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Kaninchen-Plage im Weinberg

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In Mettenheim (Rheinland-Pfalz) brennt die Luft. Dem Pächter des Gemeindereviers soll fristlos gekündigt werden. Die Jagdgenossen werfen ihm Unfähigkeit vor. Es kommt zur Aussprache: Prügel drohen!

Von Hans Jörg Nagel

 

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Sie betreuten vorher das Revier: Ex-Pächter Manfred Röder ist ratlos – Mit-Jäger Rainer Bellmann ist in einen der unzähligen Kaninchenbaue „eingebrochen“

 

Ende März 2011. Die Hauptversammlung der Jagdgenossenschaft Mettenheim droht zu eskalieren. Die Landbesitzer werfen dem Revierpächter Unfähigkeit vor. Drohungen und Beleidigungen folgen. Prügel liegen in der Luft. Schließlich wird die fristlose Kündigung des Pachtvertrags angedroht. Der Pächter kündigt darauf selbst und verlässt den Saal.
Grund für den Streit sind massive Schälschäden in den Weinbergsanlagen. Die Täter: Tausende von Kaninchen. Mettenheim ist die Hochburg der grauen Flitzer: Hier werden 3 Prozent der Gesamtstrecke von ganz Rheinland-Pfalz gemacht.
Rückblick: 2003 übernahm Manfred Röder das Revier Mettenheim (Landkreis Alzey-Worms). Das 640 Hektar große Revier ist eine für Rheinhessen typische Hügellandschaft und läuft Richtung Rhein flach aus. Auf rund 90 Prozent der bejagbaren Fläche (500 Hektar) wird Wein angebaut. Dornfelder, Merlot oder auch Riesling profitieren hier von optimaler Wetterlage.
„Als ich das Revier vor 8 Jahren übernommen habe, war die Situation eine andere. Das Niederwild war hier auf dem Nullpunkt. Hase und Fasan gab es nicht, und wir schossen im ersten Jahr gerade mal 16 Kaninchen“, erinnert sich Ex-Pächter Manfred Röder.
Für den heute 42-Jährigen war das der Startschuss für umfangreiche Hegemaßnahmen. Und der Erfolg stellte sich schnell ein: „Meine Mitjäger und ich haben jede freie Minute damit verbracht, Niederwild-Biotope anzulegen und zu pflegen. Zudem haben wir Tag und Nacht dem Raubwild nachgestellt.“ 40 Füchse wurden alleine im ersten Jahr gestreckt. Kontinuierlich mehr in den Folgejahren.
Der Erfolg blieb nicht aus: Man konnte förmlich zuschauen, wie sich die Besätze erholten. Doch dann kippte die Situation. Die Mettenheimer Karnickel profitierten von den Hegebemühungen der Jäger derart, dass sie sich vermehrten, wie man es ihnen nachsagt. Aus einigen wurden Hunderte und schließlich Tausende. „Wir haben natürlich versucht dagegenzuhalten. Seit 2008 haben wir jährlich über 1 000 der grauen Flitzer erlegt“, so der Revierpächter, der selbst 10 Hektar Rebfläche besitzt.
 


„Alles umsonst – Schäden an den Reben allerorts!“

 

Das schauten sich die Mettenheimer Winzer nicht lange an. Im Januar dieses Jahres gab es erste Gespräche der Bauern mit den Jägern. Vorwurf der Jagdgenossen: Nicht nur der Verbiss der Weinstöcke, auch Schäden an landwirtschaftlichen Maschinen, die in Kaninchenbaue einsacken. „Einige Schmalspurschlepper hat es schon erwischt. Außerdem sind einige Spritz- und Schneidemaschinen eingebrochen. Dies, der Ernteausfall und die Folgeschäden summieren sich auf  rund 250 000 Euro“, rechnet der stellvertretende Jagdvorsteher Dirk Weißbach vor.
 

 


„Viecher müssen weg!“

 

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Kaum eine Rebe, die nicht von Kaninchen verbissen wurde
„Was sollten wir tun? Die vielen Böschungen in den Weinbergen und der Sand- beziehungsweise Löslehmboden hier ist ideal für Karnickel. Mehr als jagen können wir nicht“, entgegnet der Pächter und reicht den Schwarzen Peter gleich zurück: „Die Winzer sind an den Schälschäden mit Schuld. Beispiel: Im Winter hatten wir  4 Wochen hohe Schneelage. Das ist bei uns sehr ungewöhnlich. Die Weinbauern hätten mit Reb-schnitten als Alternativäsung, Schutzhüllen an den Rebstöcken oder Einzäunung den Schaden gewaltig eindämmen können.“ Das sei geschehen, kontert der Jagdvorsteher. Es habe allerdings nichts gebracht. Dirk Weißbach: „Bei mindestens einem Winzer sind auf einem Viertel Hektar 2000 Rebenstöcke abgefressen worden. Das ist sein Gesamtbestand.“ Und weiter: Zwei Drittel der Mettenheimer Gemarkung sei von Kaninchen übervölkert.
Es folgten Schnellschüsse, bedauert der Jagdpächter: „Ein Winzer hat einen Turbokurs gemacht und war so nach 3 Wochen Jäger. Wir nahmen ihn gleich in die Jagdgemeinschaft auf – doch warfen ihn ebenso schnell wieder hinaus.“ Nach Angaben Röders soll er nachts vom Auto aus mehrfach mal 20, mal 30 Kaninchen erlegt haben, ohne sich die Beute anzueignen. „Die hat er einfach liegengelassen. Er ist ein Aasjäger, der auch mit Sprüchen wie ,Kaninchen sind Mücken, die man totschlagen muss’ seine Einstellung nicht verhehlt.“
Besondere Situationen bedürfen besonderer Behandlung – da ist sich der stellvertretende Jagdvorsteher sicher: „Die alte Jagdgesellschaft hat stets nur so viele Kaninchen erlegt, wie sie verwerten konnten. In Mettenheim ist allerdings eine Plage ausgebrochen. Da muss man auch mal Strecke entsorgen. Die Viecher müssen weg, egal wie!“
 

 


Turbulente Sitzung

 

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Strecke satt – doch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein

 

Der Schlussstrich wurde im Verlauf der Jagdgenossenschaftsversammlung  gezogen. Vorausschauend hatte der Pächter den Berufsjäger des Landesjagdverbands, Christoph Hildebrandt, zu dieser Sitzung eingeladen. Der Revieroberjäger trug Lösungsmodelle vor, wie: verstärkte Jungkaninchenbejagung, Erhöhung der Begehungsscheine. „Leider waren die Jagdgenossen an Hildebrandts Vortrag nicht interessiert. Er wurde immer wieder durch Zwischenrufe unterbrochen. Irgendwann ging der LJV-Jäger“, berichtet Manfred Röder. Doch das sei erst der Anfang gewesen: „Im weiteren Verlauf der Sitzung wurden wir von Winzern als ,Dreckbuben!’ beschimpft, und einer drohte: Ich hau dir auf’s Maul.“
Der Vorsitzende der Jagdgenossenschaft soll es schließlich auf den Punkt gebracht haben: Angeblich habe er gedroht, er lasse Jäger mit einem Jumbo-Jet einfliegen und alles schießen außer den Füchsen. Manfred Röder hat den Vorsitzenden zwischenzeitlich wegen Beleidigung und Nötigung angezeigt.
Das Mettenheimer Revier hat nun eine neue Jagdgesellschaft. „Die sind bemüht und wollen ab Herbst so richtig zuschlagen“, freut sich Dirk Weißbach. Manfred Röder hält dagegen: „Das ist eine wilde Truppe. Wir werden denen ganz genau auf die Finger schauen.“ Aber das alles hilft den Alt-Jägern wenig: „Unterm Strich haben wir unser Heimat-Revier verloren.“
 

 

 

 

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