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Hormonschübe – Rehwild im März

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Wie unsere anderen Wildarten auch unterliegt das Rehwild zahlreichen Veränderungen im Jahresverlauf. Dies wirkt sich sowohl auf die Verhaltensweisen wie auch auf die körperliche Konstitution aus. Im Folgenden steht die Entwicklung des Rehwildes im Monat März im Fokus.

Rehbock fegt an einem Ast im Wald im Spätwinter
AdobeStock/Mipa Photo

Nichts ist mehr so wie es war. Tauben und Schnepfen überwintern am Niederrhein, und die ersten Stare kamen schon Ende Januar zurück. Die Klimaerwärmung führt bei vielen Tierarten zu Verhaltensänderungen. Aber die Rehe sind sich und uns treu geblieben. Mitte des Monats finden wir die ersten Fegestellen, und die jetzt noch im Bast prahlenden Geweihe schrumpfen auf Normalmaß. Aber Rehe orientieren sich in ihrem Jahresablauf auch nicht primär an der Temperatur. Ihre Biorhythmik wird weitgehend vom Faktor Licht bestimmt. Das Licht steuert die Produktion von Hormonen, und diese sind entscheidend für alle wichtigen Prozesse wie Geweihaufbau, Fegen, Revierverteidigung, Paarungsbereitschaft und Abwerfen.

Verfrachtet man Rehe auf die Südhalbkugel der Erde, verschieben sie ihren Biorhythmus unverzüglich um sechs Monate. Böcke, die eben erst gefegt haben, werfen ab. Geißen, die gerade ins Sommerhaar wechselten, wechseln spontan wieder zurück ins Winterhaar. Eigentlich hätten die Böcke ja locker noch einen Monat Zeit, den Aufbau ihrer Geweihe fortzusetzen. Schließlich beginnt die Jagdzeit erst im Mai. Geht aber nicht, denn jeder Körper produziert eine Vielzahl von Hormonen. Hormone haben jedoch – bildlich gesprochen – unterschiedliche „Interessen“, die sie ziemlich egoistisch durchzusetzen versuchen.

Dabei kann der Körper nicht allen Hormonen ihre Wünsche gleichzeitig erfüllen. Jetzt, im Spätwinter, „streiten“ in den Körpern der Rehe Wachstums- und Sexualhormone miteinander. Während der lichtarmen Monate dominierte das für den Geweihaufbau zuständige Wachstumshormon. Aber jetzt sorgt die ansteigende Tageslichtlänge für die erhöhte Produktion von Sexualhormonen. Produziert wird in der Hirnanhangdrüse. Dabei geraten die bisher dominierenden Wachstumshormone in die Defensive. Die Zufuhr von Geweih-Aufbaustoffen mit dem Blut geht zurück. Schließlich zieht der Körper sozusagen die Notbremse, und versteift das anfangs noch relativ weiche Geweih mit Kalk. Die Basthaut wird – noch ehe sie völlig eintrocknet – abgestreift. Zurück bleiben auf dem Schädel zwei tote, völlig frei liegende Knochen, nur durch eine schlummernde Zwischenschicht mit den Rosenstöcken verbunden.

Der Jäger findet, mehrheitlich so ab der Monatsmitte, vereinzelt aber auch schon eher, die frischen Fegestellen. Früher war die Meinung verbreitet, der Jäger könne aus dem Fegedatum auf das Alter des Bockes schließen, was aber so nicht stimmt. Deutliche Unterschiede bezüglich des Fegedatums gibt es nur zwischen mehrjährigen Böcken und Jährlingen. Letztere fegen später. Natürlich fegen auch die mehrjährigen nicht alle zur gleichen Zeit. Diese Unterschiede haben aber nichts mit dem Alter zu tun, sondern mit anderen Ursachen. Für den Jäger ist die Fegezeit dennoch interessant. Die frischen Fegestellen leuchten ihm unübersehbar entgegen. Vor allem aber haben sie die Funktion von Türschildern. Das Sexualhormon produziert nämlich bei den Böcken auch „Besitzstandsdenken“ – sie werden „territorial“. Das heißt, sie beanspruchen jetzt eigene Wohnbezirke, die von ihren Artgenossen respektiert werden.

Es ist also durchaus sinnvoll, sich jetztdraußen umzuschauen und Notizen zu machen. Denn wo jetzt frisch gefegt ist, da „wohnt“ ein mehrjähriger Bock, auch wenn wir ihn später, heimlich geworden, nicht sehen! Ist der Bast abgestreift, wird dennoch weitergefegt und fest geplätzt. Beides dient der Reviermarkierung. Beim Markieren mit dem Geweih werden am befegten Holz Duftstoffe aus den Drüsen der Stirnlocken abgestreift. Das sind sozusagen die Visitenkarten, die die Böcke untereinander austauschen. Alles klar? Unmittelbar nach dem Abstreifen der Basthaut ist das Geweih noch weißlich. Darüber, wiees zu den unterschiedlichen Färbungen kommt, geistern mehrere Theorien um die Jägerstammtische.

Steht Rehböcken, die in Gattern gehalten werden, nur trockenes Astmaterial zum Fegen zur Verfügung, bleiben ihre Stangen schmutzig-hell. Können sie jedoch an grünen Zweigen fegen, werden die Stangen „braun“. Die beim Fegen erworbene Farbe lässt sich nachher auch nicht mehr abwaschen; sie sitzt in den Poren fest. Die Pflanzensäfte sind jedoch nicht alleine für die Einfärbung der Geweihe verantwortlich. Haben die Böcke nämlich erst längere Zeit nach dem Abstreifen des Bastes Gelegenheit, ihre Geweihe an grünem Holz zu fegen, werden diese zwar schmutzig, doch lässt sich die Farbe problemlos wieder blank bürsten. Offenbar nimmt nur eine poröse Oberfläche die Farbe gut an. Haben sich die Poren geschlossen, finden die in Pflanzensäften und Humus enthaltenen Farbstoffe keinen Halt mehr. Es ist wahrscheinlich, dass die Böcke ihre Stangen beim Scheuern ihrer Decken einfetten, wobei deren Poren geschlossen werden.

Die Stangenfarbe hängt primär von der Art der Pflanzen ab, an denen der betreffende Bock bevorzugt fegt. Die einzelnen Holzarten haben unterschiedliche Säfte und Gerbsäureanteile. Auchdie Knochendichte des Geweihs nimmt Einfluss auf die Farbe. Poröse Stangen werden meist dunkler als solche von hoher Dichte. „Moorböcke“ haben – bei starkem Kalkmangel oft auffallend poröse und gleichzeitig dunkle, ja fast schwarze Stangen.

Bruno Hespeler

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