Kann sich der Jäger auf die Angaben der Hersteller verlassen? Die DJZ wollte wissen, was Patronen wirklich leisten. Auf dem Prüfstand: 7×64, .308 Win. und 9,3×62
Von Norbert Klups
Die drei Kaliber .243 Win., 30-06 und .300 Win. Mag. haben wir in der DJZ 11/98 getestet. Krasse Ausreißer im ersten Test ergaben sich hauptsächlich bei den Kalibern .243 Win. und .300 Win. Magnum, wobei besonders die schnelle .300er Magnum sich als in der Praxis als gar nicht mehr so schnell herausstellte und teilweise nur unwesentlich über der .30-06 lag.
Jetzt mussten Patronen der Kaliber 7×64, .308 Win. und 9,3×62 auf den Prüfstand. Diese drei Kaliber gehören bei uns zu den meist geführten Patronen und sind universell einsetzbare Schalenwildkaliber. Die 7×64 stammt aus dem Jahre 1917 und ist eine Entwicklung des Leipziger Waffenkonstrukteurs Wilhelm Brenneke. Sie basiert auf der bereits 1912 von Brenneke vorgestellten 8×64, die sich aber nicht durchsetzen konnte. Brenneke zog lediglich den Hülsenhals auf sieben Millimeter ein und setzte die Schulter etwas zurück.
Damit gelang ihm ein ganz großer Wurf, und eine der erfolgreichsten Jagdpatronen im europäischen Raum war entstanden. Kein Wunder, dass bereits drei Jahre später die Randversion 7×65 R folgte. Von der Leistung her liegen die deutschen 7mm-Patronen nahe bei der amerikanischen .30-06 und erfüllen auch die gleichen Aufgaben.
Die .308 Winchester hat durch die Verwendung als Militärpatrone 7,62 Nato eine weltweite Verbreitung gefunden. Ihr Vorteil liegt in der kurzen Hülsenlänge, die es erlaubt, Waffen mit führigem Kurzsystem zu bauen. Durch die modernen Kugelpulver mit hohem Schüttgewicht lassen sich aus der .308 Win. erstaunliche Leistungen herausholen. Leistungsmäßig liegt sie zwar unterhalb der 7×64, doch in der Praxis spielt das keine große Rolle. Sie ist tauglich für alle europäischen Schalenwildarten, wobei die Haupteignung bei den mittelschweren Wildarten liegt. Hinzu kommt ihr hervorragender Ruf als Sportpatrone, denn der .308 Win. wird eine sehr hohe Eigenpräzision nachgesagt.
Die 9 wurde 1905 von dem Berliner Büchsenmacher Otto Bock entwickelt und war eigentlich für die Jagd in den damaligen Afrikakolonien gedacht. Die gute Wirkung auf Antilopen und sogar Großwild führten aber schnell dazu, dass die starke 9,3mm-Patrone auch auf heimisches Rot- und Schwarzwild eingesetzt wurde, zumal es kein Problem war, preisgünstige Repetierer auf Basis des Mauser 98 Systems zu bauen.
Die 9,3×62 ist eine zwar leistungsstarke, aber trotzdem sehr ausgewogene und angenehm zu schießende Patrone. Eine Zeitlang sah es zwar so aus, als ob die 9,3×62 von der stärkeren 9,3×64 verdrängt würde, doch heute ist sie die eindeutig beliebtere Patrone.
Die Auswahl der Munition
Besonders im Kaliber .308 Win. ist die Auswahl an verschiedenen Laborierungen nicht gerade klein. Jeder Munitionshersteller hat dieses Kaliber in seinem Programm und das meist noch in verschiedenen Laborierungen. Ein umfassender Test ist hier also kaum möglich.
Bei der 7 x 64 ist die Auswahl ebenfalls groß, auch wenn sich das Angebot fast ausschließlich auf die europäischen Hersteller beschränkt. Die Munitionsauswahl geschah deshalb mehr oder weniger willkürlich und hat nichts mit der Bevorzugung einzelner Marken oder Geschosskonstruktionen zu tun. Es wurde lediglich versucht, einen Querschnitt durch die großen Munitionsmarken zu erhalten und solche Patronen zu wählen, die besonders beliebt sind und deshalb von vielen Jägern eingesetzt werden. Auch das Preis/Leistungsverhältnis wurde in die Auswahl mit einbezogen, und bewusst wurden auch besonders preiswerte und besonders teure Sorten ausgewählt.
Drei Repetierer als Testwaffen
Wie beim ersten Test auch wurden drei Repetierbüchsen mit nahezu neuwertigen Läufen eingesetzt. Für die 7×64 stand eine Sauer 202 zur Verfügung, die .308 Win. wurde aus einer Sako M 591 Varmint verschossen, und die 9,3×62 zeigte ihre Leistung aus einer Heym SR 30.
Alle Waffen haben eine Lauflänge von 60 Zentimetern. Der 60 Zentimeter lange Lauf ist heute so etwas wie der Standard, obwohl ein Trend zu kürzeren Läufen zu beobachten ist und besonders Repetierer von US-Herstellern oft eine Lauflänge von 56 Zentimetern bei Standardpatronen haben. Die Herstellerangaben basieren aber auf Messläufen, die mindestens 60, wenn nicht oft sogar 65 Zentimeter lang sind.
Um hier vergleichbare Ergebnisse zu erhalten, hat es also wenig Sinn, Testwaffen mit deutlich kürzeren Läufen auszuwählen. Die Leistung müsste dann zwangsläufig geringer sein. Hat die eigene Waffe einen kürzeren Lauf, so kann „über den Daumen gepeilt“ etwa ein Wert von fünf bis acht m/s pro fehlendem Zentimeter Lauflänge vom ermittelten Ergebnis abgezogen werden, um einen vergleichbaren Realwert zu erhalten. Hier spielt das Kaliber eine gewisse Rolle. Die .308 Win. verträgt zum Beispiel kurze Läufe wesentlich besser als die 7×64.
Leistung ermitteln
Der Versuchsaufbau wurde vom ersten Test übernommen, um vergleichbare Ergebnisse zu erhalten. Die Mündungsgeschwindigkeit wurde mittels zweier hintereinander aufgebauter Lichtschrankenchronographen gemessen. Zum Einsatz kamen ein auf Infrarot-Basis messendes Gerät der Firma Mehl und ein Tageslichtchronograph mit Zusatzbeleuchtung des Fabrikats Pro Chroni.
Das Mehl-Gerät mit PC-Schnittstelle wurde direkt mit einem Laptop verbunden, um die gemessenen Werte zu speichern. So lassen sich die Durchschnittswerte einer Fünf-Schuss-Serie sowie die jeweils höchste und niedrigste V0 bequem abrufen und ausdrucken. Das lässt Rückschlüsse auf die Qualität der Patrone zu, denn eine möglichst geringe Standardabweichung ist wichtig für die Präzision.
Es wurden nur Messergebnisse verwertet, bei denen sich keine deutlichen Abweichungen zwischen den beiden Chronographen ergaben, um Fehlmessungen auszuschließen. Zur Berechnung der Mündungsenergie auf Grund der gemessenen Geschwindigkeit wurde das Programm Quick Target von Dipl.- Ing. H. Brömel benutzt.
Resümee
Im Gegensatz zum ersten Munitionstest liegen die Messergebnisse dieses Testes wesentlich näher bei den Angaben der Hersteller. Bis auf einige wenige Ausnahmen wird die von der Firma angegebene Mündungsgeschwindigkeit bei den drei Testkalibern fast erreicht, und in zwei Fällen wird sie sogar übertroffen.
Bei den jetzt getesteten Patronen 7 x 64, .308 Win. und 9,3 x 62 scheint es die Probleme wie im ersten Test, zumindest was die getesteten Patronen betrifft, nicht zu geben. Besonders die 9,3×62 zeigte sich als sehr gleichmäßig und hoch geladen. Das zeigt eindeutig: Magnumpatronen mit entsprechend hohem Pulverraum und auch den Gasdruck auf die einmal versprochene Geschwindigkeit zu bringen und trotzdem noch eine gewisse Sicherheitsreserve einzuhalten, stellt die Munitionshersteller anscheinend vor weitaus größere Probleme, als das bei den sogenannten „Standardkalibern“ der Fall ist.
Auf der einen Seite ist das ein Grund zur Freude und Zufriedenheit für die Jäger, die diese Patronen führen. Andererseits ist das aber auch ein Grund, in einem dritten Test einmal den „echten Hochleistungspatronen“ wie zum Beispiel .22-250, 7mm Remington Magnum, .300 Weatherby oder 8×68 S auf den Zahn zu fühlen. Wir arbeiten bereits daran.