In Deutschland leben rund 82.000 Bachen zuviel. Zu diesem Ergebnis kommt Dr. Karl Hellmann bei kritischer Betrachtung der Streckenergebnisse. Schuld daran sind nach seiner Ansicht vor allem die Waldjäger.
In der DJZ 3/2014 und DJZ 8/2012 sind gekürzte Fassungen des Originalmanuskriptes veröffentlicht. Leser, die sich intensiver mit den Analysen Dr. Hellmanns befassen möchten, wird hier die Gelegenheit geboten, das Ursprungsmanuskript einzusehen.
Von Dr. Karl Hellmann
Grafik der Populationsdynamik
Überpopulation
In der Bundesrepublik Deutschland wurde im Jagdjahr 2009/10 die Schwarzwild-Rekordstrecke von 646.790 Stück erzielt, fast das 16,2-fache von 1964/65. Die Strecken pro Jahr sind mit ihrem Verlauf über 45 Jahre („Ein Jägerleben“) im nachfolgenden Liniendiagramm bis zum Jahr 2011 mit 585.334 Stück exakt im Millimeter-Raster dargestellt und spiegeln die Populationsdynamik beim Schwarzwild wider. Neu ist das Einzeichnen des Streckenverlaufs als angenäherte, berechenbare Parabel. Die Berechnung der Parabel wurde durchgeführt mit dem rechnerischen Näherungsverfahren von Newton. Dadurch ist zum Beispiel zwischen 1990 und 2009 die Berechnung der Bachenüberpopulation in der BRD mit 82.000 Stück im Wald möglich geworden. Als Anhalt dient hierbei die Zahl von 5 Frischlingen je Bache.
Bild 1: Schwarzwildstrecke in der Bundesrepublik, 1964/65 bis 2010/11 |
Wildschäden
Kein Programm führte bis heute zu einer nachhaltigen Bestandsminderung bei Schwarzwild. (Foto: Heinz Lehmann) |
Der Wildbiologe Lutz Briedermann hat bereits 1982 das „Schwarzwildproblem“ erkannt und unter anderem den Beitrag: „Der Wildbestand – die große Unbekannte“ geschrieben.
Die Autoren Lutz Heck, Günther Raschke und Friedrich Türcke schreiben zur Schwarzwilddichte je 100 Hektar Wald und zur Hege in ihrem berühmten Buch „Die Wildsauen“ (Parey, 1985, 2. Auflage, Kapitel VI: „Die Grenze der landeskulturell tragbaren Wilddichte kann vom Schwarzwild plötzlich überschritten werden. Deshalb ist es die wichtigste Aufgabe der Schwarzwildhege, die Bestände in angemessenen Grenzen zu halten und Übervermehrungen zu vermeiden. Auch Überhege ist ein Misserfolg der Hege.“)
Die Besitzer, Verwalter und Pächter von Staats-, Landes-, Kommunal- und Privatforsten, also waldreicher Gebiete, tragen eine besonders hohe Verantwortung bei der Hege der vorkommenden Wildarten, denn die im Wald heimischen Wildarten (zum Beispiel Schwarzwild, Füchse, Waschbären und Marderhunde) ziehen nachts ins Feld und verursachen im Getreide, im Mais und an Feldfrüchten immensen Wildschaden. Die irreparablen Schäden in der Vogelwelt und beim Niederwild seien hier nur erwähnt. Der Heger im Wald hat diesen Schaden durch Überhege mit verursacht beziehungsweise zumindest begünstigt.
Bild 2: Schwarzwildstrecke in Niedersachsen, 1964/65 bis 2010/11 |
Jagdarten
Stand der Wildbiologie
Verhaltensforschung
Mittlerweile sind wir Jäger durch Monographien des Schwarzwildes, Fachzeitschriften und Veröffentlichungen der Wildforschungsinstitute in Eberswalde, Hannover, Trier, Bonn, Baden-Württemberg und Bayern über das Verhalten von Schwarzwild gut informiert. Zum Beispiel schildern die Wildbiologen Gunter Sodeikat und Oliver Keuling aus Hannover das Verhalten von Rotten in ihren Streifgebieten im Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter und vor und nach Treibjagden. Relativ standorttreu streifen die Rotten in Gebieten von 700 bis 900 Hektar. Auch hat Keuling die Schwarzwildaktivitäten über 24 Stunden für die verschiedenen Jahreszeiten erforscht und dargestellt.
Sauenbestand und Populationsdynamik
Dem Sauenbestand auf der Spur sind Gunter Sodeikat und Oliver Keuling vom Institut für Wildtierforschung (IWFO) an der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover in ihrer Veröffentlichung „Die Geisterjäger“ in „Sauen“ aus 01/2011, Jahr Top Verlag. Am Ende waren sogar sie sehr überrascht. Dem Thema: „Warum der Durchbruch ausbleibt und die Sauen nicht flächendeckend in den Griff zu bekommen sind“, gingen bereits 2009 Paul Müller, Trier; Jürgen Goretzki und Kornelia Dobiàs, Eberswalde und Klaus Pohlmeyer, Hannover, nach.
Der Schlüssel liegt im Wald – Jagdmethoden
Der Schlüssel zur Lösung des Schwarzwildproblems liegt im Wald. Hier hält sich das Wild dreiviertel des Jahres auf. Nur hier kann durch Intensivierung der Bejagung des Schwarzwildes eine Bestandsreduzierung erfolgen. Es müssen nach der Hirschbrunft im Herbst und Winter 2 bis 4 gut geplante Ansitzdrückjagden revierübergreifend in freiwilligen Interessengemeinschaften mit überschaubarer Größe durchgeführt werden (Größe etwa 2.000 bis 10.000 Hektar, das heißt 20 bis 100 Quadratkilometer). Der auch von Wildbiologen und allen Schwarzwildsachverständigen falsch eingeschätzte, in ungeahnte Höhen angewachsene Bestand, muss auf ein landeskulturell erträgliches Maß, zum Beispiel auf den Bestand des Jahres 1990 zurückgeführt werden, wenn man als Bezugsgröße den Bestand von 1990 als ausreichend ansieht. Hierbei müssen verstärkt auch Jungbachen geschossen werden.
Streckendiagramme und Lüneburger Modell
Bild 3: Schwarzwildstrecke in Nordrhein-Westfalen, 1964/65 bis 2010/11 |
Beständer von Feldjagden bezahlen den Wildschaden
Als Beständer einer Feldjagd mit geringem Waldanteil und zweifacher (2 Seiten) Waldberandung fremder Reviere erlaube ich mir zu sagen, dass die Feldjagden ihren Anteil an der bisherigen Schwarzwildstrecke trotz vieler nachweisbarer Bemühungen mit hohem finanziellen Aufwand nicht steigern können. Sie würden es liebend gern tun, müssen sie doch den entstandenen Wildschaden im Mais etc. tragen. Auch der betroffene Landwirt unterstützt als Jagdgenosse im Regelfall den Pächter bei dessen Bemühungen; weil ihm mit einem Geldbetrag seine Futtersorgen zum Beispiel bei der Milchviehhaltung, nicht gänzlich genommen werden können; denn bei der „Raiffeisen Genossenschaft“ kann er keine Maissilage (Problem der Vorratshaltung!) für seine Kühe in ausreichender Menge zu jedem Zeitpunkt abrufen und kaufen.
Sauen sind dreiviertel des Jahres im Wald
Allein die Waldbesitzer und die Beständer von Waldjagden (Jagden mit überwiegendem Waldanteil) können, da sich nachweisbar die Sauen dreiviertel des Jahres im Wald aufhalten, mit einer ausreichenden Anzahl revierübergreifenden Ansitz-Drückjagden (die Zahl kann leicht aus den Streckendiagrammen der zur Interessengemeinschaft gehörenden Reviere ermittelt werden) die Schwarzwildstrecken auf ein tragbares, notwendiges Niveau bringen. Dieses Niveau das beispielsweise dem Jahr 1990 zugeordnet wird, kann den Streckendiagrammen jeder Interessengemeinschaft, einschließlich zusätzlich zu schießender Bachen, entnommen werden. Hierbei dienen die Landes-Streckendiagramme als übergeordneter Hinweis auf zu beachtende Tendenzen.
Zwingende Bestandsreduzierung
Wald und Feldjagden
Selbstverständlich müssen die Beständer von Feldjagden ihre jagdlichen Aktivitäten durch Jagderlaubnisscheine an ortsansässige Jäger, soweit wie zulässig, erweitern und sich für Drückjagden einschließlich Wildversorgung zur Verfügung stellen.
Statistik
Kurvenfunktion = Polynom 5. Grades; y = f (x)
Bild 4: Schwarzwildstrecke in Hessen, 1964/65 bis 2010/11 |
Um das nicht verträgliche, ungebremste Ansteigen des Schwarzwildbestandes über 45 Jahre dem Leser deutlicher vor Augen zu führen und visuell bewusst und einprägsam zu machen, wurde in den Streckenzug der Diagramme für die BRD und für die fünf Länderbeispiele stellvertretend für unsere 16 Bundesländer, eine angenäherte Kurve als Parabel mit einem biegsamen Kurvenlineal gelegt, die mathematisch zum Beispiel mit einem Polynom 5. Grades ausreichend genau beschrieben werden kann (Approximation durch Polynom). Die aus den Werten von 6 Kurvenstützstellen berechnete Funktion der jeweiligen Parabel y = f (x), erlaubt es, sowohl Kurvenzwischenpunkte zu berechnen als auch im Rahmen einiger Jahre vorsichtige Prognosen zur Entwicklung der Strecken und des Bachenbestandes zu machen, wenn sich nichts Gravierendes in der Bejagungsmethode ändert. Die Zahlen der Diagramme sind dem DJV-Handbuch 2011 entnommen. Die Streckenzüge bestehen aus Linien zwischen den Punkten der Jahresstrecken.
Mastjahre im Diagramm erkennbar
Rückrechnung der Streckenhöhe und der Bachenzunahme
Die Streckendiagramme besitzen an der linken Ordinate eine Maßstabsangabe für die Schwarzwildstrecke und an der rechten Ordinate einen Maßstab für die Zunahme der Bachen, wobei 5 Frischlinge je Bache unterstellt wurden, um eine derartig hohe Strecke ins Leben zu rufen!. Bei einer maximalen Jahresstrecke von rund 650.000 Sauen müssen also rund 130.000 Bachen vorher dagewesen sein. Die Abszisse (x-Achse) hat 2 Maßstäbe. Einmal die Jahreszahlen und einmal einen Zahlenmaßstab zum einfacheren berechnen der Polynome.
Überhöhte Strecken in allen Bundesländern
Bayern ca. 28,0 fach
Hessen ca. 18,0 fach
NRW ca. 17,0 fach
Baden-Württ. ca. 24,0 fach
Niedersachsen ca. 10,8 fach
Schleswig-Holstein ca. 15,4 fach
Bild 5: Schwarzwildstrecke in Schleswig-Holstein, 1964/65 bis 2010/11 |
Bestandsreduzierung auf den Stand von 1990 vertretbar
Hält man den Schwarzwildbestand von 1990 für landeskulturell machbar, dann ist in den Diagrammen den Pfeilen für das Bachenbeispiel zu folgen und es kann an der rechten Ordinate abgelesen werden, wie viel Jungbachen zusätzlich zur maximalen Streckenzahl geschossen werden müssen. Das Streckenbeispiel im BRD Diagramm für das Jahr 2000 (x=3,5) trifft, den dortigen Pfeilen folgend, auf die angenäherte Kurve bei 376.760 Stück.
Ergebnisse
Bejagungsmodelle
Nachdem die Reproduktionsraten beim Schwarzwild mit 500 Prozent vor Augen geführt wurden, soll auf praktische Bejagungsbeispiele aus Bayern hingewiesen werden, denn auch das „Kottenforst-Modell“, Bonn, hat versagt.
Bild 6: Schwarzwildstrecke in Bayern von 1964/65 bis 2010/11 |
Schriftenreihe der Schwarzwildsymposien und Monografien der dort genannten Autoren
DJV-Handbuch 2011
Streckenlisten der Landesjagdverbände
Kleine Enzyklopädie, Mathematik, 1966, Pfalz-Verlag, Basel S. 640ff
Dubbel, Taschenbuch für den Maschinenbau, 17. Aufl., 1990, Springer, Berlin, S. A 108ff