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Wein, Weib und Weidmannsheil

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Mit 27 Jahren ist sie noch recht jung, führt aber bereits einen Keltereibetrieb in Deutschlands größtem Weinanbaugebiet Rheinhessen. In den Hängen jagt Shanna Reis auch auf „Einhörner“. Am Strick und oft dabei: Kolya und Iago, zwei Deutsch Stichelhaar. Von Hans Jörg Nagel

Jagende Winzerin (Fotos: Hans Jörg Nagel)

Nach einer knappen Stunde Interview-Unterbrechung. Fix geht es über den Hof in die riesige Kelterhalle. Papa Wolfgang ist mit dem Hänger vorgefahren. Der ist rand­voll mit gelben Trauben. Ein Schlauchende in die Frucht, das andere drückt Shanna in die Presse. Den Rest erledigt Elektronik. „Dafür haben wir früher mit der Schippe drei Stunden gebraucht. Heute dauert das zehn Minuten“, sagt Papa Wolfgang.

Sind die Trauben ausgepresst, wird der Saft in meterhohe Tanks gepumpt. Dort finden die Gärprozesse statt, und am Ende wird der feine Tropfen in Flaschen abgefüllt: Riesling, Silvaner, Grauburgunder … Es ist Ende September: Weinernte.

So auch am „Binger St. Rochusberg“. Das Weingut in Aspisheim (Rheinland-Pfalz) wird bereits in vierter Generation bewirtschaftet. Neue Chefin des Unternehmens ist Shanna Reis. Die 27-Jährige ist nicht nur Betriebsleiterin, sie studiert auch parallel Business Administration in Neustadt. Schwerpunkt: Wein und Nachhaltigkeit.

„Die Optimierung von Produktionsprozessen ist wichtig und aktueller denn je“, sagt sie. Ebenso das nachhaltige Verwenden von Ressourcen jeder Art. Und so spielt sie mit dem Gedanken, ihre Bachelor-Arbeit über die „Nachhaltigkeit der Jagd in Namibia“ zu schreiben.

In den Weinbergen jagt Shanna Reis vor allem auf Rehwild

Wild auf Zebra und „Wild auf Wein“

Ein erster DJZ-Vor-Ort-Termin musste verschoben werden, da sie selbst gerade „vor Ort“ war. Im Erongo-Gebirge Namibias ging es auf Bergzebras. Da sie hierbei von einem TV-Kamerateam begleitet wurde, hatte Reis gerade mal drei Jagdtage. „Das war zu wenig. Wir haben zwar reichlich Wild gesehen, kamen aber nicht zu Schuss auf einen passenden Hengst“, berichtet die Winzerin.

Spannende Pirschgänge, aber nichts geschossen. Auch das ist Jagd. Wesentlich erfolgreicher verlaufen dagegen die kulinarischen Events, die auf dem Weingut der Familie einmal jährlich stattfinden. „Im August haben wir unter anderem zehn Influencer auf unseren Hof eingeladen und verköstigt. Es wurden so exotische Gerichte wie Rotwild-Hirn und Nutria-Burger serviert. Nicht alle haben gejubelt, aber den meisten hat es dann doch geschmeckt“, berichtet die 27-Jährige.

Das Event fand unter dem Namen „Wild auf Wein“ statt und dauerte ein Wochenende. Zum Abschluss ging es dann gemeinsam auf den Schießstand nach Mainz. Beste Werbung für die Sache der Jagd.

Jägerin im 2. Anlauf

Und die hat Tradition in der Familie. „Mein Uropa war schon Weidmann. Mich haben von Kindsbeinen an die Hunde auf der Jagd fasziniert. Mit Begeisterung habe ich deren Arbeit auf den großen Hasenjagden und bei Nachsuchen bewundert“, schwärmt Reis.

Aber als junges Mädchen war das Weidwerk für sie lange Zeit reine Männerdomäne. Deshalb wurde erst in ihrem Studium die grüne Leidenschaft neu entfacht. Die Hochschule in Geisenheim bot als Abendkurs einen LJV-Lehrgang an. Das ließ sich die Studentin natürlich nicht entgehen – und fiel durch. Aufstehen und Krönchen richten. Noch im gleichen Sommer besuchte sie eine Jagdschule in Mecklenburg-Vorpommern, büffelte eifrig und bestand mit Bravour. Im August 2016 löste sie ihren ersten Jahresjagdschein.

Damals noch blond: 2016 erlegte die Winzerin ihren ersten Rehbock. Festmahl: süß-saurer Aufbruch

Natürlich stand ihr sofort das Revier bei Aspisheim (Landkreis Mainz-Bingen) offen. Seit 60 Jahren wird es von ihrer Familie bejagt. 550 Hektar Weinberge, Ackerflächen und etwas Wald. „Hier kommen vor allem Rehwild, Hase, Kaninchen, Taube und Fasan vor. Seit 2018 haben wir auch permanent Schwarzwild. Alleine dieses Jahr wurden bei uns schon sieben Stücke erlegt“, informiert die junge Jägerin.

Uns – das sind neben der Pächterfamilie sieben Mitjäger. Und die machen durchaus Strecke. Neben den Sauen fallen jährlich rund 40 Rehe. Hase und Fasan werden nicht mehr bejagt, obwohl deren Besatz leicht zunimmt.

Um wieder auf eine bejagbare Zahl zu kommen, kümmern sich Shanna und ihre Mitjäger auch um die Raubwildbejagung. Sieben Kunstbaue stehen im Revier momentan noch auf Durchlauf. Mit Falle und Hund soll es Reineke bald an den Balg gehen.

Fan des alten Försterhunds

Dafür übt Henriette hin und wieder in der Schliefenanlage. Die zweijährige Rauhhaarteckel-Dame ist allerdings gerade in der Hitze, weswegen die beiden anderen Vierläufer Hausverbot haben und das im Hof bitterlich beklagen.

Kolya (5) und Iago (3) gehören einer fast vergessenen Hunderasse an. 2008 wurden in Deutschland hiervon gerade mal acht Welpen gewölft. Zehn Jahre später waren es immerhin 50. Die Rüden sind Deutsch-Stichelhaar (DST).

„Dabei ist das eine so tolle Rasse. Sie sind im Haus sehr ruhige und ausgeglichene Familienhunde, während sie auf der Jagd passioniert, aber nicht kopflos arbeiten. Sowohl bei der Suche auf Niederwild, als auch beim Stöbern auf Sauen“, schwärmt die Rüdefrau und betont auch noch deren Wachhundqualitäten.

Hunde faszinierten Shanna schon immer. Über die Vierläufer kam sie zur Jagd (Fotos: Privat)

DJZ: Wie lange gibt es DST schon in Ihrer Familie, und wie kamen Sie dazu?

Shanna Reis: Seit 35 Jahren. Mein Vater las in einer Jagdzeitung ein Rasseportrait. Danach war er Feuer und Flamme. Er fuhr zu einem Züchter nach Ostfriesland und kam mit Hund zurück.

DJZ: Ostfriesland?

Reis: Ja. Früher wurden dort die meisten DST gezüchtet. Das hat sich geändert. Heute wird mehr in Süddeutschland, zum Beispiel bei Würzburg, gezüchtet.

DJZ: Und warum gerade DST?

Reis: Andere Rassen haben ebenfalls prima Anlagen. Aber auch hierbei geht es um Nachhaltigkeit. Es wäre schade, wenn der Försterhund mangels Nachfrage verschwindet. Immerhin ist er der älteste rauhaarige Vorstehhund der Welt.

DJZ: Und Ihre Rolle dabei?

Reis: Ich habe vor, auch mal zu züchten. Aber das schaffe ich momentan zeitlich nicht. Dafür engagiere ich mich im Verein Deutsch Stichelhaar. Ich bin Obfrau für Öffentlichkeitsarbeit und betreue vorrangig die neuen Medien, wie Instagram und Facebook.

Einen Deutsch Stichelhaar am Strick. Die heute 27-Jährige setzt sich sehr für die Rasse ein

Und dort erzielt sie mit den Themen Jagd, Wein und Hunde ordentlich Aufmerksamkeit. Alleine auf Instagram folgen ihr mehr als 22.000 Menschen.

Rehe lieben die Huxelrebe

Betriebsleitung, Studium, Öffentlichkeitsarbeit – bleibt ihr da auch Zeit für die Jagd? „Ja. Die Zeit nehme ich mir einfach. Das muss sein“, so Shanna Reis. Und besonders gerne geht sie auf Rehwild. „Wir haben hier ein interessantes Phänomen. Bei uns gibt es immer wieder mal Einhörner“, spricht sie in Rätseln, um gleich zu erklären: „Junge Böcke verletzen sich manchmal an den Rebenzäunen im Weinberg. Dann entwickelt sich eben nur eine Stange.“

Und auch das Gewicht der Rehe hier ist stattlich. Adulte Stücke bringen häufig um die 20 Kilo auf die Waage. Viel Wildbret für die heimische Küche.

Ein Grund zum fröhlichen Jagen. Ein weiterer: Bock, Geiß und Kitz machen in den Trauben-Hügeln auch gewaltig Ärger. Die Jägerin: „Gerade im Mai sitze ich so oft es geht an. Die Rehe lieben junge Rebentriebe. Und ist der weg, fehlt die Traube. Ein Reh kann an einem Tag durchaus ein, zwei Flaschen Wein abäsen.“ Die Winzerin hat beobachtet, dass vor allem die Huxelrebe dran glauben muss.

Die Triebe des weißen Süßweins schmecken dem Rehwild, Reh schmeckt der Winzerin. Und das will was heißen. Denn: „Von 2006 bis 2016 war ich Vegetarierin. Das hat sich erst mit meinem Jagdschein geändert. Aber bis heute esse ich kein Fleisch aus Massentierhaltung, dafür aber mit Genuss das unbelastete Wildbret aus unserem Revier.“

Und ihr Einstiegsgericht war seinerzeit gleich etwas besonderes. Shanna Reis erinnert sich: „Nach der Erlegung meines ersten Bockes dröhnte mir zwar der Schädel, weil mir beim Schuss das Zielfernrohr an die Stirn schlug. Aber was es am Abend gab, hat mich getröstet: süß-saurer Aufbruch von Herz, Leber und Niere.“ Willkommen im Club!

DJZ bei Ihnen vor Ort

Wenn auch Sie in „DJZ vor Ort“ vorgestellt werden wollen, melden Sie sich unter E-Mail: hans-joerg.nagel@paulparey.de oder postalisch: DJZ, z.H. Hans Nagel, Erich-Kästner-Straße 2, 56379 Singhofen. Von Januar bis Dezember besuchen wir Jäger, die etwas zu erzählen haben. Seien es besondere jagdliche Vorlieben, ungewöhnliche Hegemaßnahmen, karitative Engagements oder einfach nur besondere Typen. Eins ist stets gewiss: Jedes Porträt ist ein kleines Abenteuer.

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