Sauer eröffnete eine neue Runde im Preiskampf. In der Mittelklasse rangiert die 100 sozusagen als kleine Schwester der 101. 1.190 Euro kostet die Version mit Kunststoffschaft. Wie sie sich anfühlt und was sie auf der Scheibe kann, hat die DJZ ausprobiert. Von Peter Diekmann
(Fotos: Hersteller)
Die Amerikanisierung ist vielerorts spürbar. Selbst im Waffenmarkt ist sie eingekehrt. War vor wenigen Jahrzehnten noch der Drilling die Universalwaffe des deutschen Jägers, ist es heute der Repetierer.
Längst haben dabei amerikanische sowie skandinavische Waffenhersteller den deutschen Markt für sich entdeckt. Aufgrund der hohen produzierten Stückzahlen, aber auch, weil sie auf Extras wie Handspannung, Geradezug oder Lochschaft verzichten, bieten sie Büchsen in hochwildtauglichen Kalibern zu günstigen Preisen (500 bis 1.500 Euro) an. Der anvisierte Kundenkreis: Jungjäger, Preisbewusste sowie Weidleute, die eine Alltagswaffe fürs Grobe suchen.
Dass deutsche Waffenhersteller dieser Entwicklung nicht tatenlos zusehen, war zu vermuten. Mauser ging mit der M 12 einen Schritt in Richtung preisliche Mittelklasse, ebenso Sauer mit der 101. Doch damit ist noch lange nicht Schluss. Zur Shot Show und IWA 2016 präsentiert Sauer ein neues Modell, dass nun bereits bei 1.190 Euro startet: die Sauer 100. Sie wird in 2 Schaftversionen angeboten: Die Ausführung mit Kunststoffschaft ist für günstige 1.190 Euro zu haben, die Holzausführung gibt’s für 1.340 Euro. Zum Vergleich: Die große Schwester Sauer 101 XT (Kunststoffschaft) startet bei 1.577 Euro.
Wenig Auswahl
Das Baukastenprinzip trifft bei der 100 nicht zu. Es gibt keine Wechsellaufmöglichkeit, und die angebotenen Extras sind überschaubar. In der Liste der „aufpreispflichtigen Extras“ finden sich lediglich ein Mündungsgewinde (158 Euro) sowie Visierungen (Standard 34 Euro, Semi Auto 54 Euro). Zwar sind Holz- und Kunststoffschaft grundsätzlich miteinander austauschbar. Doch ist mehr als fraglich, ob potenzielle Kunden Holz- und Kunststoffschaft für ein und dieselbe Waffe besitzen wollen.
Grundsätzlich basiert die 100 auf der 101. Allerdings mit kleinen, aber feinen Unterschieden. So ist der Lauf beispielsweise nicht eingeschrumpft, sondern geschraubt. Mit der entscheidendste Unterschied liegt aber in der Sicherung. Befindet sich diese bei der 101 als Schieber auf dem Schlösschen, ist sie bei der 100 seitlich als 3-Stellungs-Sicherung angebracht. In hinterster Stellung sind Abzug sowie Kammerstengel blockiert, in mittlerer lediglich der Abzug, in vorderer Stellung ist die Waffe entsichert.
Das herausnehmbare Kunststoffmagazin fasst 5 Patronen in Mediumkalibern sowie 4 in den Kalibern 7 mm Rem. Mag. und .300 Win. Mag.
Beim Thema Sicherung trennt sich hier also die Spreu vom Weizen: Wer auf Nummer sicher gehen will und zumindest eine Schlagbolzensicherung haben möchte, wird zur 101 greifen müssen. Bei der 100 ist lediglich der Abzugsstollen gesichert.
Weitere Unterschiede
Auch beim Verschluss bietet die 100 die „Light-Version“ in puncto Sicherheit: Anstelle von 6 Verschlusswarzen (Sauer 101), findet man hier nur 3. Der Zylinderverschluss verriegelt nicht im Lauf, sondern in der Hülsenbrücke.
Schaut man sich die Hülse genau an, fällt auf, dass auch sie in ihren Grundzügen der 101-Schwester gleicht, allerdings ohne geschwungene Linien. Sie wirkt eher kantig. Keine Experimente bei der Laufbettung: Hier werden dieselben Wege beschritten wie bei der hausinternen Konkurrentin 101.
Verstellbarer Abzug
Eine Besonderheit weist der jüngste Allgäu-Spross auf: Er verfügt über einen verstellbaren Abzug. Allerdings nicht die aus der 404 bekannte Luxusversion. Lediglich das Abzugsgewicht ist verstellbar, und zwar von 1.000 bis 2.000 Gramm. Im oberen Bereich des Abzugszüngels befindet sich eine Öffnung, in die der mitgelieferte Inbusschlüssel eingeführt wird. Denkbar einfach kann hier nun das Abzugsgewicht stufenlos verstellt werden.
Eine Besonderheit der „100“ ist der verstellbare Abzug. Von 1.000 bis 2.000 Gramm reicht das Abzugsgewicht
Der Direktabzug löste ohne spürbaren Weg aus. Für meinen Geschmack mussten wir den Widerstand ans untere Ende der Skala regulieren. So löste der Abzug fein genug aus, um von einem sauberen sowie praxisnahen Abzug sprechen zu können.
Auf dem Schießstand
Zur ersten Inaugenscheinnahme von Sauers Neuerscheinung trafen wir uns in Ulm auf einem der modernsten „Indoor-Schießstände“ Deutschlands. Sauer hatte ich darum gebeten, auch eine 101 als Vergleichsmodell mitzubringen. Beim Kunststoffschaft fällt auf, dass bei der 100 die „Soft Touch“ genannte Beschichtung fehlt. Außerdem besitzt der Schaftrücken kurz vor der abschließenden Gummischaftkappe beidseitig eine geschwungene Einbuchtung. Dies ist mehr eine Designlösung, als dass es einen praktischen Nutzen hätte. Die grobe Fischhaut bietet einen guten Halt, der vermutlich auch im nassen Zustand vorhanden ist.
Die 3-Stellungs-Sicherung der Sauer 100 befindet sich rechts neben dem Schlösschen. Vorsichtig bedient, ist sie lautlos, sperrt aber lediglich denAbzugsstollen
Eine weitere Besonderheit findet sich bei der etwas teureren Holzschaft-Variante. Und zwar setzt Sauer in diesem Fall auf eine andere Holzart. Das seit jeher als besonders fest und schön geltende Nussbaumholz wurde bei der „100“ durch Buchenholz ersetzt, das extra dunkel gebeizt wurde. Ein echter Hingucker, da der neue Repetierer aus Isny dadurch ein ganz neues Finish erhält.
Feuer frei
Sauers neuestes Modell ist in folgenden Kalibern erhältlich: .222 Rem., .223 Rem., .243 Win., .270 Win., .308 Win., .30-06 Springf., 6,5 Creedmoor, 6,5 x 55, 8 x 57 IS, 9,3 x 62 sowie den Magnumkalibern 7 mm Rem. Mag. und .300 Win. Mag.
Aus meiner Sicht ist es eine bedauerliche Entwicklung, dass weder die 7 x 57 noch die 7 x 64 als Standardkaliber erhältlich sind. Auch hier hat die Amerikanisierung Einzug gehalten, wie die hohe Anzahl erhältlicher US-Kaliber eindrücklich beweist. Doch Sauer folgt hier lediglich der Marktnachfrage, und gegen all diese Kaliber ist zudem nichts einzuwenden.
Der in Standardkalibern 560 Millimeter lange Lauf hat einen Durchmesser von 16,5 Millimeter. Der handliche Repetierer kommt damit auf eine Länge von knapp 110 Zentimeter.
Die Testwaffe war im Kaliber .308 Win. eingerichtet. Für den Präzisions-Test hatte Sauer 2 Laborierungen im Gepäck: RWS Doppelkern, 10,7 Gramm sowie RWS Cineshot, 9,5 Gramm. Gleich die 1. Gruppe (5 Schuss auf 100 Meter) mit dem DK-Geschoss erbrachte einen zufriedenstellenden Streukreis von 29 Millimeter. Für mich ausreichend genug, um keinen 2. schießen zu müssen.
Direkt danach wurde die Cineshot verschossen. Doch diese Umstellung gefiel dem Lauf überhaupt nicht, ebenso wie mir der Streukreis. Es folgten demnach 2 weitere 5-Schuss-Gruppen, die den Streukreis dann auf 38 Millimeter senkten. Fürs Schießkino allemal ausreichend, und für nichts anderes ist die Cineshot gedacht.
Ins herausnehmbare Kunststoff-Magazin passen bei Mini- und Standardkalibern 5 Schuss hinein, bei den Magnumkalibern 4. Mit 1 Patrone zusätzlich im Lauf ist ausreichend Feuerkraft gegeben. Beim Repetieren muss man auf die Sauer-typische Verarbeitung nicht verzichten. Der Verschluss gleitet wie von selbst, und der Auswerfer arbeitet wie er soll: ohne besondere Vorkommnisse.
Der flache Öffnungswinkel von 60 Grad ermöglicht zudem eine flache ZF-Montage. Der Entriegelungsknopf fürs Magazin ist in einer Mulde davor untergebracht. Dort ist er gegen unbeabsichtigtes Lösen geschützt.
Montage
Geschossen wurde mit 12-facher Vergrößerung, die von einem Zeiss Conquest 3-12 x 50 ermöglicht wurde. Arretiert war dies mit der neuen Sauer Hexalock-Montage. Sie ähnelt in ihren Grundzügen der Leupold Quick Release.
Besondere Wege geht Sauer beim Holzschaft: Er wird nicht wie üblich aus Nussbaum, sondern aus Buche
Die Montageunterteile werden je mit einer Schraube auf der Hülsenbrücke befestigt. Durch bereits vorhandene Bohrungen passt sie damit ohne Büchsenmacherarbeit auf die Modelle Sauer 100, 101 sowie Remington 700.
Auf den Unterteilen befinden sich Erhöhungen, die 3 eingefräste Einbuchtungen besitzen, wodurch je 3 Federn bzw. Warzen seitlich überstehen. Hierher rührt der Name Hexalock, da mit vorderem sowie hinterem Montagefuß 6 Federn bzw. Warzen zur Verfügung stehen.
Die Montageoberteile sind das passende Gegenstück. Sie werden auf die Unterteile gesetzt und überstülpen dabei die Erhöhungen. Durch Drehen ziehen sich die Nuten der Oberteile dann über die Federn der Unterteil-Erhöhungen.
Geradezu sensationell klingt der Preis dieser Montage, der gerade einmal bei 169 Euro liegt. Wiederkehrgenauigkeit sowie Stabilität der Montage konnten in Anbetracht der kurzen Zeit auf dem Schießstand nicht überprüft werden. Dies wird in einem separaten Test in einer der kommenden DJZ-Ausgaben nachgeholt.
Für wen gemacht?
In Anbetracht des Preises fragt man sich, für welchen Kundenkreis die 100 gedacht ist und in welchem Gewässer Sauer damit wildern will? Sicher haben die Allgäuer kein Interesse an einer hausinternen Konkurrenz zur 101. Ob der Preisunterschied (387 Euro) in der Standardversion mit Kunststoffschaft dafür groß genug ist, bleibt abzuwarten. Immerhin ist die Schlagbolzensicherung der 101 gegenüber der Abzugssicherung der 100 ein echtes Plus.
Doch geht es Sauer vermutlich vielmehr darum, Waffenherstellern wie Browning und Tikka, die erfolgreich im selben Preissegment unterwegs sind, Paroli zu bieten. Und dies sowohl auf dem deutschen Markt als auch international. Selbst bei den Amis könnte dies klappen. Denn dort wird die 100 zu einem günstigeren Preis angeboten, und deutsche Wertarbeit genießt in den USA trotz ausgeprägtem Lokalpatriotismus einen guten Ruf.
Fazit
Auch wenn Sauer den Vergleich vermutlich ungern hört: Die 100 ist im Prinzip eine abgespeckte 101, die ihren Preis absolut wert ist. Die Büchse ist hervorragend verarbeitet, schießt präzise und ist außerordentlich handlich. Ein „echter“ Kampfpreis von 999 Euro hätte ihr allerdings besser zu Gesicht gestanden. Dennoch: Für preisbewusste Jäger, die beim Thema Sicherung Abstriche machen können, ist sie eine Überlegung wert!