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Rehbrunft und Blattzeit

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Wie machen es die Rehe? Noch im 19. Jahrhundert glaubte man, daß die Brunft unserer kleinsten Cerviden-Art im Spätherbst stattfindet. Heute weiß man mehr über die Fortpflanzung der Rehe.

Von Von Dr. Karl-Heinz Betz

Blattzeit
Hochbrunft beim Rehwild: Das intensive Treiben kann über mehrere Kilometer gehen. Oft ist bei dieser Hetzjagd das laute Keuchen des Bockes zu hören.

Die Rehbrunft: Wie bei allen Hirschartigen steht auch beim Rehwild die jährliche Entwicklung des Kopfschmuckes in Zusammenhang mit der Funktions-, sprich Produktionsfähigkeit der Geschlechtsorgane. Hormone sind die Akteure im Hintergrund. Daß Fortpflanzung und Wachstum des Gehörns als Imponier- und Kampfwerkzeug eng verbunden sind, ist biologisch sinnvoll.

Die Hormone

Die Hormone, die für beide Vorgänge verantwortlich sind, nämlich für das Gehörn und die Funktionsfähigkeit der Hoden, arbeiten Hand in Hand: Das Wachstumshormon Somatropin aus dem Vorderlappen der Hirnanhangdrüse ist für das Wachstum des Gehörns verantwortlich. Allerdings kann es allein nichts bewirken, sondern nur zusammen mit dem männlichen Geschlechtshormon Testosteron, das in den Hoden produziert wird.

Wir wissen, daß die Gehörne zum Teil schon im März verfegt sind. Wesentlich schwieriger ist es jedoch für den Jäger festzustellen, daß bereits im Mai die von Tag zu Tag anschwellenden Brunftkugeln des Bockes lebensfähiges Sperma produzieren. Dies muß aber in der Regel noch knapp zwei Monate warten, bis es für die Reproduktion genutzt werden kann. Denn erst Anfang Juli können die ersten Ricken aufnehmen.

Brunftigwerden der Ricken

Das Brunftigwerden der Ricken Meist werden zuerst die körperlich stärksten Schmalrehe brunftig und zeigen die entsprechenden Merkmale. Ricken, die gesetzt haben, werden erst später brunftig.

  • Das hat mit dem Setztermin zu tun: der Follikelsprung findet ziemlich genau 65 bis 69 Tage nach dem Geburtstag der Kitze statt. Deshalb scheint der Beginn der Brunft nicht so sehr vom aktuellen Wetter abzuhängen als vielmehr vom Setztermin. Der kann aber durch einen langen Winter oder früh einsetzendes Frühjahr beeinflußt werden.
  • Auch ein weiterer Faktor soll sich auf den Brunft-Beginn auswirken: die Tageslänge. Sie soll bei ziemlich genau 15 Stunden und 45 Minuten liegen, genetisch fixiert sein und für eine Art „Brunftsynchronisation“ sorgen.
  • Auch Höhen und geographische Lage beeinflußen die Brunft: Während im Flachland die Hauptbrunft zwischen dem 20. Juli und dem 15. August abläuft, verschiebt sie sich bei zunehmender Höhenlage und weiter gen Osten nach hinten. So brunften etwa Rehe im Ural erst Mitte August bis Mitte September.

    Eine Ricke ist drei bis vier Tage brunftig. Offenbar scheinen Böcke schon eine geraume Zeit vor der Brunft zu wissen, an welche Stücke sie sich zu halten haben; denn besonders häufig vergesellschaften sie sich schon relativ früh mit Schmalrehen, die ja meist als erste brunftig werden.

    Böcke, die nicht unmittelbar mit Ricken zusammenstehen oder die nicht von weiblichen Stücken aufgesucht werden, verfolgen ähnlich wie ein Schweißhund mit tiefer Nase die Fährte einer brunftigen Ricke. Und dabei wird, je nach Bestand und Revierstruktur, das ursprüngliche Territorium deutlich erweitert. Berühren Böcke dabei die Reviere anderer, so kann es bei gleicher Stärke unter Umständen zu heftigen Auseinandersetzungen kommen.

    Das Treiben

    Bei Annäherung des Bockes flüchtet in der Regel das weibliche Stück, so daß es zu einer Hetzjagd kommt, dem bekannten Treiben. Dieses Treiben kann unter Umständen über mehrere Kilometer gehen, und es wird oft von dem recht lauten Keuchen des Bockes begleitet. Bei einem Halt bewindet meist der Bock ausgiebig den Schürzenbereich der Ricke, worauf oft das Treiben, jetzt in immer enger werdenden Kreisen, fortgesetzt wird. Die Spuren dieses kreisförmigen Treibens in der Bodenvegetation sind die bekannten Hexenringe.

    Irgendwann flüchtet die Ricke nicht mehr, der Bock reitet auf, und es kommt zu einem sehr kurzen Beschlag. Allerdings kann er bis zu 20 Mal wiederholt werden. Der Bock ist danach sehr stark mitgenommen und ruht häufig erschöpft im Gras, während die Ricke ruhig daneben äst.

    Weibliche Stücke, die Kitze führen, schlagen sie zwar während des unmittelbaren Brunft-Betriebes manchmal ab, verlieren aber auch während heftigen Treibens in der Regel nie ganz den Kontakt zu diesen. Nachdem die Ricke beschlagen ist und ihre Brunft abklingt, wendet sie sich aber wieder intensiver den Kitzen zu, während der Bock nach weiteren brunftigen Stücken sucht.

    Auch Jährlingsböcke sind durchaus in der Lage, Ricken erfolgreich zu beschlagen – obwohl sie dabei unheimlich an körperlicher Kraft verlieren. Aber auch bei den älteren territorialen Böcken kann es bei ungünstigem Geschlechterverhältnis zu außerordentlichen körperlichen Beanspruchungen kommen, die unter Umständen in der kurzen Zeit im Herbst nicht wieder aufgeholt werden können. Von diesen Böcken dürfen im Folgejahr keine Wunderdinge in Sachen Wildbret und Gehörn erwartet werden. Auch diese Tatsachen sprechen wieder einmal für eine intensive Bejagung des weiblichen Rehwildes.

    Der richtige Zeitpunkt für die Blattjagd

    Je länger die Brunft dauert, desto weniger Ricken sind brunftig und desto mehr Böcke suchen nach den restlichen brunftigen Geisen. Genau dies ist der richtige Zeitpunkt für die Blattjagd. Es ist deshalb fachlich nicht zu halten, die Rehbrunft in ihrer Gesamtheit als Blattzeit zu bezeichnen, wie es in der einschlägigen Literatur unseren Jungjäger-Anwärtern immer noch weisgemacht wird: Die Blattzeit ist diejenige Phase der Rehbrunft, in der die Böcke am besten aufs Blatt springen.

    In der deutschen Tiefebene liegt das zwischen dem 5. und 15. August. Findet sich aber ein Geschlechter-Verhältnis stark zugunsten der Geißen, so wird auch der beste Blatt-Künstler große Schwierigkeiten haben, die völlig erschöpften Böcke auf den Plan zu rufen.

    Rehbrunft im November?

    Aber zurück zu unseren Altvorderen, die ja die Rehbrunft Ende November, Anfang Dezember vermuteten und das Geschehen im Juli und August als „Scheinbrunft“ interpretierten: Völlig falsch lagen sie nicht, denn Ende November können beim Rehwild schon merkwürdige Dinge geschehen.

    Da treibt ein Bock, der sein Gehörn abgeworfen hat und sich schon im Bast befindet, ein starkes Rickenkitz! Eine Situation, die heute einleuchtend erklärt werden kann. Es handelt sich um die Nachbrunft beim Rehwild: In der Brunft übergangene oder noch nicht reife Stücke (Schmalrehe), man spricht von etwa drei Prozent, werden noch einmal brunftig und lösen auch bei den Böcken Brunft-Verhalten aus. Es gibt nur ein Problem: Die Brunftkugeln produzieren kein Sperma mehr!

    Aber die Natur wußte sich zu helfen. In den Nebenhoden ist der Bock in der Lage, Samenzellen zu speichern, was in den inzwischen zurückgebildeten Hoden nicht mehr möglich ist. Diese geniale Einrichtung versetzt ihn in die Lage, im Juli/August noch nicht reife Schmalrehe, übergangene Ricken und sehr gut entwickelte Rickenkitze aus dem Mai desselben Jahres erfolgreich zu beschlagen.Foto: Stefan Meyers u. Hans-Georg Arndt

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Beschlagen der Ricke
Nach der langen Hetzjagd kommt es schließlich zum Beschlag, der sehr kurz ist, aber bis zu 20-mal wiederholt wird.
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