Mit der Flinte auf 100 Meter Wild zur Strecke bringen das wäre eine tolle Sache und würde ein neues Kapitel in der Ballistik eröffnen. Genau das verspricht der italienische Munitionshersteller Zanoletti. Norbert Klups hat die neue Double Impact” getestet und Erstaunliches herausgefunden
Von Norbert Klups
Der bunte Farbprospekt verspricht wahre Wunderdinge: Neue ballistische Erfindung: ein Schuss = zwei Schrotgarben. Für Schüsse von 30 bis über 100 Meter. Niedrige Anfangsgeschwindigkeit = niedriger Druck, jedoch hohe Auftreff-Geschwindigkeit.
Klingt schon sehr nach Star Wars und ruft reichlich Skepsis hervor. Eine Schrotgarbe, die auf 100 Meter noch zusammenbleibt? Niedrige Mündungs-Geschwindigkeit und trotzdem hohe Auftreff-Geschwindigkeit? Wie soll das funktionieren? Setzen die Italiener vielleicht Nachbrenner ein?
Die Erklärung folgt auf der nächsten Katalogseite. Die Double Impact hat nicht eine Schrot-Vorlage, sondern gleich zwei. Na ja, hätte man auch selbst drauf kommen können, sagt der Name ja schon aus. Und wie die Sache funktioniert, wird auch erklärt.
In der Hülse stecken zwei Schrotbeutel mit jeweils etwa 28 Gramm Schrot. Somit werden zwei Schrotgarben nacheinander erzeugt. Das vom ersten Zwischenmittel erzeugte Luftloch nimmt die Schrote mit sich, die von dem im Lauf zusammengedrückten ersten Zwischenmittel ausgeworfen werden. Das Ganze bildet eine lange und sehr enge Schrotgarbe.
Bei einer Entfernung von zehn Metern überschreitet diese Garbe den Durchmesser von zwei bis drei Zentimetern nicht, weil das vom ersten Zwischenmittel erzeugte Luftloch alle Schrote mit sich nimmt. Dabei wird eine beträchtliche Geschwindigkeit der Schrote auch auf große Entfernung (70-80 Meter) gewährleistet.
Auf diese Weise können Ziele auf Entfernungen getroffen werden, die zwei- bis dreimal größer sind als diejenigen, die mit einer Patrone alter Konzeption erreicht werden können. Soweit der Katalogtext.
Für Nichtballistiker übersetzt heißt das: Die zweite Schrotgarbe fliegt im Windschatten der ersten und öffnet sich erst, wenn die erste Garbe beginnt, sich stark auszudehnen und der Windschatten somit entfällt. So soll sich die Reichweite verdoppeln.
Nun haben die Italiener mit Windschatten ja reichlich Erfahrung, wenn man an die Formel 1 denkt. Klingt trotzdem zu schön, um wahr zu sein. Nachdem es auch einen Importeur für Deutschland gibt, die Firma Deurus aus Schönebeck, wurden Testpatronen beschafft.
Glück gehabt
Am Tag, als die Munition kam, war die große Taubenjagd unseres Hegerings angesetzt. Einmal im Jahr werden im Stadtgebiet Ringeltauben bejagt und das mit gutem Erfolg. 100 Stück liegen eigentlich immer auf der Strecke.
Es juckte natürlich in den Fingern, die Double Impact sofort einem Praxistest zu unterziehen. Mal so eine Taube auf 80 Meter aus dem Baum zu schießen, dürfte bei den Mitjägern schon für Erstaunen sorgen. So ganz wohl war mir aber nicht dabei, und deshalb blieb die silberne Schachtel zu Hause.
Einige Tage später war ich dann mehr als froh darüber. Auf dem Schießstand wurde die 16-Felder Schrotanschuss-Scheibe mit dem Hasen auf 80 Meter aufgebaut, was bei einigen anderen Schießstand-Benutzern nur Kopfschütteln hervorrief. Geschossen wurde mit einer Bockflinte Perazzi MX 4, zunächst aus dem Halbchokelauf.
Nach dem ersten Schuss mit der 56 Gramm schweren Double Impact waren 19 Schrote auf der Scheibe. Etwas mehr hätten es schon sein dürfen. Aber immerhin war ja etwas angekommen, und nicht jeder Lauf schießt ja gleich gut mit jeder Patrone.
Beim zweiten Schuss sah die Scheibe dann ganz anders aus. Nicht etwa, dass jetzt wesentlich mehr Schrote zu zählen waren, aber links unten war ein dickes Loch zu sehen, fast wie von einer Brenneke. Ganz eindeutig: Hier war der komplette zweite Schrotbeutel, mit Schroten drin, durchgeschlagen.
Jetzt wurden die restlichen acht Patronen aus der Schachtel in rascher Reihenfolge auf die Scheibe verschossen. Die Schrot-Treffer interessierten mich jetzt erst mal herzlich wenig. Vielmehr wollte ich wissen, ob das Lochgestanze von eben noch mal passieren würde oder ein Einzelfall war.
Nach den zehn Schuss fanden sich drei dicke Löcher auf der Scheibe: Dreimal hatte also der hintere Schrotbeutel nicht aufgemacht und war wie ein Slug durch die Scheibe geschlagen. Bei jedem dritten Schuss schießt man bei der Double Impact also nicht nur mit Schrot, sondern auch mit einem Flintenlaufgeschoss.
Im Nachhinein wurde mir ganz schön heiß. Nicht auszudenken, wenn ich damit bei unserer Taubenjagd im Stadtgebiet in die Luft geschossen hätte. Wo 28 Gramm Schrot, wohlverpackt als Klumpen in einem Plastik-Schrotbecher, wieder runterkommen, gibts reichlich Schaden. Durch ein Autodach rauscht so ein Behelfsslug glatt durch. Gar nicht auszudenken, wenn das jemand auf den Kopf bekommt.
Tendenz gleichbleibend
Die restlichen 20 Patronen wurden aus dem oberen Vollchokelauf der Perazzi und einer halbautomatischen Benelli-Flinte verschossen. Auch hier kam es sechsmal zu kalibergroßen Einschlägen auf der Scheibe. An dem einen, bestimmten Lauf hatte es also nicht gelegen.
Funktioniert die Sache wie geplant, kommen tatsächlich auf große Distanz noch Schrote an. Aus den beiden Vollchokeläufen sogar etwas mehr. Die Deckung ist aber nicht gerade berauschend. Auf 60 Meter sah es etwas besser aus, aber auch nicht gerade sehr regelmäßig.
Auf 50 Meter bringt die Double Impact dann zwar fast 80 der 3,7 mm dicken Schrote auf die Scheibe, aber hier ist eine gute 36 Gramm Patrone oder eine 40 Gramm Semi Magnum auch nicht viel schlechter. Dabei ist zu bedenken, dass die Mündungsgeschwindigkeit der Double Impact mit gemessenen 330 m/s nicht gerade hoch ist. Eine zum Vergleich gemessene Schwarze Waidmannsheil von RWS bringt hier glatt 35 m/s mehr. Die tödliche Wirkung einer Schrotgarbe hängt auch erheblich von der Aufschlagswucht ab.
Zu gefährlich für die Jagd
Die Idee ist zwar an sich nicht schlecht, aber wohl noch nicht so ganz ausgereift. Solange bei jeder dritten Patrone ein Bleiklumpen durch die Gegend fliegt, ist die Double Impact viel zu gefährlich und kann leicht zu Unfällen führen.
Wer damit auf Flugwild schießt, bringt andere in Lebensgefahr. Sie nur auf Bodenziele, etwa bei der Fuchsjagd am Luderplatz, zu führen, mag ja noch vertretbar sein. Jedoch ist das ein Lotteriespiel, weil niemand weiß, ob die zweite Garbe aufmacht oder nicht. Schlagen nur die ersten 28 Gramm auf dem roten Balg ein, ist die Wirkung viel geringer, als wenn eine normale 36 Gramm Patrone benutzt würde.
Sollte der zweite Schrotbeutel tatsächlich treffen – die Chance ist natürlich sehr gering – würde der Balg erheblich entwertet. Schon aus Gründen der Waidgerechtigkeit sollte man solche Versuche unterlassen.