Dachs, wie ekelhaft … Nicht, wenn der Küchenmeister weiß, was er tut! Sönke Schlie ist ein erfahrener Koch, seit 2016 auch Jäger, und bereitet für seine Gäste gerne Dachs zu. Von Sophia Lorenzoni
Wildes Kochen (Fotos: Sophia Lorenzoni)
Eine geschlossene Schneedecke. Der Mond steht hell am Himmel. Auf einem abgeernteten Maisfeld steht eine Bache mit ihren Frischlingen. Küchenmeister Sönke Schlie pirscht sich langsam heran. An einem Baum macht er halt. Dort streicht er an und lässt die Kugel aus seinem Drilling fliegen. Der Schuss gilt einem der Frischlinge.
Doch was ist das? Die Stücke springen ab. Der Jungjäger ist verwundert. Hat er gefehlt? Als er zum Anschuss kommt, macht sich Erleichterung breit. Der Schweiß hebt sich eindeutig vom weißen Schnee ab.
Der Jäger folgt der roten Spur. 100 Meter ist der gescheckte Schwarzkittel trotz sauberen Schusses noch gelaufen. Die Schwarte der 35-Kilo-Sau hat Schlie als Andenken behalten. In dieser Woche stand Schwarzwild auf der Karte der Gaststätte. Es muss ja nicht immer Dachs sein.
Wieso Dachs?
Alles begann, als eine Gruppe Gäste das Lokal zum Weißen Ross betrat und nach einem außergewöhnlichen Gericht fragte. Ein befreundeter Jäger hatte damals vorgeschlagen, dass er doch einmal Dachs auf die Karte schreiben könne. Diesen Vorschlag nahm Schlie an. Die Gäste waren so begeistert, dass sie nun 1 Mal pro Jahr zum Dachsessen nach Mölln kommen.
Den Jagdschein hatte der Koch damals noch nicht. „Eigentlich dachte ich immer, ich bin Angler.“ Da er für sein Lokal immer genügend Wild von Jägern aus der Umgebung vorhanden hatte, fehlte immer die Ambition, den Jagdschein selbst zu machen.
Selbst Wisent bekommt er aus dem Gehege in Mölln. Es gibt wenige Wildarten, die Schlie noch nicht serviert hat. Auch Schwanenpastete können Gäste bei ihm kosten.
Vom Wildkoch zum Jäger
Auch zum Angeln darf die Deutsch Drahthaar-Hündin mit (Foto: www.andershagglund.com)
Bereits als kleines Kind ging Schlie gerne angeln. Obwohl sein Großonkel Jäger war, interessierte ihn das Weidwerk weniger. Er sammelte lieber Pilze. Das war schon immer seine große Leidenschaft. Freunde und auch seine Frau animierten ihn dazu, die Jägerprüfung zu machen.
Abgelegt hat er sie im Frühjahr 2016. Seither widmet er seinen freien Tag der Jagd. Stets in Begleitung von Hündin Betti. Die Deutsch Drahthaar-Hündin gehört einem guten Freund. Sie ist im Lokal ein gerne gesehener Gast.
Das Hotel liegt an einem kleinen See. Auf der anderen Seite wohnen Hund und Herrchen. An warmen Tagen wird nicht der Fußweg oder die Straße genutzt, da wird geschwommen. Die Stärkung im Weißen Ross haben sich der Jagdfreund und sein Vierläufer dann redlich verdient.
Der 1. Bock
Nachdem Schlie den Jagdschein in trockenen Tüchern hatte, saß er häufig draußen und wartete auf seinen 1. Bock. Doch der wollte nicht so wirklich. Der Küchenmeister stieg mit einer langen Durststrecke ins Jägerleben ein. Es ist eben doch etwas anderes, ob das Wildbret in die Kühlkammer geliefert wird, oder ob es der Koch selbst erbeutet.
Nach vielen Ansitzen hat es dann geklappt: Zwischen Obstbäumen fällt der 1. Bock des Jungjägers (Foto: Privat)
Aber eines Tages glaste Schlie die Obstbaumreihen im Revier seines Freundes ab. Und was sah er da? Einen Bock. Doch auch der wollte nicht gleich breit stehen und machte es spannend. Er hatte sich gemütlich im Gras niedergetan.
Auch auf Pfeifen und ein paar Fiepser auf einem Grashalm reagierte er nicht. Erst als ihn der Grünrock laut anbellte, wurde es dem Roten zu bunt. Dann ging es ganz schnell. Der Bock stand breit, und Schlie ließ die Kugel fliegen.
Nachdem er seine Geschichte erzählt hat, fügt er noch hinzu: „Jagd ist für mich reine Lebensmittelbeschaffung.“ Da spricht wohl der Koch in ihm.
Berauschendes Geschmackserlebnis
Schlie hat sich gut auf den Besuch der Redaktion vorbereitet. Der Dachs liegt bereits in der Kühlung, und die Trichinenuntersuchung ergab keine Auffälligkeiten. Also ab in den Kochtopf beziehungsweise den Fleischwolf.
„Wichtig ist, dass das Fleisch sauber geputzt wird“, betont der Koch. „Sehnen und Feist schmecken weniger gut, ja, teilweise ekelerregend.“
Sieht auch nicht anders aus als Hackfleisch vom Rind. Das Aroma unterscheidet sich aber wesentlich (Foto: Sophia Lorenzoni)
Erst hatte er keine Ambitionen, den Jagdschein zu machen. Nun war der Koch sogar schon auf Elchjagd (Foto: Privat)
Mit geschickten und schnellen Fingern wird der junge Dachs zerlegt. Nebenher gibt’s ein paar Infos, worauf zu achten ist. Das Stück sollte vor allem jung sein. Am besten schmecken Fähen. Die Rüden werden schnell zäh, und auch das Aroma wird penetrant.
Während das Dachs-Hack vor sich hin brutzelt, breitet der Koch mit geübten Händen den Teig auf einer Tischdecke aus. „Er muss so dünn sein, dass wir die DJZ hindurchlesen können“, sagt der Koch und lacht.
Beim Befüllen des Strudels läuft mir bereits das Wasser im Mund zusammen. Es riecht köstlich. Aber das Gebäck muss nun erst noch einmal in den Backofen. 20 Minuten später kommt der Strudel dampfend aus dem Ofen. Noch etwas frisches Gemüse dazu, dann darf ich zuschlagen. Der Strudel schmeckt einzigartig. Das Fleisch hat ein eigenes Aroma, aber nicht zu aufdringlich.
Ganz gemütlich sitzen wir auf der Terrasse des Hotels und genießen die Sonne sowie das leckere Essen. Eines weiß ich: Wenn ich das nächste Mal in der Nähe von Hamburg bin, werde ich dort wieder einkehren. Und wer sich selbst an den Dachs traut, für den haben wir das Rezept vom Dachskoch bekommen.
Den nächsten erlegten Dachs also nicht entsorgen, sondern ein leckeres Gericht zaubern. Sie werden begeistert sein!
DJZ bei Ihnen vor Ort
Wenn auch Sie in „DJZ vor Ort“ vorgestellt werden wollen, melden Sie sich unter E-Mail: hans-joerg.nagel@paulparey.de oder postalisch: DJZ, z.H. Hans Nagel, Erich-Kästner-Straße 2, 56379 Singhofen. Von Januar bis Dezember besuchen wir Jäger, die etwas zu erzählen haben. Seien es besondere jagdliche Vorlieben, ungewöhnliche Hegemaßnahmen, karitative Engagements oder einfach nur besondere Typen. Eins ist stets gewiss: Jedes Porträt ist ein kleines Abenteuer.