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Weitschüsse

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Editorial DJZ 4/2016
 

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Haben Sie Interesse daran, mal so richtig anspruchsvoll zu jagen?“, fragte mich der namibische Eigentümer einer Jagdfarm während der diesjährigen Fachmesse „Jagd & Hund“ in Dortmund. Neugierig geworden, warf ich auf. Denn zum Schönsten, was ich erlebte, gehört das schweißtreibende Ausgehen der Gesundfährte eines Kudus im Dickbusch. „In meinem Revier habe ich viel zu viele Springböcke. Wir müssen reduzieren.” „Ja und? Was ist daran jagdlich anspruchsvoll?“, fasste ich nach. „Die Entfernung,“ antwortete der Vermittler, „wir schießen das Wild auf eine Entfernung von über 300 Metern.” Mir klappte der Unterkiefer runter …
Und dann kam es richtig dicke: Auf dem Pressestammtisch der Nürnberger IWA (siehe auch Seiten 90 bis 93) pries Matthias Vogel, Senior Vice-President (zu deutsch: Ressortleiter) Marketing der RUAG das neu entwickelte Geschoss RWS Speed Tip Professional im Kaliber .338 Lapua Magnum an. Er versicherte uns Zuhörern, dass man als versierter Schütze mit dieser „Wunderpille“ auf gut 500 Meter weidgerecht Schalenwild erlegen könne. Das nach dem H-Mantel-Prinzip konstruierte Geschoss wirke, so Vogel, auf solche Entfernung einfach umwerfend.
Das mag sein. Dennoch meine ich, dass ein solches Geschoss überflüssig ist wie ein Kropf. Dafür habe ich 2 Gründe: Erstens ist Wild keine Schießscheibe. Wer Freude am sogenannten Long Range Shooting hat (Weitschießen ist der deutsche Ausdruck), möge sein Bedürfnis auf entsprechenden Schießbahnen und mit Pappscheiben ausleben.
Zweitens gehört für mich unabdingbar zum weidgerechten Jagen, dass Gams oder Rothirsch, Springbock oder Kudu eine echte Entkommenschance haben. Auf einen halben Kilometer Entfernung ist die so gut wie nicht gegeben, da die Wildtiere den Schützen gar nicht mitbekommen. Möglichst dicht heran, lautet dagegen meine Devise. Viel mehr als Scharfschützen imponieren mir Frauen und Männer, die mit Pfeil und Bogen weidwerken. Nicht wegen ihres Handwerkszeuges, sondern weil sie sehr dicht an ihre Beute müssen, um einen tödlichen Treffer zu landen. Auge in Auge mit Rehbock oder Damhirsch, bevor man ihn erlegt. Das muss unsere Devise bleiben. Denn: Nähe ist emotionaler und anspruchsvoller als Distanz.
Mit Weidmannsheil
Ihr
Dr. Rolf Roosen
Chefredakteur
 
 
 


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