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Morddrohungen nach Wolfsattacke

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10.04.2015

Ein Wald bei Lüneburg (Niedersachsen): Jäger trifft auf Wolf. Der Grauhund zeigt sich alles andere als scheu. Ein Schuss fällt.

 

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(Symbolbild: K.-H. Volkmar)
Karfreitag, kurz nach Mitternacht, Vollmond. Jäger Ralf K. sitzt bei Göhrde (Niedersachsen) auf einem kleinen Hochsitz am Feld. Sauen hatten hier in den vergangenen Tagen Schaden angerichtet. Doch in dieser Nacht kommen sie nicht.
Gegen 0 Uhr glast K. die Umgebung ein letztes mal ab. Es ist kalt und ungemütlich geworden. Wild hatte er nicht gesehen. Auch jetzt sieht er nichts, alles wirkt friedlich. K. packt seine Sachen in einen Rucksack und baumt ab. Das Gewehr lässt er zunächst oben auf dem Sitz. Unten angekommen, stellt er den Rucksack ab und beugt sich über ihn. In der rechten Tasche seines Lodenmantels hat er eine Kurzwaffe. Eine PPK im Kaliber 7,65. „Für Fangschüsse habe ich die immer dabei“, betont Jäger K. im Gespräch mit der DJZ. Seine rechte Hand greift in die Jackentasche, „damit die Pistole beim Bücken nicht herausfällt“.
Plötzlich hört er ein Atemgeräusch, eine Art lautes Hecheln, „ein Geräusch, das ich aus der Natur so noch nicht kannte“. K. dreht sich um und zuckt zusammen: Ein Wolf auf rund 10 Meter Entfernung hinter ihm im Feldgehölz!
Dem Jäger bleibt keine Zeit zum Denken. „Er kam sofort auf mich zu! Aber nicht um an mir vorbeizulaufen, sondern, um anzugreifen! Er war wie ein Schäferhund, der auf einen Beißarm losgeht“, beschreibt K. diese hochbrisante Situation. Der Schießausbilder und geübte Pistolenschütze handelt intuitiv: Er zieht reflexartig seine Kurzwaffe aus dem Lodenmantel und gibt einen Warnschuss vor sich in den Boden ab. „Da war der Wolf weniger als 3 Meter vor mir! Da hat man keine Zeit mehr zum Denken, man fühlt sich wie in einem leeren Raum“, schildert K. das Erlebnis, immer noch tief bewegt.
Der Schuss zeigt Wirkung: Der Wolf macht einen Schlenker und flüchtet, hautnah am Jäger vorbei, in die Dunkelheit. „Der war so nah wie ein Hund, wenn er bei Fuß geht“, betont der  Jäger und Forstwirt. „Ich kann froh sein, dass ich noch hier stehe“, fügt er hinzu.
Um 0.40 Uhr wählt er den Notruf. Doch die Reaktion der Polizei überrascht ihn: „Wir sind nicht zuständig! Wer das in so einem Fall ist, müssen sie als Forstwirt doch wissen“, habe der Polizist ihm am Notruftelefon gesagt. Dennoch kommen Beamte kurze Zeit später zum „Tatort“.
„Trotz dieses Telefonats muss ich sagen, dass die eingetroffenen Polizisten der Kriminaltechnischen Untersuchung (KTU) am seriösesten und neutralsten waren.“ Sie hätten sich ausschließlich auf die Fakten und die Ergebnisse ihrer Untersuchungen berufen. Ihre Ergebnisse stimmten mit seinen Schilderungen überein, betont K.
Nachfrage bei der Polizei in Lüneburg: Dort wird der Vorfall bestätigt. Die Kriminalpolizei habe Ermittlungen aufgenommen und sei auch vor Ort gewesen, sagt die Polizeisprecherin, Antje Freudenberg. Genaueres könne sie zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen und verwies an das niedersächsische Umweltministerium. Dunja Rose, Pressesprecherin des Ministeriums, betont, dass „dieser Vorfall sehr ernst genommen“ werde. Es seien Experten vor Ort, die Untersuchungen aufgenommen hätten und den Vorfall prüften. Über ein weiteres Vorgehen könne erst gesprochen werden, wenn nähere Erkenntnisse vorliegen würden. Die Sprecherin gibt jedoch zu: „Das war eine sehr dichte Begegnung.“
Doch die Aussagen und Taten der Behörden verärgern den Betroffenen Jäger K. Zwar seien die Beamten der KTU sehr faktenbezogen vorgegangen, die Behörden jedoch, vor allem das Umweltministerium, hätten starken Zweifel an seinen Schilderungen geäußert und „mehrmals nachgefragt, ob sich das alles wirklich so zugetragen hat“. Dabei hat Ralf K. einen Zeugen. Ein Jäger saß in einem angrenzenden Revier auch auf Sauen an und sah einen Wolf rund 30 Minuten vor dem Angriff. Dieser sei dann in Richtung des Hochsitzes von K. gelaufen.
Auch wenn Jäger Ralf K. die Frage, ob sich die Behörden eher auf Seite des Wolfes stellten, als auf seine, nicht konkret beantwortet, ist für ihn die „Tendenz klar zu erkennen“. Alleine die Tatsache, dass der Ort des Geschehens jetzt als „Tatort“ gilt, und zwar „wegen dem Schusswaffengebrauch im Zusammenhang mit einem gesetzlich geschützten Wildtier“, lässt K. den Kopf schütteln.
Doch dieser Zweifel ist nicht das Einzige, was den Jäger derzeit beschäftigt. Innerhalb von nur 5 Tagen sind bei ihm über 600 Anrufe eingegangen. Doch die wenigsten waren freundlicher Natur. „Wir kriegen dich schon“ oder: „Komm aus Deiner Hütte, dann machen wir Dich platt“, drohten die anonymen Anrufer.
Dabei hat der Jäger gar nichts gegen die Wölfe: „Ich bin nicht gegen den Wolf! Ich bin aber dagegen, dass sich so ein Raubtier in dicht besiedelten Gebieten wie hier bei Göhrde ausbreitet.“
Diese Ansicht teilen offensichtlich viele besorgte Anwohner und Freunde von K. „Immer mehr Leute rufen mich an und wollen wissen, ob es noch sicher sei, in die hiesigen Wälder zu gehen“, sagt der Jäger. Da die gesamte Gegend vom Tourismus lebt und auch sein Revier als Naherholungsgebiet gilt, rechnet K. mit starken Einbußen. Auch seine Jagdfreunde und -gäste sind von dem Vorfall schwer betroffen: „Von denen möchte zeitnah erstmal keiner mehr auf den Ansitz gehen, die machen sich große Sorgen“, bekräftigt er.
Auch bei Ihm hat dieser Vorfall Spuren hinterlassen: „Ich bin vorsichtiger geworden! Bisher habe ich mein Auto immer möglichst weit weg vom Hochsitz geparkt, das wird sich jetzt ändern, das ist mir zu gefährlich!“
Fraglich bleibt, was mit dem Wolf passieren wird. Die Ministeriumssprecherin gab dazu keine Auskunft. Man müsse prüfen, ob es sich um einen verhaltensauffälligen Problemwolf handele. Erst dann könnten weitere Maßnahmen veranlasst werden, sagte sie zurückhaltend.
Auch Ralf K. vermag es nicht zu beantworten, was mit dem angriffslustigen Wolf jetzt geschehen soll. Für ihn steht jedoch fest: Ein Wolf so nah am Menschen in dicht besiedeltem Gebiet: „Das darf einfach nicht sein.“
 
Von Sebastian Jakob
 


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