Revierjagdmeister Thomas Bialas zeigt, was der Erntemonat des Niederwild-Jägers in der Jagdpraxis bringt und fordert.
Von Thomas Berner-Bialas
Nach jedem einzelnen Treiben gibt es einen Streckenbericht. |
Der November ist der Erntemonat des Niederwild-Jägers. Jetzt darf nach der arbeits- und zeitaufwendigen Hege der vergangenen Monate das abgeschöpft werden, was trotz der immer intensiver genutzten Kulturlandschaft noch als Überschuß an Niederwild reproduziert wurde.
Jeder Revierbetreuer kennt seit Ende Oktober den ungefähren Wildbesatz und den diesjährigen Zuwachs. Bereits jetzt hat er entschieden, wieviel geschossen werden darf, um einen nachhaltigen Wildbesatz zu erhalten. Dabei gebietet es der Anstand gegenüber den geladenen Gästen, daß von jedem Schützen mindestens ein bis zwei Stücke Wild gestreckt werden können. Das heißt in der Praxis der Durchschnittsreviere, daß zu einer zu erwartenden Strecke von 15 bis 30 Stück Wild nur maximal 15 Schützen geladen werden.
Ich weiß: Die traditionell nicht so gut besetzten Niederwildreviere wollen trotz geringer Strecke gerne Gesellschaftsjagden durchführen. Wenn aber eine Jagdgesellschaft – bestehend aus 20 und mehr Schützen mit einer Korona aus 25 Treibern und Hundeführern (die auch oft Schützen sind) und entsprechend vielen Kraftfahrzeugen – am Treibjagd-Ende an einer Strecke von ein bis fünf Kreaturen steht, fragt sich jeder kritische Zeitgenosse nach dem Sinn solchen Handelns.
Nun, diese Fragen muß sich ein jeder selbst beantworten. Für das Ansehen der Jägerschaft spricht jedenfalls, wenn wir nicht in den Augen der Bevölkerung den “letzten Hasen” schießen.
Wir können in unserem Revier aufgrund der Wilderfassung eine Strecke von bis zu 70 Hasen und 60 Fasanen erwarten. Dazu kommen noch Kaninchen, Ringeltauben, Stockenten und eventuell der Fuchs. Jeder Schütze hat so die Aussicht, sechs bis sieben Stücke Wild zu erlegen.
Organisation
Nicht nur der Wildbesatz, auch der Ablauf der Jagd entscheidet über einen gelungenen Treibjagd-Tag. Eine laut grölende, ungeordnete Treiberwehr kann jedes noch so gute Treiben zum Mißerfolg werden lassen. Falsch und unüberlegt angestellte Schützen gefährden die Jagdgesellschaft oder haben im besten Fall nur einen schlechten Stand gehabt.
Eine Jagdgesellschaft am Treibjagd-Tag zu leiten, ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. Sie kann nur von einem erfahrenen und verantwortungsbewußten Jagdleiter übernommen werden. Trotz guter Vororganisation wird er am Jagdtag noch alle Hände voll zu tun haben und wird zwischen vielen Stationen (zum Beispiel: Wildwagen, Treiberwehr, Schützen, Hundeführer) pendeln müssen. Wer seiner Aufgabe als Jagdleiter gerecht werden will, läßt am besten die eigene Flinte an diesem Tage im Schrank.
Schützenstände
Das Ausstecken der Treiben, mit einem farbig markierten Holzstab von etwa einem Meter Länge, für jeden Schützenstand, erleichtert dem Jagdleiter und den Anstellern der Schützen ihre Arbeit und trägt in hohem Maße zur allgemeinen Sicherheit bei. Für den niemandem zu wünschenden Fall eines Jagdunfalles bedarf es im nachhinein keines “Wenn und Aber”, um den Stand des Unglücksschützen zu rekonstruieren. Die Anschaffung der Stöcke ist einmalig und kostet etwa 80 Mark für 200 Pflöcke. Als Farben haben sich gelb und rot bewährt. Zusammen lassen sie Kombinationen zu. So kann der rechte und linke Schützenflügel unterschiedlich markiert werden, oder zwei dicht beieinander liegende Treiben werden andersfarbig ausgesteckt.
Jagdart
In den letzten Jahren hat sich das Vorstehtreiben mehr und mehr durchgesetzt. Kleiner werdende Reviere und Niederwildbesätze lassen eine alte Jagdart, das Kesseltreiben, praktisch nicht mehr zu. Das richtig durchgeführte Vorsteh-treiben gewährleistet in heutigen Revieren die bessere, tierschutzgerechtere Schußabgabe. Dabei kommt das Wild bei dieser Art des Jagens zum Jäger.
Die Schützen haben eine exakte Entfernung zueinander und einen festen Stand.
Zusätzlich ist eine leise und langsam geführte Treiberwehr verantwortlich für nicht zu schnell anlaufende Hasen, die entsprechend besser getroffen werden. Wir konnten in den letzten zwei Jahren bei gleichen Schußergebnissen die Anzahl der Nachsuchen beim Hasen allein durch eine Umstrukturierung der Treiberwehr um die Hälfte reduzieren.
Auch das vielfach gehörte Argument, bei Treibjagden kann nicht selektiv gejagt werden, trifft für unsere Vorstehtreiben nicht zu. Die Streckenauswertung der vergangenen Jahre ergab für den Hasen einen Anteil von zwei Dritteln Junghasen zu einem Drittel Althasen und somit ein tatsächliches Abschöpfen des Zuwachses. Damit ist auch eine Kontrolle zum gezählten Wildbesatz beziehungsweise Zuwachs gegeben.
Vorstehtreiben
Der Revierablauf eines Vorstehtreibens am Jagdtag: Eigenheiten anderer Reviere können leicht von jedem Jagdleiter angepaßt werden. Dabei setze ich die beschriebenen organisatorischen Vorbereitungen als bekannt voraus. Die den Unfallverhütungsvorschriften entsprechenden Personenwagen fahren getrennt. Der Schützenwagen fährt mit den Schützen, den Hundeführern und Bläsern der Schützenlinie bis zum mittigen Zusammentreffen des rechten und linken Schützenflügels. Hier steigen alle ab.
Hundeführer und Bläser sind eingewiesen und beziehen selbständig ihre Plätze. Sie sind so verteilt, daß sie das gesamte Geschehen überblicken können, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Die Ansteller des rechten sowie des linken Flügels weisen ihre Schützen der Reihe nach ein, um am Ende selbst den letzten Stand einzunehmen.
Die Stände selbst sind so ausgepflockt, daß der Abstand zum Nachbarschützen 35 Meter beträgt. Diese Entfernung erscheint zuerst gering; berücksichtigen wir aber, daß Hasen nur nach Passieren der Schützenlinie nach außen geschossen werden, beträgt die Diagonale zu den Schützen schnell 45 Meter und mehr. Die Hasen, die die Schützen anlaufen, sollen auf Schrotschuß-Entfernung getroffen und erlegt werden. Nachsuchen müssen die Ausnahme darstellen.
Was für den Hasen gilt, trifft auch auf den Fasan zu. Deswegen werden die Schützenstände im Bereich von Hecken und Feldgehölzen im Abstand von 35 Metern zum Bewuchs ausgesteckt. Der im Treiben hochgebrachte Fasan fliegt mit dem Wind über das Hindernis und kann sicher von vorn in waidgerechter Schuß-Entfernung geschossen werden, ohne daß ein Schütze “Überkopfverrenkungen” anstellen muß.
An den Feldrändern (linker Flügel) stehen die Flankenschützen dagegen direkt am Bewuchs. Durch ihre Gestalt sind sie praktisch selber das zu überfliegende “Hindernis”, aber ohne Einschränkung ihres Schußfeldes. Die Aussichten, hier zusätzlich Kaninchen zu erlegen, steigen durch die Position an der Felddeckung.
Es ist darauf zu achten, daß die rechte und linke Flanke nicht zu lang am Treiben abgestellt ist. Die Front muß den Hauptteil der Schützen stellen. Zeitgleich mit dem Schützenwagen fährt der Treiberwagen mit den Treibern und den verbliebenen Bläsern zum Beginn des Treibens. Der Treiberführer weist Bläser und Treiber ein. In der Treiberwehr befindet sich keine Flinte!
In Ausnahmesituationen können ausschließlich Kaninchen in der Treiberwehr freigegeben werden, ansonsten kann alles Wild unbeschossen nach hinten und zu den Seiten ausbrechen. Alle Personen der Treiberwehr tragen entsprechende Warnkleidung!
Anblasen:Nachdem alle Schützen ihre Plätze eingenommen haben, wird das Treiben von einem Bläser der Schützenlinie angeblasen. Die anderen Bläser stimmen dazu ein. Nach dem Anblasen darf geschossen werden, und die Treiberwehr setzt sich in Bewegung. Der Treiberführer hat jetzt die wichtigste Aufgabe. Er muß auf Richtung achten und das Treiben langsamer oder schneller gestalten. Bei aufstehenden Fasanen wird grundsätzlich ruhig stehengeblieben, bis diese über die Schützenlinie gestrichen sind. Wenn die Treiber die letzten Stände der Flankenschützen erreicht haben, wird nochmals angehalten und die Treiberbläser geben das Signal “Treiber rein”.
Von nun an darf generell nicht mehr in das Treiben geschossen werden. Die Treiber bewegen sich weiter bis zur Schützenfront, wo der Treiberführer das Signal zum Abblasen gibt. Erst jetzt verlassen die Schützen ihre Stände. Das gilt besonders für die rechten und linken Flankenschützen.
Die Unsitte, nach Passieren der Treiberwehr zum Nachbarschützen aufzurücken oder, noch schlimmer, mit in die Treiberwehr einzurücken, darf sich nicht einbürgern. Jeder Stand ist bis zuletzt ein guter Stand.
Flinten in der Treiberwehr zerstören dagegen einen Hasenbesatz! Jeder Schütze hat vielmehr die Pflicht, sich nach Beendigung des Treibens mit den Hundeführern zu verständigen, ob alles Wild gefunden wurde. Leere Patronenhülsen und -schachteln können an den Schützenstöcken verbleiben, wo sie nach der Jagd beim Einsammeln der Pflöcke mit aufgenommen werden. Eine andere Möglichkeit ist, im herankommenden Wildwagen die leergeschossenen Hülsen zu entsorgen. Die Aufgabe des Fahrers des Wildwagens ist es jedoch, das erlegte Wild aufzunehmen, es zu versorgen und luftig aufzuhängen. Hierfür sind entsprechende Wannen und ausreichend Trinkwasser mitzuführen.
Auch so mancher Jagdhund wird sich darüber “freuen”, nach schwieriger Nachsuche in den Genuß dieses Wassers zu kommen. Zur Versorgung des erlegten Wildes steht ausreichend Zeit bis zur Beendigung des nächsten Treibens zur Verfügung. Je nach Witterung muß das vormittags erlegte Wild bis zum abendlichen Legen der Strecke einer Kühlung zugeführt werden.
Streckenbericht: Der Jagdleiter und der Treiberführer bekommen nach jedem Treiben einen Streckenbericht. Hierdurch ist der Treiberführer in der Lage, nach dem vorletzten Treiben steuernd auf den Hasenbesatz im letzten Treiben einzuwirken. Sind beispielsweise bei Beginn des letzten Treibens bereits 60 der angestrebten 70 Hasen zur Strecke gekommen, so hat der Treiberführer die Möglichkeit, seine Treiber anzuweisen, den einen oder anderen Hasen in der Sasse liegen zu lassen.
Dieses Vorgehen praktizieren wir so seit einigen Jahren und kommen dann eben auch auf 67 erlegte zu 70 angestrebten Hasen. Mit der oben beschriebenen Art des Vorstehtreibens schließen wir sicher eine Überjagung aus. Ein bis in alle Einzelheiten gelungener Jagdtag für alle Beteiligten schließt selbstverständlich mit dem sauberen Legen der Strecke und der anschließenden Verwertung des erlegten Wildes zum Lebensmittel ab.Foto: Thomas Berner-Bialas
Am Ende der Jagd wird sauber die Gesamtstrecke gelegt. |
Vorstehtreiben