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Die Krönung

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Editorial DJZ 11/2015
 

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Lüneburger Heide (Niedersachsen). Bewegungsjagd auf knapp 1.000 Hektar. 63 Stück Wild liegen auf der Strecke. Es wird zentral aufgebrochen. Der Brustraum eines jeden Stück Schalenwilds gespreizt und fein säuberlich mit Trinkwasser ausgespült. Dann werden Rot-, Schwarz- und Rehwild zügig in die Kühlung abtransportiert. Auf dem Streckenplatz liegen umrahmt von Tannengrün: 1 Rotschmaltier, 1 Überläufer, 1 Schmalreh sowie 1 Rotfuchs. Das war’s. Auf mein Nachfragen, warum nicht nach alter Sitte Strecke gelegt wird, begründet der Jagdleiter sein Vorgehen: Wildbrethygiene sowie das Einhalten der Kühlkette haben für ihn Vorrang vorBrauchtum.
Zweifellos muss Wildbrethygiene einen sehr hohen Stellenwert im heutigen Jagdbetrieb einnehmen. Sie soll nach den Vorstellungen des Deutschen Jagdverbandes ja auch berechtigt K.o.-Fach bei der Jägerprüfung werden. Andererseits darf aber der Bogen nicht überspannt werden. Denn auch dem jagdlichen Brauchtum gebührt ein hoher Stellenwert, es ist teils uraltes Kulturgut. Das Streckelegen ist beispielsweise bereits seit dem 14. Jahrhundert belegt: Der Franzose Gaston III. (Fébus) Graf von Foix hat in einem der jagdlichen Standardwerke des Frühmittelalters bereits darüber berichtet. In Deutschland wird spätestens seit dem Barock Strecke gelegt, wie beispielsweise im „Vollkommenen Teutschen Jäger” von Hans Friedrich v. Flemming aus dem Jahre 1719 nachzulesen ist.
Das Streckelegen hat aber nicht nur eine lange Tradition. Es ist – so meine ich – das i-Tüpfelchen jeder Gesellschaftsjagd, sei sie auf Rot- und Schwarzwild oder Fasanen sowie Hasen. Denn alle Beteiligten sehen das Tagesergebnis so auf einen Blick und erfreuen sich daran. Der Jagdtag mit facettenreichen Erlebnissen und Eindrücken läuft dann noch einmal vor dem inneren Auge ab.
Eine Gesellschaftsjagd ohne Streckelegen ist wie eine Suppe ohne Salz. Bei normalem Herbst-/Winterwetter genügt sauberes Aufbrechen sowie luftige und schattige Lagerung der geschossenen Stücke. Ausnahmen bilden windstille, warme Oktobertage, an denen rasch gekühlt werden muss. Dann ist es sinnvoll, bloß symbolisch Strecke zu legen. Doch dies ist nicht der Regelfall!
 
 
Mit Weidmannsheil
Ihr
Dr. Rolf Roosen
Chefredakteur
 
 
 


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