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Prominente Jäger: Steffi Nerius

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DJZ 3/2015

Olympia-Zweite in Athen (2004), Weltmeisterin in Berlin (2009) – nur 2 von unzähligen Erfolgen, die Steffi Nerius in ihrer langen Karriere einheimste. Die „Sportlerin des Jahres 2009“ hat längst den Speer zur Seite gelegt, dafür schultert sie jetzt Flinte und Büchse. Willkommen im Klub.

Von Hans Jörg Nagel

 

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Steffi Nerius: Mit dem Speer wurde sie berühmt. Nun gilt ihre ganze Leidenschaft der Jagd. Dabei darf ihre Vizsla-Hündin nicht fehlen (Foto: Hans Jörg Nagel)
Sie gehörte zur Weltspitze der Leichtathleten. Millionen Deutsche fieberten an den Fernsehgeräten mit, wenn Steffi Nerius zum großen Wurf ansetzte: Der konzentrierte Blick bildschirmfüllend, das leichte Wippen des Sportgeräts über ihrer Schulter, der schwungvolle Anlauf und dann der kräftige Abwurf.
Hoch und weit flog der Speer. Oft folgte Sekunden später das befreite strahlende Lächeln der Athletin, darauf gar ein Siegertänzchen mit National-Flagge. Wieder war eine Top-Platzierung geschafft, eine Medaille am Haken. Steffi Nerius ist unvergessen. Sie gilt noch heute als bekannteste Speerwerferin Deutschlands. Neben Olympia-Silber und etlichem WM- und EM-Metall errang sie zwischen 1984 und 2009 unzählige Erfolge. Im Jahr ihres Karriereendes wurde sie noch einmal Weltmeisterin und darauffolgend sogar „Deutsche Sportlerin des Jahres“.
 

 

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WM-Gold 2009 (rechts) war ein Höhepunkt ihrer Karriere (Foto: Hans Jörg Nagel)

Mittlerweile hat sie ihr obligatorisches Sport-Stirnband mit der grünen Jägermütze getauscht, feuert keinen Speer mehr ab, sondern Büchse und Flinte. Seit November vergangenen Jahres gehört Steffi Nerius zur „grünen Zunft“. Vom Speer zum Gewehr – kann da ein Zusammenhang hergestellt werden? „Schon als Aktive war mir bewusst, dass ich mit einer historischen Jagdwaffe Wettkämpfe bestreite. Seinerzeit habe ich zu Trainingszwecken mit meinem Sportgerät gewissermaßen auch ,jagdlich‘ geübt: Würfe auf kleine Hütchen nannte ich Niederwildjagd, Würfe auf größere Hochwildjagd. Das diente der Fokussierung“, berichtet Nerius aus ihrer Anfangszeit.

Und wird sie ihren Sportsgeist nun auch jagdlich ausleben? Die 42-Jährige: „Ja und nein. Natürlich habe ich den Ehrgeiz, durch Training meine Schussleistung zu verbessern. Aber ich habe kein Verlangen danach, zum Beispiel auf Drückjagden Jagdkönigin zu werden. Das Weidwerk ist kein Wettkampf!“

Ohne jede jagdliche Wurzel

 

 

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Die 42-Jährige warf viele Jahre lang den Speer in der absoluten Weltspitze (Foto: DLV)
„Ich komme aus dem Nichts!“, antwortet die ehemalige Weltklasse-Sportlerin auf die Frage nach ihren jagdlichen Wurzeln. Kein Papa, Opa oder Bruder war Jäger. Und sie sei sich noch bis vor kurzem sicher gewesen, dass der Sohn vom Hirsch „Bock“ heißt. Doch dann lernte sie 2010 Frank Arentz kennen und später lieben. „Der ist seit 30 Jahren Weidmann und hat mich so nach und nach mit der Jagdleidenschaft angesteckt“, bekennt sie. Die Saat war gelegt, aber der Trieb brach erst im Oktober 2013 durch.
Die Leverkusenerin erinnert sich: „Mein Freund war auf eine Drückjagd in der Eifel eingeladen. Ich begleitete ihn. Ganz alleine saß ich mit meinem Kaffeebecher auf einer Kanzel. Überall knallte es. Und dann überfiel auch noch ein 40-köpfiges Rotwild-Rudel die Freifläche vor mir. Es wurde von den Nachbarschützen ausgedünnt. Das war Spannung pur. Mein Entschluss war gefasst.“

„Waffenkunde ist Männerwelt“

Den Jagdschein machen stand nun für sie fest. Nur wann und wo? „Da ich beim TSV Bayer 04 Leverkusen als hauptamtliche Trainerin arbeite und viele Wettkämpfe begleite, ist meine Zeit sehr begrenzt. Deshalb entschied ich mich für einen Kompaktkurs.“ Den absolvierte sie in der Jagdschule „Falknerschmiede“ bei Güstrow (Mecklenburg-Vorpommern). „17 verdammt harte Tage. Der Unterricht ging täglich von 8-17 Uhr. Danach büffelte ich immer noch 3-4 Stunden.“ Probleme hatte sie dabei nur in Waffenkunde. Kaliberspezifikationen, Bauteile, Technik. Das sei eben Männerwelt, sagt sie völlig gelassen und zeigt dabei ihr fraulichstes Lächeln.

Aber auch Handhabung und Treffsicherheit mit dem Gewehr war ihr offen offensichtlich nicht in die Wiege gelegt. Deshalb schenkte Freund Frank ihr ein Training beim Schießausbilder Augustinus v. Papen. Dort hatte sie erste Erfolge auf den Kipphasen, aber auch erstes Lehrgeld zu zahlen: „Tagelang hatte ich danach blaue Flecken. Vermutlich hatte ich beim 2. Schuss die Flinte nicht richtig in der Schulter“, gibt sie freimütig zu.
Kurz und gut: Trotz einer Ehrenrunde (sie scheiterte am laufenden Keiler) klappte es dann auch auf dem Schießstand. Und Anfang Oktober nahm Nerius ihren 1. Jahresjagdschein in Empfang. „Nicht alle Sportlerinnen in meinem Verein können verstehen, dass ich nun Jägerin bin. Sie haben Probleme damit, dass Wild auch totgeschossen wird. Natürlich erkläre ich denen auch gerne die Zusammenhänge, finde es aber sehr schade, dass sich Jäger dermaßen rechtfertigen müssen.“ Das musste sie feststellen und weiß sich auch in der Athleten-Szene als Jägerin ziemlich alleine: „Meines Wissens hat nur Kugelstoßer Ralf Bartels ebenfalls den Jagdschein.“

Um die 1. Beute gebracht?

Mit dem druckfrischen „grünen Lappen“ ging es bereits wenige Tage später zur 1. Drückjagd. Die fand unweit ihrer Heimat, nahe Wermelskirchen statt. Nerius: „Das war am Hubertustag. Ich dachte, das würde mir Glück bringen.“ Dem war aber nicht so: Stundenlang verharrte sie auf ihrem Platz. Anblick: 1 Reh – und das hochflüchtig. Jägerleben eben. Auch eine darauffolgende Treibjagd bei Leverkusen brachte keinen Erfolg. Die Speerwerferin fehlte mit den Schroten einen Hasen und wurde dann noch eventuell um ihre 1. Beute gebracht: „Zwischen mir und meinem Nachbarschützen stieg eine Stockente auf. Wir schossen gleichzeitig. Der Erpel fiel leblos zu Boden.
Der Mitjäger meinte, wenn er so und so vorhalte, treffe er immer und nahm die Beute wie selbstverständlich an sich. Ich muss wohl noch einiges dazulernen.“ Auch auf dem Ansitz gelang der erfolgsverwöhnten Sportlerin bislang kein zählbares Ergebnis. Ein Fuchs war zu weit, ein Reh konnte nicht einwandfrei angesprochen werden und so weiter. Dabei zeigt sie sich mit wenig zufrieden.
 
Sie glaubt, dass sie sich jagdlich von unten nach oben zu schießen hat, vom Fuchs zum Hirsch. Und gerade Reineke hat sie in den Wintermonaten ganz gezielt im Visier: „Mein Freund möchte eine Fuchsdecke machen lassen. 16 Bälge aus seinem Revier hat er bereits. Ich möchte noch den einen oder anderen dazulegen“, setzt sich die begeisterte Golferin etwas unter Druck.
 

 

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Seit November hat die ehemalige Spitzensportlerin den „grünen Lappen“. Sie mag die Ansitzjagd (Foto: privat)

Bis zum DJZ-Interview hat Steffi Nerius noch keine Beute gemacht, und trotzdem glänzen ihre Augen, wenn sie vom Weidwerk berichtet. Was reizt sie so sehr daran? „Es ist das Naturerlebnis, gepaart mit Spannung. Ebenso ist das, was nach dem Schuss kommt, aufregend. Ich habe schon Rotwild aufgebrochen und ein frisch erlegtes Kaninchen küchenfertig gemacht. Auch das ist für mich erfüllende Jagd.“ Die Sportlerin liebt Wild, auch auf dem Teller.

Und sie wird Beute machen. An Passion fehlt es ihr nicht und auch nicht an Jagdgelegenheiten. Ihr Freund Frank hat ein Niederwildrevier bei Leverkusen, und ab April hat Nerius einen eigenen Pirschbezirk. „Der liegt bei Burscheid. Dort geht es auch ausschließlich auf Niederwild.“

„Bin absolut keine Shopping-Queen!“

Sie freut sich sehr auf das, was jagdlich noch vor ihr liegt. Ist sich aber auch darüber im Klaren, dass sie noch viel dazulernen muss. Die ehemalige Weltmeisterin steht eben wieder ganz am Anfang einer Leidenschaft. Und da ist es auch möglich, dass Ziele und Inhalte noch verschwommen sind: Sie sagt: „Ich habe zum Beispiel überhaupt kein besonderes Interesse an starken Trophäen. Oder auch Jagden in Namibia oder Russland üben Null Komma Null Reiz auf mich aus.“
Generell sei Auslandsjagd für sie ziemlich uninteressant, bis auf eine Ausnahme: „Ein Bekannter hat uns eingeladen, in seinem österreichischen Revier auf Murmel zu jagen. Darauf freue ich mich schon jetzt.“ Einen kleinen, süßen Murmel umdrehen. Rebelliert da nicht das Frauenherz? „Nein. Ich war schon als Sportlerin bei den Werfern eine Seltenheit, bin absolut keine Shopping-Queen und habe gerade mal 6 Paar Schuhe im Schrank. Noch Fragen?“ Ja, eine noch zum Abschluss: Wie heißt doch schnell der Sohn vom Hirsch? Nerius spontan: „Bock, oder?“ Und wieder lacht die Sportlegende, einnehmend und entwaffnend, wie nur sie es kann.
 


Steckbrief

 

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Steffi Nerius kam am 1. Juli 1972 in Bergen auf Rügen zur Welt. Über Volleyball wechselte sie schon im Kindsalter zur Leichtathletik und errang dort erste Erfolge. Nach einem Vereinswechsel zum TSV Bayer 04 Leverkusen folgten sportlich Krisenjahre mit Formtiefs und Verletzungen. Erst ab 2000 stellten sich die großen internationalen Erfolge ein. Einige Beispiele: 2000 Olympia-Vierte, 2003 WM-Dritte, 2004 Olympia-Zweite, 2005 WM-Dritte, 2006 Europameisterin, 2007 WM-Dritte, 2009 Weltmeisterin und deutsche „Sportlerin des Jahres“. Seit ihrem Karriereende 2009 arbeitet die Diplom-Sportlehrerin in Leverkusen als Trainerin im Behindertensport. Steffi Nerius ist seit November 2014 Jägerin. Sie lebt mit ihrem Freund zusammen und hat keine Kinder. na
 
 


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