Er ist der kleine Bruder vom A6. Seit vergangenem Jahr gibt es ihn in der zweiten Generation mit Facelift. Leider hat der Audi-Kombi wieder keine Niveauregulierung spendiert bekommen. Das sorgt für einen „flachen“ Eindruck abseits des Asphalts. Hans Jörg Nagel
Fotos: Hans Jörg Nagel
Es knirscht bedenklich unten herum. Scharfes Kratzen, und dann holpert’s auch noch kräftig. Die von Sauen freigelegten Steine und Wurzeln malträtieren den Unterboden zum Erbarmen. Abbruch! Ganz langsam geht’s im Rückwärtsgang wieder auf den Waldweg. Prüfung in den Sand gesetzt. Der Allroad ist zwar um 3,7 Zentimeter höher als sein „ziviler“ Bruder, aber bei einem Radstand von 2,81 Metern reichen 18 Zentimeter Bodenfreiheit eben nicht aus – zumindest für diesen Geländeabstecher. Niveauregulierung? Fehlanzeige! Schade. Die Benzinvariante des „Offroad-A4’s“ der zweiten Generation mit aktuellem Facelift (2019) muss sich im Revier beweisen.
Der „Select Drive Modus“ bietet neben „efficiency“ (sparsame Fahrt), „comfort“ (weichere Federn, leichtgängige Lenkung), „auto“ (Fahrwerk passt sich der jeweiligen Situation an), „dynamic“ (Gasannahme, Motorsound) auch „offroad“ (Luft- und Dämpferregelung) an. Das ist ganz nett, bringt aber gegebenenfalls nur Vorteile, was die Achsverschränkung angeht. Ernstzunehmender Offroad- Betrieb ist nicht seins. Immerhin arbeitet die Traktionskontrolle am Wiesenhang ordentlich. Trotz feuchten Grüns klettert der Audi problemlos bergauf. 370 Newton- meter Zugkraft sind für einen Benziner sehr ordentlich. Auch sein Ladevolumen von rund 500 Liter – bei umgelegter Rückbank kommen 1.000 Liter hinzu – ist reviertauglich. Aber das war’s dann schon. Nein, der Allroad ist keine ernstzunehmende Revierkutsche. Er gehört auf Asphalt.
Platz ist da: Der KlM liegt bequem, und es passen zudem noch Kirreimer rein
Pfeilschnell und saubequem
Hier sieht die Sache natürlich ganz anders aus. Der Turbo- direkteinspritzer mit seinen vier Brennkammern bringt satte 245 Pferde auf die Straße. In 6,1 Sekunden peitscht die 2-Liter-Maschine den Kombi von 0 auf 100 km/h. Am Ende kraxelt die Tachonadel bis auf 246 km/h hoch. Nach Werksangaben kommt der Ingolstädter mit 6,6 Liter Super auf 100 Kilometer aus. Im kombinierten Betrieb (Straße, Revier, Stadt) brauchte der Testkandidat allerdings 8,5 Liter.Präzise Lenkung, butterweiches 8-Gang-Automatikgetriebe, direkte Gasannahme, zupackende Bremsen sowie individuell einstellbare Ledersitze runden das Bild ab: Der A4 ist genial für Überland- und Autobahnfahrten.
Drehrad wurde rausgeschmissen
Für entspanntes Cruisen sorgen auch die vielen Assistenzsysteme. Von Abschaltautomatik bis Spurhalte-, Abstands-, Park- sowie Verkehrszeichen- assistent ist im Testwagen alles verbaut. Das individuell einstellbare Head-up-Display projiziert Navi-Infos, Warnhinweise und Fahrgeschwindigkeit auf die Windschutzscheibe. Prima ist auch, dass im neuen A4 auf das Drehrad verzichtet wurde. Es war im Vorgängermodell in der Mittelkonsole verbaut, und damit konnte das eingestellt werden, was auch über den Touchscreen steuerbar war.
Innen alles schick und edel. Blickfang: der 10,1-Zoll-Multimedia-Monitor
Überflüssig. Jetzt tippt der Autolenker auf dem 10,1 Zoll großen Multifunktionsdisplay herum, um Navigation, Fahrzeug- oder Multimediaeinstellungen vorzunehmen. Selbst eine Wetter- App ist darüber abrufbar. Alternativ bleibt immer noch die Sprachsteuerung oder Einstellungen über das Multifunktionslenkrad.
Kernige Optik, edles Design
Zum Schluss Außen- und Innenansicht. Großer Grill, böser Blick und schnittiger Zuschnitt prägen die Fahrzeugfront des Testkandidaten. Die Schürzen hinten und vorne sind aus festem Kunststoff, die Kotflügel- verbreiterungen farblich abgesetzt. Innen alles auditypisch edel. Graue Holzoptik sowie braunes Leder sorgen für gehobenes Ambiente. Ablageflächen sind in allen Größen vorhanden. Zusammengefasst: Auch der kleine Kombi aus Ingolstadt ist eigentlich das, für was die Kombi-Modelle von Audi im Volksmund stehen: ein Vertreterauto für lange Strecken. Offroadtauglichkeit nahe Null. Aber dem Grünrock, der auf ordentlichen Wirtschaftswegen durchs Revier fährt und hin und wieder Werkzeug oder Wild transportiert, kann er durchaus empfohlen werden. Sofern er das nötige Kleingeld hat.
Der kernige Eindruck täuscht. Im Revier kommt er zimperlich rüber
Audi A4 Allroad
Leistung: 245 PS
Hubraum: 1.984ccm
Max. Drehmoment: 370 Nm
Länge: 4,75 m
Breite: 2m
Höhe: 1,50 m
Laderaumvolumen: 500 l
Leergewicht: 1.700 kg
Bodenfreiheit: 18 cm
Wendekreis: 11,6 m
Verbrauch: 8,5 l
Höchstgeschwindigkeit: 247 km/h
Preis: ab 50.000 Euro
Preis Testwagen: 74.000 Euro