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Super-Test für Geschosse – Blei kontra bleifrei

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Mit der Diskussion um Bleirückstände in Seeadlern fing es 2005 an. Naturschützer forderten, sofort auf bleifreie Büchsengeschosse umzustellen. Dagegen gab es aus jagdlicher Sicht Bedenken. Unter anderem aus Sicherheitsgründen. Um diese zu klären, läuft bei der DEVA zur Zeit ein Großversuch.

 

Bleifrei
Ein Baumstamm wird von Büchsenmachermeister Heiko de Fries für die Verankerung angebohrt.
Rund 10 000 Schuss werden bei der Deutschen Versuchs- und Prüfanstalt für Jagd und Sportwaffen (DEVA) bis Ende Oktober durch die Messläufe gegangen sein, bis die Ergebnisse feststehen. Die DJZ und DJZ-TV (siehe DVD in der Abo-Auflage) durften den Machern über die Schulter schauen.
 
Anlass für diese umfangreiche Untersuchung waren bleifreie Geschosse, die vom Zielmedium oder Hindernissen fast wieder in Schützenrichtung zurückgelenkt wurden. Dabei war es zu Unfällen gekommen. In einem Fall sogar mit tödlichem Ausgang.
 
Auftraggeber für dieses im Umfang einmalige Forschungsvorhaben ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. „Das Ziel ist“, formuliert DEVA-Geschäftsführer Helmut Kinsky, „das Abprallverhalten von bleifreier und bleihaltiger Munition wissenschaftlich zu untersuchen.“ Aus den Messreihen soll abgeschätzt werden, inwieweit eine eventuelle Gefährdung von Personen durch abgeprallte Geschosse bzw. Geschossreste entstehen kann.
 

 

Bleifrei
Zusammen mit DEVA-Mitarbeiter Peter Jeuken wird er montiert.
Drei Kaliber wurden für diesen Zweck ausgewählt:
.243 Winchester, .308 Winchester und 9,3 x 74 R. In den Kalibern werden jeweils 3 bleifreie und 3 bleihaltige Geschosse ausprobiert.
Schussentfernungen: 25 m, 50 m, 100 m.
Prellobjekte: Baumstamm (Fichte), Nato-Gebüsch (soll Äste simulieren), Steinplatten, weicher Boden, harter  Boden sowie Seifendurchschüsse auf nachfolgende Prallmedien (Baum, Stein).
Schusswinkel: 2,5º, 5º, 10º, 15º, 25º (Baumstamm auch 45º und 90º).
 
Ergebnisse aus den bisherigen Versuchsreihen wollte uns der technische Leiter Ingo Rottenberger noch nicht verraten. „Das ist eine Auftragsarbeit. Und da ist es selbstverständlich, dass die Bundesanstalt für Landwirtschaft als Auftraggeber zuerst die Daten erhält und über die Freigabe entscheidet.“ Außerdem seien noch nicht alle Materialien auf dem Prüfstand gewesen.
 

 

Bleifrei
Kräftige Scharten nach dem Beschuss

Doch soviel ist schon in anderen Untersuchungen deutlich geworden: Die klare Einteilung „alle bleifreien Geschosse verhalten sich stets so und Bleigeschosse immer anders“, dieses Schwarz-Weiß-Klischee trifft nicht zu. Natürlich spielt das Geschossmaterial eine wichtige Rolle, doch ebenso von Bedeutung ist der Aufbau des Geschosses.

 

 

Bleifrei
Nach dem Baumstammbeschuss hinterließen nicht nur Geschoss-, sondern auch Holzsplitter deutliche Spuren.

Die Aufgabe der DEVA ist ganz strikt auf den Gefährdungsbereich ausgelegt. Mit Sicherheit die wichtigste Komponente beim Schießen in der jagdlichen Praxis. Wer möchte schon von seiner eigenen Kugel zurückgetroffen werden? Ebenso wichtig ist es, den möglichen Splitterbereich durch Ablenkungen zu wissen, um Mitjäger, Treiber, Hunde oder Waldbesucher nicht zu gefährden.

 

 

Bleifrei
Das standardisierte Nato-Gebüsch sieht eher wie eine Halterung für Ess-Stäbchen aus.
Ein Nebeneffekt dieser Untersuchungen könnte sein, Schüsse auf eine Rotte oder ein Rudel besser einzuschätzen. Der Anblick der Splitterwolken in den Pappscheiben des DEVA-Versuchsaufbaus dürfte manchen nachdenklich stimmen.
Insofern müssten die Jäger den Naturschützern dankbar sein. Denn ihr vehementes Drängen in Richtung bleifrei war der Anstoß für dieses Forschungsvorhaben. Die Ergebnisse werden nicht nur über die Alternative „Blei oder bleifrei“ Auskunft geben.
 

 

Bleifrei
Die Folgen der Berührung sind jedoch 10 Meter weiter erheblich

Trotzdem ist nicht zu erwarten, dass selbst durch diesen umfangreichen Versuch alle Fragen beantwortet sein werden. Dazu ist das Zusammenwirken der Komponenten zu komplex. Zu Geschossmaterial und – aufbau kommt Geschwindigkeit, Entfernung und das Zielmedium. Was nützt ein Geschoss, das nicht splittert, aber im Wildkörper keine Wirkung entfaltet? Umgekehrt: Sofortiges Zusammenbrechen, aber kein Ausschuss und Splitterverteilung im ganzen Wildkörper mag bei Raubwild sinnvoll sein, aber wer wünscht sich das bei einem Stück Schalenwild?

 

 

Bleifrei
Mit Seifenblöcken wird der Beschuss von Wild und das Verhalten des Geschosses nach Austritt aus dem Zielmedium simuliert

Der Vorteil von Blei: Hohes spezifisches Gewicht und gute Verformbarkeit. Nur Gold hat vergleichbare Vorteile. Kupfer oder andere Alternativmaterialien sind leichter und müssen auf höhere Geschwindigkeit gebracht werden,um eine ähnliche Energie im Zielmedium abzugeben.
Fazit: Wenn es nur um den Seeadler geht, lässt sich dieses Problem bestimmt auch ohne ein Verbot von bleihaltiger Munition lösen. So wie es jetzt auch schon praktiziert wird.

 

 

Bleifrei
Zur Zeit im Dauerbetrieb: die Ladepresse bei der DEVA
Der Vorteil dieser Untersuchung liegt in der umfangreichen Datensammlung über das Verhalten von Geschossen. Nach einem Wildtreffer und nach Kontakt mit einem Hindernis. Und zwar für Bleifrei- wie Bleigeschosse. Dabei geht es an erster Stelle um Sicherheit. Zum Beispiel welche Sicherheitswinkel einzuhalten sind. Besonders wichtig bei der Standauswahl auf Drückjagden.
Selbst in der Unfallverhütungsvorschrift (UVV) der Berufsgenossenschaften ist zu dieser Thematik keine präzise Aussage zu finden.
 
 
 

 

Bleifrei
Bis zum 31. Oktober wollen Ingo Rottenberger (links) und Helmut Kinsky die Ergebnisse abliefern

„Wird sich in dieser Hinsicht nach Abschluss der Forschungsauftrages etwas ändern?“, lautet die Abschlussfrage an Helmut Kinsky. „Ich glaube schon“, meint der DEVA-Geschäftsführer, „denn noch nie sind im Zivilbereich zu diesem Thema so umfangreiche Daten erhoben worden.“ Die DJZ wird selbstverständlich wieder berichten, wenn die Ergebnisse vom Ministerium freigegeben werden.

 
Frank Rakow
 

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