DJV und JGHV unterstützen die Bemühungen in der Jägerschaft, die traditionellen und bewährten Mittel bzw. Methoden zur Jagdhundeausbildung mit den rasant gewachsenen Erkenntnisstand der Verhaltenskunde, besonders auch im Lernverhalten, abzugleichen und zusammenzuführen. Die diesbezüglichen Bildungsangebote der Landesjagdverbände, Kreisjägerschaften und der Mitgliedsvereine des JGHV widerspiegeln dieses Bemühen.
 
Die besondere Bedeutung der Jugendentwicklung bei der Herausbildung von Anlagen des Jagdverhaltens hat bereits erkennbare Beachtung gefunden.
 
Die Züchter von Jagdgebrauchshunden lenken gezielt die inner- und interartliche Sozialisierung und die Anpassung an die unbelebte Umwelt im Wurf.
 
Große Aufmerksamkeit findet die Entwicklung des jungen Hundes nach der Abgabe vom Züchter in die Hände seines Hundeführers. Die Angebote von jagdlich ausgerichteten Welpenschulen, die die jungen Hunde bis zur Anlagenprüfung begleiten, werden erweitert und inhaltlich qualifiziert. Die Hundeführer sind aufgerufen, zusammen mit ihren Welpen an solch wichtigen Kursen teilzunehmen, denn hier werden auch die Grundlagen für den in die menschliche Gesellschaft integrierbaren Hund gelegt. Die Entwicklung von Impfstoffen und ein geeignetes Impfmanagement machen eine Zusammenführung junger Hunde gefahrlos möglich.
 
Die Anforderungen an das jagdliche Können von Jagdhunden verlangen eine konsequente Ausbildung, deren Mittel und Methoden sich am aktuellen Erkenntnisstand der Verhaltenskunde orientieren.
 
Es hat sich herausgestellt, dass die Belohnung des im Sinne des Ausbildungsziels erwünschten Verhaltens den nachhaltigsten Lerneffekt hat. Der Hund lernt am Erfolg. Er lernt aber auch am Misserfolg, wenn unerwünschtes Verhalten konsequent unterbunden wird. Das entspricht seinem evolutionär entstandenen Überlebensprinzip. Was ihm gut tut, behält er bei, was Aversion erzeugt, wird unterlassen.
 
Der Umgang mit dem Prinzip von Belohnung und Strafe erfordert vom Ausbilder viel Umsicht und fundierte Kenntnisse des Lernverhaltens. Für den Umgang mit Belohnung hat sich das NILIK – Prinzip (Nichts Im Leben Ist Kostenlos) bewährt.
 
Ebenso hat der Umgang mit aversiven Reizen seine Regeln. Unsere Auffassung wird unter anderem vom Tierschutzzentrum an der Tierärztlichen Hochschule Hannover zu den Anforderungen an aversive Reize im Prozess der Ausbildung von Hunden wie folgt bestätigt:
 
Die Einwirkung
muss so schnell erfolgen, dass sie mit der Handlung verknüpft werden kann,
muss stark genug sein, um die Handlung sicher zu unterbinden,
muss immer erfolgen, wenn die Handlung gezeigt wird,
darf nur mit der Handlung verbunden werden.
 [SCHALKE 2005]
 
Hier wäre nur anzufügen, dass die Einwirkung verhältnismäßig sein muss.
 
Telereizgeräte haben hinsichtlich ihrer aversiven Einwirkung zur Erreichung des Ausbildungszieles bemerkenswerte Vorteile.
 
Die Möglichkeiten der Einwirkung auf den auszubildenden Jagdhund lassen sich wie folgt zusammenfassen:
 
der Reiz ist beeindruckend und nachhaltig wirksam
der Reiz kann unmittelbar auf das unerwünschte Verhalten erfolgen
Einwirkungen über größere Entfernungen sind möglich
der Reiz ist individuell dosierbar
der Reiz kann durch erwünschtes Verhalten vom Hund vermieden werden
das Ausbildungsziel kann in bestimmten Indikationsbereichen für den Hund schonender erreicht werden
bei modernen Telereizgeräten erfolgt keine Schädigung von Organen oder Geweben.
 
Das macht Telereizgeräte zu einer wertvollen Ausbildungshilfe unter Voraussetzung einer sachkundigen Anwendung.
 
In der Jagdhundeausbildung beschränkt sich die Anwendung der Telereizgeräte weitgehend auf die Kontrolle des Jagdverhaltens des Hundes. Arteigenes Jagdverhalten gehört zur obligatorischen Grundausstattung eines Jagdhundes. Es ist selbstbelohnend und daher durch positive Verstärkung nicht zu übertreffen. Die Beherrschbarkeit starker Motivation lässt sich über aversive Reize in besonderen Fällen mit Hilfe von Telereizgeräten erreichen.
 
Die elektrische Reizeinwirkung, sachkundig angewandt, ist ein schonender und nachhaltig wirksamer aversiver Reiz.
 
Untersuchungen belegen, dass die elektrischen Parameter moderner Telereizgeräte und demzufolge deren Wirkungen auf den Körper vergleichbar sind mit Therapiegeräten im Bereich der Human- und Veterinärmedizin. Messungen an allen gängigen Gerätetypen sind eine wichtige Grundlage für Gerätetechnik und Elektrophysiologie als Teil der Sachkundevermittlung. [KLEIN 1999, 2006]
 
An der Tierärztlichen Hochschule Hannover wurde eine Dissertationsschrift mit dem Titel: „Stresserscheinungen beim praxisähnlichen Einsatz von elektrischen Erziehungshalsbändern beim Hund“ angefertigt. Unter anderem kommt die Autorin nach ihren Experimenten zu dem Schluss, dass die Werte für die ermittelten Stressparameter unter denen von unvorhersehbaren Stressoren liegen, wie z. B. Lärmexposition, Einschalten eines Staubsaugers, Transport im Flugzeug oder dem Aussetzen einer Temperatur von –5°C für eine Stunde. Im Vergleich der Versuchsgruppen kommt die Autorin zu dem Ergebnis, dass die Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit des Reizes und die Verknüpfung mit dem gezeigten Verhalten und der damit verbundenen Möglichkeit, dem Reiz auszuweichen, den geringsten Anstieg von Stressparametern mit sich bringen [STICHNOTH 2002]. Zu einer vergleichbaren Aussage kommt eine wissenschaftliche Studie aus den Niederlanden [SCHILDER 2000].
 
Immer mehr Persönlichkeiten und mit der Thematik befasste Institutionen verzichten auf Verbotsforderungen für Telereizgeräte in der Hundeausbildung und fordern Ausnahmeregelungen nach §3 Nr.11 TierSchG.
 
Prof. Dr. Hackbarth von der TiHo Hannover fasst die Auffassungen in einem Brief an seine Kollegen folgendermaßen zusammen:
 
„Wissenschaftliche vom Institut für Tierschutz und Verhalten (Heim-, Labortiere und Pferde) der Stiftung Tierärztlichen Hochschule Hannover durchgeführte Untersuchungen belegen, dass eine tierschutzgerechte Anwendung von Elektroreizgeräten durchaus möglich ist und unter bestimmten Kautelen sogar traditionellen Erziehungsmethoden auch im Sinne des Tierschutzes vorzuziehen sind. Eine tiefgreifende Sachkunde ist selbstverständlich dafür Voraussetzung. Die Ausarbeitung einer Arbeitsgruppe für einen entsprechenden Sachkundenachweises wurde bereits dem niedersächsischen Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz übergeben. Eine pauschale Ablehnung ohne Berücksichtigung dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse wird diesem Thema nicht gerecht.“
 
Eine vergleichbare Position vertritt auch die Gesellschaft für Tierverhaltenstherapie (GTVT) im November 2004. Es heißt dort:
 
„Es ist dringend sicherzustellen, dass ausschließlich solche Personen ein Stromimpulsgerät verwenden dürfen, die vor einer Anwendung des Gerätes ihre Sachkunde bzgl. Ethologie und Ausdrucksverhalten des Hundes, Lernverhalten, Elektrophysiologie und Gerätetechnik unter Beweis gestellt haben. Ferner ist eine Überprüfung ihrer praktischen Fähigkeiten zu fordern. Außerdem müssen die Geräte standardisierten, technischen Anforderungen genügen.
 
Auch das Institut für Tierschutz, Verhaltenskunde und Tierhygiene der Maximilian Universität München gibt eine in die gleiche Richtung gezielte Stellungnahme ab. Hinsichtlich der zu erfüllenden Voraussetzungen heißt es da:
 
 1. Es dürfen keine „erheblichen Schmerzen“ zugefügt werden (siehe §3 TierSchG).
 2. Anwendung nur, wenn es keine (schmerzfreien) Alternativen gibt.
 3. Anwendung nur durch speziell geschulte und geprüfte Sachkundige.
 4. Anwendung nur in den Fällen, in denen ein vernünftiger Grund vorliegt bzw. eine
„Güterabwägung“ im Sinne des Tieres erfolgte.
 
Als vernünftiger Grund ist beispielsweise denkbar: die Korrektur von Problemhunden, die wegen ihres Jagdverhaltens sonst nur noch an der Leine geführt werden dürfen (Güterabwägung: kurzfristiger Einsatz eine Elektroreizes versus Auslauf ausschließlich an der Leine).“
 
Daraus und aus unseren Erfahrungen leiten wir nachfolgende Grundforderungen ab:
 
Die Verwendung von Telereizgeräten in der Hundeausbildung muss auf sachkundige Personen beschränkt werden.
Die Anwendung ist immer als „Einzelfallentscheidung“ zu treffen und die Indikationsbereiche sind insgesamt einzuschränken.
Die Gerätesicherheit muss gewährleistet sein.
 
Bonn, im Juni 2006
Peter Brade

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