Ablösung der .300 Win-Mag?

42236

Blaser hat jetzt Waffe und Patrone im hochmodernen Kaliber .300 Winchester Short Magnum (WSM) auf den Markt gebracht. Im DJZ-Test musste die Patrone beweisen, ob sie den „alten“ Kalibern überlegen ist.

Von Roland Zeitler

Bild
Die Short-Magnum .300 WSM mit 180 grs. Swift Scirocco, 165 grs. Hornady SST un d150 grs. Nosler Ballistic Tip (v.l.).

Als ich die kurze, aber bauchige .300 Winchester Short Magnum (WSM) erstmals in Händen hielt, war ich sofort begeistert. Die WSM versprach, eine moderne, leistungsstarke Patrone für einen weiten Einsatzbereich zu sein. Insbesondere hohe Leistung und Präzision lässt die Konstruktion erwarten.

In der Vergangenheit setzte man bei leistungsstarken Kalibern auf lange Hülsen, da die Treibladungen viel Raum benötigten. Zudem waren lange Läufe für die Verbrennung des oft progressiven Pulvers notwendig.

Die Patronen erforderten lange Magnumpatronen-Systeme und das wiederum bedingte lange, schwere und wenig führige Waffen. Wer die Führigkeit durch Laufverkürzung erhöhen wollte, musste erhebliche Leistungseinbußen hinnehmen.

Aufgrund der großen Hülsenflächen und oftmals hohen Gasdrucke war die Verschlussbelastung auch nicht ohne. Genauso der unangenehme Rückstoß und die Gefahr, sich beim Repetieren mit dem Verschluss die Nase einzudrücken.

Die Super-Magnumpatronen wie die .30-378 Wby. Mag., aber auch die sehr leistungsstarke .300 Rem. UM sind Hochleistungspatronen für spezielle Einsatzbereiche, etwa der Wildschafjagd in Extremgebieten. Es sind Patronen für Jagden, bei denen zum Erfolg das letzte Quäntchen Leistung ausschlaggebend sein kann.

Für normale Jagdbedingungen sind sie unnötig stark, und viele Jäger sind damit oft schlichtweg überfordert.

Schon eher dem Allroundgedanken – zumindest im Hochwildrevier – entsprechen die „gezähmten“ Magnumpatronen wie 7mm Rem., .300 oder .338 Win. Mag. Sie kann man in normal langen und starken Magnumpatronen-Systemen oder gar dem Mauser 98er System unterbringen. Die Leistung liegt etwas über den Standardkalibern wie .30-06 Springfield, was vor allem die Einsatzweite erweitert. Trotzdem sind es nicht nur Patronen für weite Schüsse, sondern auch für Rotwild und Sauen auf kurzen Entfernungen gut geeignet. Mit guten Geschossen ist die Wirkung auf starkes Wild einfach besser als mit Standardkalibern. Die erhöhte Geschossgeschwindigkeit sorgt dafür auf vielfältige Art und Weise. Vorausgesetzt, geeignete Geschosse kommen zum Einsatz.

Der größte Nachteil der meisten mittleren Magnumpatronen ist der Gürtel. Er verringert die Magazinkapazität, und bei der Zuführung muss die Abstimmung genau erfolgen, damit es nicht zu Problemen kommt. Das größte Manko dieses „äußeren Zeichens“ von Magnumpatronen ist aber die Tatsache, dass über den Gürtel der Verschlussabstand gebildet wird. Also der Abstand von Stoßboden bis Vorderseite Gürtel. Dieses Maß ist extrem wichtig für die Präzision. Im Klartext wird die Patrone durch den Gürtel im Patronenlager fixiert. Je nachdem, wie präzise dieser gefertigt wurde, wackelt der lange Patronenteil vor dem Gürtel mehr oder weniger herum.

Wiederlader versuchen dem abzuhelfen, indem sie nach dem ersten Schuss nur den Hülsenhals kalibrieren und die Hülse dadurch dem Patronenlager angepasst wird. Gürtelpatronen erbringen deshalb meist keine Spitzenpräzision.

Wie die Erfahrung zeigt, ist auch die Verstärkung der Hülse durch einen Gürtel unnötig. Den derzeitigen Abschluss der Short Magnum-Patronen bilden die im Sommer 2001 vorgestellten Remington Patronen 7mm und .300 Rem. Short Action Ultra Magnum, die nahezu identisch mit der .300 WSM sind.

Laborierungen

Die neue .300 WSM wird von Winchester mit zwei Laborierungen angeboten. Eine mit 150 Grains Silvertip Geschoss (Vo 1006, Eo 4918 Joule) und eine mit 180 Grains Fail Safe (Vo 905, Eo 4777 Joule). Da wegen großer US-Nachfrage vorerst keine Patronen und Waffen von Winchester nach Deutschland gelangen, hat Blaser für Abhilfe gesorgt. Sie bieten den Repetierer R93 und die Kipplaufbüchse K95 in .300 WSM an.

Die Blaser Patronen werden in folgenden Laborierungen in Deutschland gefertigt: 165 grs. Hornady SST Geschoss, V5 876 Meter/Sekunde, E5 4102 Joule. 180 grs. Swift Scirocco Geschoss, V5 853 Meter/Sekunde, E5 4243 Joule.

Die Werte wurden aus einer Blaser R93 mit 57,5-Zentimeter-Lauf gemessen. Auf der Packung der .300 WSM Patronen sind folgende Vo-Werte angegeben: Bei Patronen mit 165 grs. Hornady-Geschoss 930 m/s (4724 Joule) und mit 180 grs. Swift Geschoss 900 m/s (4624 Joule). Das weicht von den tatsächlichen Werten von 876 und 853 m/s doch erheblich ab.

Das bedarf auch einiger Erklärungen. Die mir vorliegende CIP-Zulassung des Beschussamtes Ulm ergaben aus einem 650-mm-Lauf mit sechs Zügen und Minimaltoleranzen eine durchnittliche V2 von 941,5 m/s bei 3867 bar Gasdruck (165 grs. SST-Geschoss). Bei der 180 grs. Laborierung waren es 914,7 m/s und 4161 bar.

Der Lauf in der Blaser R93 hat wohl größere Toleranzen und ist 75 Millimeter kürzer. Je Zentimeter kann man runde fünf Meter pro Sekunde weniger an Mündungsgeschwindigkeit erwarten. Dazu kommt, dass der Lauf nur vier Felder und Züge hat, was zwar niedrigeren Gasdruck ergibt, aber auch eine niedrigere Geschossgeschwindigkeit.

Dem Jäger sollte man reinen Wein einschenken und deshalb Daten angeben, die aus am Markt befindlichen Serienwaffen erzielt werden. Mit den ballistischen Daten der Beschussläufe kann er wenig anfangen.

Der Vergleich

Mit demselben Laufprofil und derselben Lauflänge erbringt die .300 WSM praktisch dieselbe Leistung wie die .300 Win. Mag. Nur dass die kurze, 72 Millimeter lange .300 WSM eben in Kurzsysteme der .308 Win. Klasse passt. Dadurch wird Gewicht erspart und der Repetierweg ist viel kürzer und damit schneller.

Die neue .300 WSM kann also in sehr führigen Waffen untergebracht werden. Die ideale Lauflänge liegt bei rund 61 bis 63 Zentimeter. Blaser wird diese wohl auch in Zukunft anbieten. Ein weiterer Nebeneffekt stellte sich im Test heraus. Die .300 WSM lässt sich sehr angenehm schießen. Das Rückstoßverhalten ist moderat und subjektiv im Vergleich viel angenehmer als bei der .300 Win. Mag. Das sogar aus dem kurzen Lauf der Blaser R93.

Das neue Hornady SST-Geschoss ist eine Kombination aus Interlock mit seinen Manteleinschnürungen in den Bleikern und A-Max. Die spitze Polycarbonatspitze sorgt für hohen ballistischen Wert und damit ideale Flugbedingungen. Gestreckte Flugbahn und geringe Windempfindlichkeit sind das Ergebnis. Das Geschoss pilzt sich gleichmäßig auf und deformiert bis zum rund zweifachen Kaliber.

Das Restgewicht liegt im Bereich normaler Teilmantelgeschosse. Ein ideales Geschoss für weite Schüsse auf leichtes und mittelschweres Wild. Es ist ideal für die Gamsjagd, aber auch für Wildschafe, Dam- oder Muffelwild bis hin zu schwächerem Rot- und Schwarzwild. Bei schwachem Wild wie Reh sind die Zerstörungen aber enorm. Mit großen Hämatomen ist zu rechnen. Es ist keinesfalls ein Geschoss für kurze Entfernungen und sollte nicht an der Kirrung eingesetzt werden.

Dafür aber eignet sich das Swift Verbundgeschoss Scirocco. Wer starkes Schwarz- und Rotwild oder gar Wild bis hin zum Elch bejagen möchte, ist mit dem 180 grs. Swift Scirocco gut beraten. Es besitzt einen starken Mantel mit solidem Boden, und der Bleikern ist mit dem Mantel gebunden, so dass hohes Restgewicht für tiefe Penetration erhalten bleibt.

Die Spitze besteht ebenfalls aus Polycarbon. Das sehr aerodynamische Geschoss hat einen extrem hohen Formwert und damit eine sehr gestreckte Flugbahn. Es pilzte dank Sollbruchstellen über einen extrem weiten Zielwiderstand und Geschwindigkeitsbereich korrekt bis zum 2,5-fachen Kaliberdurchmesser auf. Es eignet sich vom leichten bis zum sehr schweren Wild.

Restgewichte von über 90 Prozent sind die Regel. Ich habe damit schwere Antilopen und auch starkes Rotwild sowie mittelstarke Sauen mit bester Zufriedenheit erlegt. Es ist auch sehr gut an Kirrungen auf kurze Distanz geeignet. Ich bin der Meinung, dass beide Laborierungen alle sinnvollen Einsatzbereiche der Patrone abdecken.

Schwerere Geschosse ergeben auch keine bessere Wirkung, da für diese ein ausgewogenes Verhältnis von Geschwindigkeit und Geschossgewicht nötig ist. Mit einem 180 Grains Geschoss habe ich sogar Elch und Eland ohne Probleme erlegt. Auch bei Drückjagden entscheidet der Treffersitz mehr als ein schwereres Geschoss.

Fazit

Die .300 WSM ist aber sicherlich kein spezielles Drückjagdkaliber oder gar ein Kaliber auf wehrhaftes Wild wie Grizzlies. Es ist eine leistungsstarke Allroundpatrone für Hochwildreviere oder Rehwildreviere mit starkem Sauenanteil. Für das kleine Reh ist sie übertrieben stark. Um größere Wildbret-Entwertung hier zu vermeiden, sollte man auf den Geschosssitz viel Augenmerk legen. Ansonsten ist sie für alles mitteleuropäische Wild wie geschaffen. Daneben ist sie ideal für Wildschaf-Jagden und leichte sowie mittelschwere Antilopen.

Für den Wiederlader sei angemerkt, dass Geschosse im Gewichtsbereich von 150 bis 180 Grains besonders geeignet sind. Sehr empfehlenswert sind Nosler Ballistic Tip, Swift-A-Frame und Scirocco, TUG, RWS DK oder Sierra Game King.

Die Scirocco Geschosse mit 150 und 165 Grains erbrachten eine höhere Präzision als das sehr lange 180-Grains-Geschoss. An Pulvern eignen sich Viht N160, Hodgon H4350, Reloader 19 oder RWS R904.

Mit einem Blaser Repetierer R93 wurden folgende Fünf-Schuss-Gruppen auf 100 Meter aus warmem Lauf erzielt: 15, 20 und 24 Millimeter (Blaser Patronen 165 Grains SST).

Mit meiner Handladung mit 180 Grains Nosler B.T. waren es 13, 17 und 18 Millimeter und mit dem 150 Grains Swift Scirocco 18, 20 und 23 Millimeter. Mit Blaser Fabrikpatronen mit 180 Grains Scirocco erreichte ich 25, 27 und 30 Millimeter (jeweils 5 Schuss/100 Meter). Aus einer Standardwaffe mit einfachem Jagdlauf eine exzellente Präzision. Ich habe gehört, dass die Patrone mit hochwertigen Matchläufen in der Lage ist, nahezu Loch in Loch zu schießen.

Sicherlich wurde die .300 Win. Mag. überflüssig mit Erscheinen der .300 WSM. Man kann sagen, es ist nunmehr eine veraltete Patrone. Allerdings wird man noch etwas warten müssen, bis Laborierungs- und Waffenangebot in .300 WSM den Standard der .300 Win. Mag. erreichen.

Spezialkaliber im sehr hohem Leistungsbereich wie .300 Rem. UM kann weder die .300 WSM noch die .300 Win. Mag. ersetzen. Man erkannte also klar die Zeichen der Zeit. Die neue .300 WSM stellt wohl den Beginn einer Short-Magnum-Ära dar.

F

A

Bild
Die .300 WSM undihre Konkurrenten (v.l.): .30-06 springfield, .308 Win., .300 WSM, .300 Win.Mag., .300 Wby. Mag. und .300 Rem.UM.

F

A

F

ANZEIGE
Aboangebot