Der Unternehmer aus Hamburg war noch voller Tatendrang, auch wenn er schon so viel geschaffen hatte. Sein überraschender Tod hinterlässt eine große Lücke.
Von Hilmar Freiherr von Münchhausen
Fotos: Deutsche Wildtier Stiftung |
Mit dem Tod von Haymo G. Rethwisch verliert Deutschland nicht nur einen herausragenden Stifter im Naturschutz, sondern auch einen Visionär in Sachen Jagd. Mit der von ihm errichteten Deutschen Wildtier Stiftung wollte er nicht nur die Situation für Wildtiere verbessern, sondern vor allem gesellschaftliche Prozesse anstoßen.
„Der Schutz von Natur und Wildtieren muss in Deutschland eine vergleichbare Bedeutung bekommen, wie es Kultur und Sport haben“ – „Warum gibt es eine AOL-Arena, aber kein VW-Schutzgebiet“?! Mit derart provokanten Fragen wollte Rethwisch den Schutz von Natur in die Mitte der Gesellschaft holen.
„Wir schützen nur, was wir schätzen“
Wer mit ihm einen Spaziergang in der Natur unternahm oder zusammen auf einem Ansitz Wildtiere beobachtete, spürte sofort seine Leidenschaft und seine Liebe zur Natur. Die gleiche Begeisterung bei Kindern als den zukünftigen Entscheidern zu wecken, lag ihm besonders am Herzen. Faszination und Begeisterung für die Schönheit von Wildtieren und den Geheimnissen der Natur als Grundlage für ihren Schutz. „Nur, was die Menschen schätzen, werden sie auch schützen.“
1938 in Hamburg geboren, wuchs Haymo G. Rethwisch unter einem jagdlich passionierten Vater auf, der ein großes Niederwildrevier in der Nordheide gepachtet hatte. Er beobachtete, wie sich die Landschaft durch die Weiterentwicklung der Landwirtschaft veränderte. Er sah in seinem direkten Umfeld Birkhahn und Kiebitz verschwinden. In der Konsequenz begann Rethwisch Flächen zu kaufen und sie wildtierfreundlich zu nutzen. Und er scheute schon früh keine Auseinandersetzung mit der Landwirtschaft und der Agrarpolitik.
Unzufrieden mit den Jagdverbänden
Dies wurde auch zum Ausgangspunkt seines jagdpolitischen Engagements. Unzufrieden mit der Arbeit der etablierten Verbände baute er in den 80er Jahren mit Mitstreitern aus dem Hamburger Jagdclub den Förderkreis Jagdpolitik auf. Die Vergabe des Hamburger Förderpreises für Jagdpolitik ging an Personen, die maßgeblich zur Verständigung zwischen Jagd und Naturschutz beigetragen haben: So Loki Schmidt, Prof. Gottfried Vauk, Heinz Sielmann oder Prof. Friedrich Reimoser. Inhaltlich trieb der Förderkreis Jagdpolitik unter seiner Regie eine jagdpolitische Positionsbestimmung voran. Bereits 1993 entstand die Publikation „Wildtiere und Lebensraum – Jäger und Gesellschaft: ein Strategiepapier für die innere Mission der Jäger“.
Getrieben von der Sorge um den gesellschaftspolitischen Bedeutungsverlust der Jagd wurde schonungslos formuliert: „Ein zukunftsorientiertes Jagdwesen setzt eine stärkere ökologische Orientierung und eine Harmonisierung mit Natur- und Tierschutz voraus.“ Oder: „Die Interessen des Wildes haben Vorrang vor denen des Jägers!“ Damit war der Förderkreis Jagdpolitik seiner Zeit weit voraus. Leider wurden die Überlegungen und Forderungen des Förderkreises Jagdpolitik bei den etablierten Parteien und Funktionären nicht aufgegriffen. So wandte sich Rethwisch frustriert über den unzureichenden Reformwillen der Jäger seiner eigenen Stiftung zu, deren Errichtung ihm der Verkauf seines textilen Dienstleistungsunternehmens boco ermöglichte. Von nun an standen die Wildtiere im Mittelpunkt und nicht (mehr) die Jäger. Unter Wildtieren verstand der Hamburger immer die gesamte Fauna, nicht nur das dem Jagdrecht unterliegende Wild.
In der Wiedervereinigung Deutschlands erkannte Rethwisch sofort eine gewaltige Chance für den Naturschutz. Mitte der 90er Jahre gelang es ihm und seiner Frau Alice, das Gut Klepelshagen in Vorpommern zu erwerben. Das Gutsdorf wurde saniert, die Landwirtschaft auf ökologische und wildtierfreundliche Bewirtschaftung umgestellt und ein behutsammer Waldbau betrieben. Die Natur und ihre Tierwelt dankten es ihm schnell, und so wurde Wildtierland Gut Klepelshagen zu einem Ort größter Artenvielfalt. Diesen Prozess ließ er von der von ihm eingerichteten Forschungsstation wissenschaftlich begleiten und dokumentieren. Und er öffnete das Gebiet für Naturfreunde, die im „Tal der Hirsche“ tagaktives Rotwild ebenso beobachten konnten wie Kranich, Seeadler und Schwarzwild.
Für Rethwisch spielte die Jagd immer eine bedeutende Rolle. Zunächst in der Nordheide, wo der ebenso begeisterte wie erfolgreiche Tontaubenschütze seinem besonderen Faible für die Niederwildjagd nachging. Mit dem Erwerb von Gut Klepelshagen verlagerten sich seine Interessen mehr auf die Hege und Jagd des Schalenwildes.
Ein beliebter und gefürchteter Jagdherr
Im September 2013 streckte er in Klepelshagen seinen Lebenshirsch, der wohl überwiegend in Klepelshagen und damit unter seinen Fittichen das jagdliche Zielalter erreichen durfte. Der Jagdherr Rethwisch stellte hohe Ansprüche an sein eigenes Handeln und das seiner Gäste und Mitarbeiter. Schlechte Schüsse und das Missachten von Freigaben blieben nicht ohne Konsequenzen: Seine Worte beim Verblasen der Strecke waren gefürchtet.
Mit Haymo G. Rethwisch verliert Deutschland nicht nur eine herausragende Stifterpersönlichkeit, sondern auch einen Naturfreund und vorbildlichen Jäger.
Er wurde u.a. mit dem Bundesverdienstkreuz (2001) und dem Stifterpreis des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen (2011) geehrt. Mit der Deutschen Wildtier Stiftung hat der Hamburger Unternehmer etwas Bleibendes geschaffen. Seine Vision eines Miteinanders von Mensch und Wildtier ist für die Deutsche Wildtier Stiftung Verpflichtung und Ansporn, sein Lebenswerk fortzusetzen.